Musikchronik 1979 - Disco, Kelly Family und
11 Tote beim Who-Konzert
Im Musikjahr 1979 hatte sich
Punk als bedeutende Größe im
internationalen Massengeschäft weitgehend wieder
verabschiedet, nachdem der Kommerz den Pogo-Bands
etwa zwei Jahre lang berechnende Neugierde
entgegengebracht hatte.
Der Drogentod des am 2.
Februar in einem New Yorker Hotel gestorbenen
21-jährigen Ex-Sex-
Pistols-Bassisten Sid Vicious
stand als ein makabres Wegzeichen für diese
Entwicklung. Die Puristen des Punks tauchten wieder
in das Dunkel ihrer Szene ab; kommerziell
geschmeidigere Gruppen ließen sich eine Zeitlang
weiter vermarkten oder bewegten sich in Richtung New
Wave.
Zu den großen späten Plattenerfolgen der
Punk-Bewegung gehörte das im Dezember 1979
herausgekommene „London Calling“ von
The Clash und
das „California über alles“ der authentisch
gebliebenen US-Punker
Dead Kennedys.
Der 1979er Hit „I Don´t Like Mondays“ der irischen
Gruppe
Boomtown Rats dagegen war einer der ersten
großen Erfolge der New Wave-Musik, die sich in
zahlreichen Subgenres (Post Punk,
Dark Wave, etc.)
unterteilte. Zu den wichtigsten New Wave-Gruppen
zählte die US-amerikanische Gruppe Blondie, deren
äußerliche Wahrnehmung von der mit Andy Warhol
befreundeten, weißblonden Frontfrau
Deborah Harry
bestimmt wurde. Blondie war mit dem bereits 1978
veröffentlichten „Denis“ sowie den 1979er-Stücken „Dreaming“,
„Sunday Girl“ und “Heart Of Glass“ auf allen
Pop-Sendern dauerpräsent. In England hielt sich der
Song “Heart Of Glass“ vier Wochen auf Platz 1 der
Musikcharts. Die raffinierte Trägheit,
die für die Blondie-Songs typisch war, war weniger
verstörend als Punk und wirkte auf viele Konsumenten
weniger beliebig als die Produkte der immer noch
lebendigen Disco-Welt.
Gut platzieren mit ihrem
elegischen Dark Wave konnten sich Robert Smith und
die anderen Bandmitglieder von
The Cure: Mit dem zum
wohligen Traurigsein einladenden „Boys Don´t Cry“
hatten sie ihren ersten Hit. Und die überaus
spezielle
Nina-Hagen-Freundin Lene Lovich empfahl
sich 1979 mit „Lucky Nummer“ und „Home“.
Die deutschen Vertreter des New Wave wurden unter
der 1979 erfundenen Bezeichnung „Neue Deutsche Welle
(NDW)“ erfasst. Die erste mit diesem Label versehene
deutsche Gruppe
war die durch ihre innovativen
elektronischen Klangkaskaden bekannt gewordene
Gruppe „Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF)“
Wie sie galten zunächst auch die anderen frühen
NDW-Gruppen wie
Fehlfarben,
BAP und
Extrabreit als
für den großen Markt wenig ungeeignet. Das sollte
sich in den Folgejahren ebenso wie die
NDW-Ausrichtung erheblich ändern.
Den breiten musikalischen Unterhaltungsgeschmack
bestimmten 1979 wie in den Vorjahren Disco, Pop,
Glam Rock und Mainstream Rock. Die
schwedische
Gruppe Abba knüpfte mit weiteren Hits an ihre
bisherigen Welterfolge an. Neben den Pop-Balladen „I Have A Dream“ und „Chiquitita“ besetzte auch das
schnelle „Gimme! Gimme! Gimme!“ Spitzenplätze in den
Charts. Die Einnahmen von „Chiquitita“ stiftete Abba
dem Kinderhilfswerk UNICEF.
Das britische
Electric
Light Orchestra (ELO) feierte 1979 mit den wabernden
Disco-Rock-Melodien „Don´t Bring Me Down“, “Shine A
Little Love“ und “Confusion“ Megaerfolge.
Sehr
erfolgreich und sehr in die Tanzbeine gehend waren
auch Kool & The Gang mit „Ladies Night“,
Earth, Wind
& Fire mit „Boogie Wonderland“,
Chic mit „Good
Times“ sowie Disco-Königin
Donna Summer mit „Bad
Girl“ und „Hot Stuff“.
Gloria Gaynors im Oktober
1978 veröffentlichtes, trotziges Disco-Lied „I Will
Survive“ begann 1979 endgültig seinen Siegeszug als
Hymne der Homosexuellen-Bürgerrechtsbewegung Gay
Pride.
Das australische Disco-Königs-Trio
Bee Gees
überzeugte seine Fans mit dem schmusigen „Love You
Inside Out“ und vor allem mit dem, falls überhaupt
möglich, noch schmusigeren „Tragedy“. Die
Disco-Männer von
Village People dagegen liebten es
wieder kräftig-frisch mit den Mitmach-Muntermachern
„In The Navy“ und „Go West“.
Im Pop-Rock-Bereich hatte die
britische Band
Supertramp 1979 mit etlichen Single-
Auskopplungen
ihres
Albums „Breakfast In America“ (u. a. „Take The Long
Way Home“, „The Logical Song“ und „Goodbye Stranger“)
Charts-Durchbrüche. Ähnlich erging es der
US-amerikanischen Rockband
Eagles mit ihrem
Pop-Rock-Stück „Heartache Tonight“ und
Queen mit „Don´t
Stop Me Now“.
Die Rocker von
Kiss sorgten mit dem
rollenden „I Was Made For Lovin´ You“ und
AC/DC mit
dem bald zu einer Welthymne der Headbangers
aufsteigenden „High Way To Hell“ für körperbetonte
Begeisterung und entsprechend rhythmisches
Kopfschütteln.
Die US-Band
Dr. Feelgood trug mit dem
stampfrockigen „Milk And Alcool“ ebenso wie die
britische Ska-Band Madness mit „One Step Beyond“ zum
Party-Spaß bei. Die US-Truppe
Cheap Trick hatte mit
ihrem flotten Rock-Pop-Stück „I Want You To Want Me“
ihren ersten Top-Hit und ihre Kollegen von
The Knack
landeten gleich mit ihrer ersten
Single-Veröffentlichung „My Sharona“ einen
internationalen Nr.1-Hit.
Sieben Jahre nach seinem
ersten US-Top-Hit („Ben“) hatte Michael Jackson mit
„Don’t Stop ’til You Get Enough“ und „Rock With You“
seinen eigentlichen Durchbruch als Solo-Sänger.
Freunde langsameren Rock-Pops kamen bei
Fleetwood
Macs „Tusk“,
Dire Straits „Lady Writer“, Ricki Lee
Jones´ „Chuck E.'s In Love“ oder dem für
Proll-Rockröhre
Suzi Quatro untypisch sanften „Stumblin´
In“ (im Duett mit Chris Norman) ins Träumen.
Hit-Schmalzig wurde es 1979 auch bei Art Garfunkels
„Bright Eyes“,
Billy Joels „Honesty“ und
Marianne Faithfulls „The Ballad of Lucy Jordan“.
Fast schon schlagermäßig kamen 1979 das französische
One-Hit-Wunder
Patrick Hernandez mit dem
Disco-Stomp-Brüller „Born To Be Alive“ und das
Elektro-Pop-Lied „Pop Muzik“ des unter dem
Künstlernamen „M“ auftretenden Engländers Robin
Scott daher. Schlagermäßig waren auch die meisten
deutschsprachigen Top-Seller ausgerichtet. Typisch
für den deutschen Schlagerparaden-Geschmack des
Jahres waren Akustik-Produkte wie das
tanzunterstützte „
Dschinghis Khan“ der
gleichnamigen, im Talmi-Mongolen-Look verkleideten
Ralph-Siegel-Gruppe,
Peter Maffays „So bist du“ oder
auch
Roland Kaisers „Schach Matt“ und
Christian
Anders´ “Verliebt in den Lehrer“. Ein doller, niveaumäßig nicht mehr unterbaubarer Schenkelklopfer
war 1979 Günter Willumeits „Y.M.C.A“-Blödelversion „L.M.A.A.“.
Die Konzertkatastrophe bei The Who
Beim einem Konzert von The Who in Cincinnati, Ohio
in den USA kamen 11 Menschen ums Leben, weitere
wurden verletzt. Tausende von Fans belagerten die
vielen Türen der Konzerthalle, da das Konzert nicht
pünktlich anfing. Die Veranstalter öffneten nur zwei
der vorderen Türen, was die Menge dazu veranlasste
die beiden Türen zu stürmen. Dabei wurden viele
verletzt und 11 Personen erstickt oder totgetrampelt.
Das Konzert fand dennoch statt, da man der Band dies
nicht mitteilte.
Weitere Neuerscheinungen und Neugründungen
Inga und ihre Schwester
Annette Humpe gründen in Berlin die Neonbabies
und in Niedersachsen wird die Band
Trio
gegründet.
Die Kelly
Family veröffentlicht unter selbigem Namen
ihre erste CD. Die Band
Goombay Dance Band gründet sich. In
englischen Aylesbury gründet sich die Band
Marillion.
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