Musikchronik 1978 - Raubtierhaft: Amanda Lear
1978 war die seit etwa
1975 hippe Disco-Welle, deren bonbonfarbige, betont
unpolitische Grundausrichtung im merkwürdigen
zeithistorischen Kontrast zu Deutschem Herbst,
Öko-Pax-Bewegung und
Ölkrisen stand, auf ihrem
Höhepunkt. Einen enormen zusätzlichen Schub bekam
die Zeitgeist und Alltagskultur des hedonistischen
Teils der globalen Bevölkerung maßgeblich
beeinflussende Funk-Pop-Stilrichtung durch den
US-Film „Saturday Night Fever“. Der cineastisch
belanglose, im Prekariats- und Diskotheken-Milieu
von Brooklyn spielende Streifen (Regie: John Badham)
wurde wegen seines Soundtracks zum Millionen-Seller.
Hauptdarsteller
John Travolta
alias Tony Manero
schaffte es mit seinem affektierten Tanz stilbildend
zu werden und sich die Grundlage für seine
Weltkarriere als Filmstar zu schaffen.
Die Musik des 1977 gedrehten Films (deutscher Titel:
„Nur Samstag Nacht“) lieferten unter anderem
Disco-Größen wie KC and the Sunshine Band („Boogie
Shoes“), Trammps („Disco Inferno“) und Ralph
MacDonald („Calypso Breakdown“ ). Vor allem aber
zündeten die Beiträge der falsett-dominierten Bee
Gees: „Stayin’ Alive“, „How Deep Is Your Love“, „You
Should Be Dancing“ und „Night Fever“. In den USA
blieb das Soundtrack-Album zwei Jahre lang auf Platz
1 der Verkaufscharts. John Travolta konnte als
„Danny Zuko“ in der 1978 realisierten
Musical-Verfilmung „Grease“ nahtlos an seinen „Night
Fever“-Erfolg anknüpfen. Insbesondere die mit
Filmpartnerin Olivia Newton-John gesungenen
Soundtrack-Auskoppelungen „You're the One That I
Want“ und „Summer Nights“ wurden Hits.
Auch die vier Schweden/-innen von Abba waren 1978
mit ihrem 1977 gedrehten Semi-Doku-Film „Abba – The
Movie“ überaus erfolgreich. Fans konnten sich über
nahezu sämtliche Hits der skandinavischen
Super-Group von „SOS“ über „Mamma Mia“, „Waterloo“
und „Dancing Queen“ bis zu „Fernando“ freuen. Der
Abba-Hitliste wurden 1978 „Take A Chance On Me“ und
„Eagle“ hinzugefügt.
Die deutsche Top-Disco-Truppe, das
Frank-Farian-Projekt
Boney M., blieb ebenfalls
1978
in den Charts. Das flippige Karibik-Personal, von
dem vor allem der Tanz-Derwisch Bobby Farrell mit
seiner zeittypisch an ein aufgeplatztes Sofakissen
erinnernden Frisur in Erinnerung blieb, brachte das
Disco-Volk mit „Rasputin“ und „Rivers Of Babylon“
zum Hoppsen. Zum Hoppsen brachten auch die homophobe
Klischees augenzwinkernd bedienenden Herren von
Village People Millionen Menschen mit ihrem Hit „Y.M.C.A.“
Ähnliche Begeisterung lösten die schlichten Melodien
der südafrikanischen Frauenband Clout („Substitute“)
und ihrer niederländischen Kolleginnen von Luv´ („You’re
the Greatest Lover“, „Trojan Horse“) aus. Ebenso
Amanda Lear mit ihrem raubtierhaften
Sprechgesang „Follow Me“. Das Italo-Duo La Bionda
klimperte sich 1978 mit dem textlich und
musikalisch
anspruchslosen „One for You, One for Me“ in die
Hitlisten. Lediglich namenstechnisch entfernt
verwandt mit La Bionda überzeugte die
New-Wave-Gruppe Blondie (Frontfrau:
Debbie Harry)
1978 mit „Denis“.
Schmuse-Rock-Freunde bekamen bei
Smokies „Mexican
Girl“ und „Oh Carol“, bei
Supertramps „Give A Little
Bit“, bei „Miss You“ der
Rolling Stones, bei „California
Nights“ von
The Sweet sowie bei „Sultans of Swing“
von
Dire Straits feuchte Augen.
Mit „Dreadlock Holiday“ landeten
10CC nicht nur eine
gelungene Ironie auf Jamaika-Urlaubs-Warnungen,
sondern auch einen gutverkauften Reggae-Poprock-Hit.
In den deutschen Hitparaden tauchten auch 1978 die
anscheinend unvermeidlichen Witzig-Lieder auf:
Johanna von Koczian thematisierte „Das bisschen
Haushalt“, Helga Feddersen und Didi Hallervorden
juchzten „Die Wanne ist voll“, die Gebrüder
Blattschuss besangen tolle „Kreuzberger Nächte“ und
Vader Abraham setzte mit „Das Lied der Schlümpfe“
das ganz derbe humoristische Brecheisen an. Daneben
gab es Gute-Laune-Groove von
Jürgen Drews („Wir zieh'n heut' abend aufs Dach“), Peter Alexander
(„Feierabend“) und Wencke Myhre („Eine Mark für
Charly“), kerlige Lebensberatung von
Gunter Gabriel
(„Ich bin CB-Funker“) und Scheidungsopferschmalz
(„Und dabei liebe ich euch beide“) der unmündigen
Andrea Jürgens. 1978 hatte
die DDR-Band Karat mit
„Über sieben Brücken“ nicht nur im Realsozialismus
Erfolg, sondern auch in Deutschland-West.
Bandgründungen und Bandauflösungen
Die Ost-Band
Silly gründen sich in Ost-Berlin und die
Neon-Babies um die Schwestern
Annette und
Inga Humpe in Westberlin.
David Gilmour veröffentlicht sein erstes
gleichnamiges Solo-Album. Die Band
Whitesnake
veröffentlicht mit "Snakebite" Ihr erstes Album.
Die
Sex Pistols lösten sich nach drei Jahren und nur
einem Album namens „Never
Mind the Bollocks" auf. Die
Band „
The
Knack" wird gegründet.
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