Musikchronik 1972 - Juliane Werdings Conny
Kramer
1972 war das Jahr des den Glam Rock quasi
personifizierenden T. Rex-Frontmanns Marc Bolan. Mit
„Telegram Sam“, „Metal Guru“ und vor allem mit „Children
Of The Revolution“ begeisterte der durch sein
egozentrisches Gehabe die übrigen Bandmitglieder zu
Subalternmitarbeitern degradierende Bolan vor allem
Millionen von Schulmädchen. Richtigen Rockfans war
der Musik-Zuckerguss von T. Rex zu lasch und
Grüblern waren Bolans pseudointellektuelle Texte zu
flach. Diese Publikumsgruppen fanden ihren Spaß eher
bei den Hammer-Rhythmen von Uriah Heep („Easy Livin´“),
Deep Purple („Smoke On The Water“) und Led Zeppelin
(„Black Dog“), bei den ziselierten Texten von
David
Bowie („Changes“), Moody Blues („Isn´t Life
Strange“) und Procul Harum („Conquistador“) oder bei
der lebensfrohen Brachial-Vulgarität von
Cooper („Elected“, „School´s Out“)). Aber auch
Funk-Pop wie „I'll Be Around" von den Spinners,
Stevie Wonders „Superstition“ oder die
Temptations-Cover-Version von „Papa Was A Rolling
Stone“
brachten weltweit Musikfans zum Zucken.
Begeisterung löste das von der Eric-Clapton-Band
Derek and the Dominos veröffentlichte Emotions-Lied
„Layla“ mit dem eigenartigen Klaviermusikausklang
(Coda) aus.
Verträumt wurden die Augen nicht nur von
amerikanischen Schulmädchen, wenn der weinerliche
Softhit „A Horse With No Name“ von America, das
sanfte „America“ von Simon & Garfunkel oder
„American Pie“ von
Don McLean erklangen. Für
Jungvolk, dem nach Schule und Job am Wochenende der
Sinn nach bloßem Spaß und harmlosen Quatsch stand,
produzierten europäische und amerikanische Gruppen
am laufenden Band simple, kaum voneinander zu
unterscheidende Mitsing-Hits. Dazu gehörten
optimistische Lalalala-Liedchen wie „People Need
Love“ von Abba oder „Sacramento“ von Middle of the
Road, New Seekers „Beg, Steal Or Borrow“, Sweets
glam-kreischiges „Blockbuster!“ und Eltons Johns „Crocodile
Rock“. Ebenso Dr. Hooks kratziges „The Cover of the
Rolling Stone", das titel-programmatische „Footstompin'
Music" von Grand Funk Railroad, das rummelige „Gudbuy
T'Jane" von Slade und das ultrasüße „Puppy Love“ des
15-jährigen Donny Osmond sowie das ploppige
Instrumental „Pop Corn“ von Hot Butter.
1972 hatte die im Vorjahr gegründete Dandy-Gruppe
Roxy Music mit „Virginia Plain“ ihren ersten Hit und
Carly Simon überzeugte mit dem
frauen-selbstbewussten „You´re So Vain“.
Merkwürdigerweise gehörte 1972 auch eine schottische
Militärband zu den großen Hitmachern:
Die Musiker
der Royal Scots Dragoons Guards intonierten das
geistliche Traditional „Amazing Grace“ so
herzerweichend, dass es für fünf Wochen die
Singles-Charts im Vereinigten Königreich anführte.
Mit ihrer Interpretation des ebenso herzerweichenden
„Little Drummer Boy“ legten die musikalischen
Kavallerie-Schotten Weihnachten 1972 einen weiteren
Hit nach.
Boykott Paul McCartney & the Wings
Für politische Aufregung im Vereinigten Königreich
sorgte 1972 das musikalisch recht fade daherkommende
„Give Ireland Back To The Irish" der
Paul-und-Linda-McCartney-Band Wings. Das Lied
forderte, kurz nachdem im nordirischen Derry 14
Bürger von britischen Soldaten getötet worden waren
(„Bloody Sunday“), die Vereinigung der britischen
Provinz Nordirland mit der Republik Irland. Das Lied
wurde in
Großbritannien von der BBC und anderen
Sendern boykottiert, in den irischen Charts kam es
auf Platz 1.
Deutschschlageriges hatte es zwar 1972 zunehmend
schwer, sich in Tanzdielen und Diskotheken
durchzusetzen, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
dominierte es aber weiterhin das
Unterhaltungsprogramm von Radio und TV. Roy Black
hatte „Träume wie Samt und Seide“, Daliah Lavi sang
„Meine Art, Liebe zu zeigen“ und Jürgen Marcus
wusste: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“.
Eine thematische Sonderstellung in der deutschen
Schlagerwelt nahm Juliane Werdings erster und
größter Hit, „Am Tag, als Conny Kramer starb“, ein.
Engagierte Pädagogen griffen das Teenager-Lied gern
auf, um im Unterricht auf die Gefahren des
Drogenkonsums hinzuweisen.
1972 hatte einer der erfolgreichsten Musical-Filme
aller Zeiten seine Premiere. Regisseur Bob Fosse
inszenierte „Cabaret“ mit Liza Minelli in der
Hauptrolle.
Debüts und Neuerscheinungen 1972
Die
1965 gegründete Band
Scorpions
veröffentlichen Ihr erstes Album "Lonesome Crow".
In Deutschland veröffentlicht
Juliane Werding ihr gleichnamiges Album. Der
Titel "Am Tag als Conny Kramer starb" landete sofort
auf Platz 1 in den
Musikcharts.
Lena
Valaitis veröffentlichte mit "Die Welt der
Stars und Hits" ihr Debütalbum. Mit der Single "Ob
es so oder so oder anders kommt" eroberte Sie die
Hitparaden.
Peter Frampton brachte nach Humple Pie
sein erstes Soloalbum mit dem Titel "Wind of Change"
heraus. In Kansas gründet sich die Band mit dem
gleichem Namen
Kansas.
In Ost-Berlin gründete sich die später bekannteste
DDR-Band
City.
Werbung