Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde
allgemein zustimmend genickt, wenn Geschichtslehrer
die sächsische Historiker-Legende Henrich von
Treitschke (1834 – 1896) zitierten und mit großer
Selbstverständlichkeit dessen These „Männer machen
die Geschichte“ vertraten. Abgesehen davon, dass
Treitschke auch Urheber der antisemitischen
Hetz-Parole „Die
Juden sind unser Unglück“ war, würde
heute kaum noch ein ernstzunehmender Historiker in
vergangener Absolutheit behaupten, dass
ausschließlich Männer Akteure in der Geschichte
waren und im Umkehrschluss Frauen lediglich
Betroffene oder bestenfalls Erfüllungsgehilfinnen.
Dennoch ist es offenkundig, dass Frauen in der
Geschichte weit weniger häufig als Big Player
aufgefallen sind als Männer. Der Grund ist simpel:
Die politischen und sozialen Machtverhältnisse haben
es Frauen bis in die heutigen Zeiten ungleich
schwerer gemacht, in Positionen zu gelangen, wo die
großen Räder der Geschichte gedreht werden.
Nichtsdestotrotz haben es doch etliche Frauen durch
ihre positiven oder auch negativen Taten geschafft,
in die Geschichtsbücher einzugehen. Am ehesten
bewegten in der Vergangenheit Frauen dort
Wesentliches, wo sie aufgrund von Regelungen, die
regulär oder ausnahmsweise die weibliche Thronfolge
rechtlich möglich machten, zu Herrscherinnen
aufsteigen konnten.
Zu diesen Monarchinnen gehörte unter anderem die als
letzte Ptolemäer-Pharaonin von
69 bis 30 v. Chr.
über das antike
Ägypten herrschende
Kleopatra VII.
Im kollektiven Gedächtnis wurde Kleopatra oft auf
ihre Rolle als Geliebte von
Gaius Julius Caesar und Marcus Antonius
reduziert. Aber Kleopatra war mehr als nur eine
Vorlage für ein Elizabeth-Taylor-Hollywood-Drama,
sondern eine mit allen Wassern gewaschene
Machtpolitikerin, die Ägypten für kurze Zeit im
Windschatten
Roms
stärken konnte. Nach der Niederlage gegen Octavian,
dem späteren
ersten
römischen Kaiser Augustus, nahm sich
Kleopatra das Leben. Ägypten wurde zur römischen
Provinz.
1500 Jahre später schaffte es eine Frau, sich gegen
ihren als König Heinrich IV. über Kastilien
herrschenden Halbbruder durchzusetzen und einen
anderen als von der Staatsräson ausgewählten
Heiratskandidaten zum Mann zu nehmen. Die 1451
geborene Infantin Isabella von Kastilien vermählte
sich 1469 mit ihren Herzensmann, dem ein Jahr
jüngeren König Ferdinand von Aragon. Nach dem Tod
Heinrichs IV. 1474 als Königin inthronisiert
regierte sie zusammen mit ihrem Mann über Kastilien
und Aragon und legte so den Grundstein für Spanien
als Gesamtstaat. 1492, im Jahr als
Kolumbus begann,
Amerika für die kastilische Krone zu
kolonialisieren, vertrieb Isabella nach der
Eroberung des südspanischen Emirats die letzten
Mauren von der iberischen Halbinsel. Die Königin
vertrieb ebenso alle Juden, die sich weigerten,
zum
Christentum überzutreten. 1504 starb
Isabella, die vom Papst den Beinamen “Die
Katholische“ bekommen hatte.
Vergleichbar brutal war eine Monarchin, die 1588
durch den Seesieg über die spanische Armada
verhinderte, dass
Spanien zur dominierenden Seemacht in
Europa
wurde. Es war Elisabeth I., die als „Elizabeth
Tudor“ 1533 geborene Tochter des königlichen
Ehefrauenmörders Heinrich VIII. von
England
und seines Opfers Anne Boleyn. Sie bestieg nach dem
Tod ihrer als Maria I. die Blutige bis 1558 über
England und Irland regierenden Halbschwester den
Thron. Fast ein Halbjahrhundert regierte Elisabeth
I. bis zu ihrem Tod 1603 mit harter Hand über ihr
Reich. Im Englands Stellung als Welt- und
Kolonialmacht zementierenden „Elisabethanischen
Zeitalter“ scheiterte Elizabeths Hauptrivalin, die
schottische Königin Maria Stuart, den englischen
Thron zu erobern. Maria Stuart endete auf dem
Schafott. Elisabeth hat nie geheiratet und ging als
„Jungfräuliche Königin“ in die Geschichte ein.
Andere berühmte Monarchinnen waren u. a. Theodora
(um 500–548), die Gattin und Mitregentin des
oströmischen Kaisers Justinan, oder Maria Theresia (
1717
–
1780),
Herrscherin über die habsburgischen Lande und
kongeniale Gegenspielerin des Preußen-Königs
Friedrich II. Die russische Kaiserin und Zarin aus
deutschem Kleinfürstengeschlecht
Katharina II.
(
1729 –
1796)
kam 1769 durch einen Staatsstreich an die Macht und
erhielt von der Historikerzunft als einzige Frau den
ambivalenten Beinamen „Die Große“ verliehen. Als
große Herrscherin im Norden Europas bewies sich die
Dänin Margarethe I. (1353 – 1412), die es zeitweilig
schaffte die drei Kronen von
Dänemark,
Schweden
und
Norwegen
zu vereinen. Von Bedeutung für die skandinavische
Geschichte war auch die Schweden in der zweiten
Hälfte
des Dreißigjährigen Krieges regierende
protestantische Königin Christina (1626 – 1689). Sie
konvertierte 1654 zum Katholizismus und musste
abdanken. Und schließlich hat eine britische
Monarchin ungeachtet der Beschränktheit ihrer
tatsächlichen politischen Macht fast einem ganzen
Jahrhundert ihren Stempel aufgedrückt:
Victoria
(1819–1901) regierte von 1837 bis zu ihrem
Tod über das Empire. Sie wurde zur Stilikone ihres,
des für Prüderie und Bigotterie, Imperialismus und
Turbokapitalismus bekannten „Viktorianischen
Zeitalters“.
Es haben nicht nur Kaiserinnen,
Königinnen und
Erzherzoginnen Geschichte gemacht, sondern auch
ungekrönte Anführerinnen. Die erste Frau in der
Kategorie „Demokratisch gewählte Regierungschefin
eines Staates“ war eine Südasiatin. Die Singhalesin
Sirimavo Bandaranaike (
1916–
2000)
war Witwe des 1959 bei einem Attentat ums Leben
gekommenen Ministerpräsidenten von
Ceylon
(neuer Name
seit
1972: „Sri Lanka“).
1960
wurde sie in dem Land, in dem
1931
(damals war Ceylon noch britische Kolonie) als
erstes Land Asiens das Frauenwahlrecht eingeführt
worden war, zur Regierungschefin gewählt. Sirimavo
Bandaranaikes drei Amtsperioden (1960–65, 1970 -77,
1994 -2000) waren vorwiegend durch soziale Unruhen,
Wirtschaftskrisen und Korruptionsvorwürfen bestimmt.
Auch andere Frauen schafften es in Asien bis ganz an
die Spitze. Zu den bekanntesten dieser Frauen
gehörten die pakistanische Ministerpräsidentin von
1988
bis
1996
(mit Unterbrechungen) Benazir Bhutto (1953 - 2007)
und ihre indische Amtskollegin
Indira Ghandhi
(1917 – 1984). Beide Frauen fielen Attentätern zum
Opfer.
In der westlichen Welt wurden Spitzenpositionen in
der Regierungssphäre nicht deutlich häufiger Frauen
übertragen als in der so genannten Dritten Welt. So
war die
Demokratin Hillary Clinton (geb. 1947)
2016 die erste
Präsidentschaftskandidatin in der
US-Geschichte überhaupt. Sie scheiterte am
Republikaner Donald Trump. Es gab aber
die eine oder andere First Lady, die ihre zufällige
Eigenschaft als Gattin eines US-Präsidenten für
politische Aktivitäten nutzte. Paradebeispiel: Die
Ehefrau des zwischen 1933 und 1945 amtierenden
Präsidenten
Franklin D. Roosevelt, Eleanor Roosevelt
(1884 – 1962), galt als einer der einflussreichsten
Frauen ihrer Zeit.
In Großbritannien haben gerade einmal zwei Frauen
das Hausrecht in 10 Downing Street gehabt: Nämlich
die Konservative
Margret Thatcher (1925 – 2013) von 1979
bis 1990 sowie die ebenfalls der Konservativen
Partei zugehörige Theresa May (geb. 1956) von 2016
bis 2019. CDU-Mitglied Angela Merkel (geb. 1954)
leistete 2005 den Amtseid als erste Kanzlerin in der
deutschen Geschichte. In Frankreich dagegen gab es
noch nie eine weibliche Regierungsspitzenkraft.
Im real existierenden Sozialismus der Ostblock-Zeit
hat es keine Frau ganz nach oben in Politbüro, ZK
oder Regierung geschafft. Da hätte sicher berühmte
kommunistische Kämpferinnen wie Clara Zetkin (1857 –
1933) oder
Rosa
Luxemburg (1871 – 1919) zu Recht
aufgebracht.
Ohne das Wenn und Aber, das bei Monarchinnen und
Politikerinnen fast immer kritisch angebracht ist,
haben sich auch viele Frauen durch ihr Wirken die
uneingeschränkte Bewunderung ihrer Zeitgenossen und
der Nachwelt verdient. Dazu zählen Heroinnen wie die
deutsche antinazistische Widerstandskämpferin
Sophie
Scholl (1921 -1943), die britische
Frauenrechtlerin („Suffragette“) Emmeline Pankhurst
(1958 – 1928) oder die österreichische
Friedensaktivsitin Bertha von Suttner (1843 – 1914).