Geschichte des Christentums
Die 2000-jährige historische Entwicklung des
Christentums von einer winzigen palästinensischen
Sekte von Christen-Juden bis hin zur seiner
gegenwärtigen Stellung als mit geschätzten 2,3
Milliarden Anhängern größten Weltreligion war und
ist von Blütezeiten und Krisen, von Spaltungen und
Unionsbestrebungen, von Stagnation und
Wiederbelebungen geprägt.
In Palästina begann die Geschichte des Christentums
mit seinen zentralen Glaubensaussagen von der
Dreieinigkeit des einen Gottes, der
Gottessohneigenschaft von Jesus, von der großen
Bedeutung von Nächsten- und Gottesliebe als
Richtschnur für das irdische Leben, von der Existenz
des Gottesreichs, von der durch den Kreuzestod Jesu
bewirkten Vergebung der Erbsünde sowie vom ewigen
Leben nach dem Tod.
In der damaligen römischen Provinz Judäa mit
Jerusalem als Zentrum feierten nach dem Tod von
Jesus in Jerusalem etwa im Jahr 35 seine
ursprünglich jüdischen Jünger das erste Pfingstfest
und begründeten damit die urchristliche Gemeinde.
Die ständig Zulauf erhaltenen Urchristen grenzten
sich zunehmend von der jüdischen Gemeinschaft ab.
Gleichzeitig expandierte die neue Religion über den
jüdischen Kulturraum hinaus und zahlreiche
Heidenchristen-Gemeinden entstanden im
Mittelmeerraum. Im 1. Jahrhundert verbreitete sich
das Christentum nicht zuletzt durch den
missionarischen Eifer des Apostels Paulus von Tarsus
und anderer hellenistisch gebildeter Christen
zunächst im heutigen Syrien (Antiochia) und in
Griechenland, in den Magreb-Ländern und schließlich
auch in der Reichshauptstadt Rom. In dieser Zeit
entstand durch die Verschriftlichung und Sammlung
der Evangelien und Apostelbriefe das Neue Testament,
das zusammen mit dem Alten Testament die Basis des
Christentums als Bibelreligion bildet.
Von Anfang ihres Bestehens an hatten die Christen
unter lokalen Verfolgungen zu leiden. Der Apostel
Petrus, der 67 in Rom den Märtyrertod starb, wurde
als Bischof von Rom postum Begründer des Papsttums.
Die Nachfolger von Petrus im Bischofsamt
beanspruchten die aus der Bibel abgeleitete
Leitungsfunktion der Gesamtkirche für sich. Im 3.
und 4. Jahrhundert versuchten die römischen Kaiser
durch das ganze Reich abdeckende, massive
Verfolgungen das mutmaßlich staatssystembedrohende
Christentum auszulöschen. Erfolglos. 380 wurde das
Christentum römische Staatsreligion und überdauerte
in den Folgejahrhunderten die Germanenstürme sowie
die Islamisierung Nordafrikas und der iberischen
Halbinsel.
1054 teilte sich die Gesamtkirchengemeinschaft im
„Großen Morgenländischen Schisma“ in die Westkirche
(römisch-katholisch) und die Ostkirche
(griechisch-orthodox), die auch Russland und den
Balkan christianisiert hatte. Daneben existierten
zahlreiche weitere autonome Teilkirchen wie die
Assyrische, Koptische oder die Armenische Kirche. In
dieser Zeit gewann die durch Konflikte des
Hochklerus geschwächte Kirche im bis etwa 850
endgültig christianisierten Nord- und Westeuropa
neuen Aufschwung durch klösterliche
Erweckungsbewegungen, die – zum Teil politisch
gesteuert – auch zu Judenverfolgungen und zu den
Kreuzzügen führten.
Die Niederlage der Kreuzzügler im Heiligen Land um
1300 und die endgültige Zerschlagung des
christlich-orthodoxen Byzantinischen Reiches nach
der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die
muslimischen Osmanen bewirkte eine vorübergehende
Krise für das Christentum, die die Kirche aber im
Zuge der Zurückdrängung des
Islam auf dem Balkan und
der beginnenden Kolonialzeit gestärkt überwinden
konnte.
Die christlichen Geistlichen waren im Mittelalter in
Europa nicht nur spirituelle und moralische
Instanzen, sondern als nahezu einzige Menschen, die
in diesen Zeiten lesen und schreiben konnten, auch
Träger der Kultur und der Rechtswissenschaft sowie
einflussreiche Fürstenberater. Die Päpste nutzten
diese Stellung der Kirche, um in Konkurrenz zu
weltlichen Gewalten eigene politische
Machtpositionen mit universellen und territorialen
Ansprüchen (Kirchenstaats-Bildung) auszubauen. Dabei
gerieten sie aber zeitweilig selbst unter den
Einfluss von weltlichen Herrschern. Als Folge
durchschritt die römisch-katholische Kirche 1378 bis
1417 sogar eine vom Konflikt zwischen Päpsten und
Gegenpäpsten geprägte Phase („Großes abendländisches
Schisma“).
Ihre Macht versuchte die Kirche nicht nur mit
theologischer Überzeugungsarbeit, sondern in der
frühen Neuzeit zunehmend mit brutaler Gewalt
(Inquisition, Hexenverfolgungen) durchzusetzen.
Gegen die Simonie der Päpste und andere
amtskirchliche Degenerationserscheinungen richtete
sich im 16. Jahrhundert die maßgeblich von Martin
Luther und Johanns Calvin geführte
Reformations-Bewegung, die zur Ausbildung der
evangelischen Kirchen führten. Insbesondere nördlich
der Alpen hat sich der Protestantismus fest
etablieren können. In Deutschland kam es im Zuge von
Gegenreformation und Dreißigjährigem Krieg
(1618–1648) zu einer konfessionellen, bis heute
fortdauernden Aufspaltung des Landes. Von dem
anglikanischen Großbritannien und dem
calvinistischen
Niederlanden aus wurde der
Protestantismus nach Nordamerika exportiert, wo er
in Form einer Vielzahl von Freikirchen die
kirchliche Szene wesentlich bestimmte und bestimmt.
Im Zuge der Aufklärungszeit und der bürgerlichen
Revolutionen im 18. und 19. Jahrhundert verloren die
Kirchen in Europa erheblich an politischer und
kultureller Deutungshoheit, ohne
dass sie dadurch
gänzlich auf den theologischen Bereich beschränkt
worden wären. Insbesondere in Ländern ohne
demokratische Tradition und ohne soziale Sicherheit
spielten und spielen christliche Kirchen als der
Bevölkerung oftmals als einzig verlässlich und
moralisch erscheinende Institutionen als
Anlaufstellen eine bedeutende Rolle. Das galt für
die Kirchen im Ostblock und gilt heute vor allem für
die Dritte Welt, wo mittlerweile mehr als die Hälfte
der Christen zuhause ist. Gerade in Afrika und
Lateinamerika haben christliche Gemeinschafen als
Hoffnungsträger für unter sozialen und politischen
Missständen leidende Menschen erheblichen Zulauf.
Allerdings profitieren davon nicht nur die
etablierten katholischen und evangelischen
Amtskirchen, sondern vermehrt evangelikale und
charismatische Gruppen, deren oft sektiererische
Intoleranz große Gefahren für das soziale
Miteinander bergen können.
Für die innere Geschichte des Christentums hat seit
dem 19. Jahrhundert die ökumenische Bewegung ständig
an Bedeutung gewonnen. Dabei wird die globale
Einigung oder doch zumindest die Zusammenarbeit der
vielen christlichen Kirchen angestrebt. Wegweisend
bei der Weiterentwicklung der Ökumene war das von
Papst Johannes XXIII. eingesetzte und von Papst Paul
VI. fortgeführte Zweite Vatikanische Konzil (1962
-1965), auf dem die römisch-katholische Kirche auch
Anpassungen dogmatischer Glaubenssätze an die
aktuellen Zeitentwicklungen für möglich erklärt
hatte. Anpassungen, die auch im Vorfeld der
Papstwahl 2013 als dringend notwendig von vielen
Gläubigen angemahnt wurden.
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