Das Münchner Oktoberfest
Seit mehr als
200
Jahren feiert
München - inzwischen mit Gästen aus sehr
vielen Ländern – das größte
Volksfest der Welt. Die
urige Gemütlichkeit, die Traditionspflege, die
Gastfreundschaft, die typisch-bayerische
Trachtenkleidung der Menschen und die unnachahmliche
Rummelplatz- und Bierzeltatmosphäre geben dem Brauchtum
einen Charme, der dieses berühmteste aller Volksfeste zu
etwas Außergewöhnlichem macht.
Mit jedem Jahr werden die Fahrgeschäfte raffinierter,
die Zelte voller und die Besucherzahlen steigen – der
Bierpreis auch.
Die Anfänge des Oktoberfestes
Nicht vergleichbar mit dem heutigen Ausmaß und doch
attraktiv und aufwändig; so spielte sich der Vorläufer
des Oktoberfestes Anfang des
19. Jahrhunderts
ab. Der Grund für dieses Fest war das königliche
Ja-Wort, das sich der bayerische Kronprinz Ludwig, der
spätere König Ludwig I., und seine Braut, die Prinzessin
Therese Charlotte Luise von Sachsen-Hildburghausen
gaben. Die Hochzeitsfeierlichkeiten waren eine
inszenierte Hommage an das Geschlecht derer von
Wittelsbach. Sie begannen am 12. und endeten am
17. Oktober 1810.
Der Kavallerie-Major der königlich-bayerischen
Nationalgarde, Andreas Michael Dall’ Armi, der zugleich
ein renommierter Kaufmann und Bankier war, hatte es sich
nicht nehmen lassen, eigens für dieses Fest ein
aufwändiges Pferderennen zu veranstalten. Es fand dort
statt, wo das Oktoberfest noch heute stattfindet – auf
der Theresienwiese. Den Namen hatte die Wiese zu Ehren
der Prinzessin Therese bekommen, er bürgerte sich
schnell ein und noch heute wird das Oktoberfest auch
liebevoll Wiesn genannt. Die Festwiese und das Fest
selbst haben denselben Namen. Noch heute.
Im Jahre 1810 lag der Austragungsort des Pferderennens
noch vor den Toren der Stadt. Die Münchner strömten zu
Hauf herbei und hatten großen Gefallen an dieser
königlichen Veranstaltung. So eine Belustigung gab es
schließlich nicht alle Tage. Das Spektakel hatte so
begeisterten Zuspruch gefunden, dass man bei Hofe
übereinkam, ein solches Fest im Jahr darauf zu
wiederholen und zwar am selben Ort. Und wieder war es
eine wunderbare Abwechslung für die Münchner, so dass
auch
1812
wieder ein Oktoberfest auf der Wiesn stattfand.
Das Oktoberfest im 19. Jahrhundert
Das Fest hatte sich bereits nach den ersten beiden
Wiederholungen zu einer Tradition entwickelt. Anfangs
ging es sehr sportlich zu. Schaukeln und Kletterbäume
waren aufgebaut worden, es wurde gekegelt und die
Stimmung auf dem herbstlichen Vergnügen war ausgelassen.
Das
Bier kostete damals etwas mehr als 3 Kreuzer (1
Kreuzer entsprach 4 Pfennigen.).
Doch schon
1813
wurde die Tradition unterbrochen. Es herrschte Krieg.
Bayern
war nach dem unsäglichen Russland-Feldzug aus dem
Bündnis mit
Napoleon ausgetreten, hatte den Vertrag von Ried
geschlossen
und kämpfte nun auf der Seite derer, die die
napoleonischen Eindringlinge zurückdrängten. Die
Völkerschlacht bei Leipzig war zu einem Sieg über
Napoleon geworden und Bayern gehörte der
antifranzösischen Koalition an. Das war keine Zeit, um
ausgelassene Feste zu feiern, deshalb fiel das
Oktoberfest 1813 aus.
Im Jahr darauf,
1814,
sah es schon anders aus. Grund zum Feiern gab es wieder,
denn Bayern gehörte zu den Siegermächten, die sich
erfolgreich gegen Bonaparte zur Wehr gesetzt hatten.
Durch den Wiener Kongress hatte Bayern an Souveränität
und territorialem Besitz gewonnen.
Mit jedem Jahr vergrößerte sich auch das Oktoberfest. Zu
den sportlichen Vergnügungen kamen Stände, an denen Lose
verkauft wurden, deren Gewinne vor allem für die
einfachen Menschen interessant waren. Es gab
Schmuck,
Silberwaren, Geschirr und Zierporzellan zu gewinnen. Und
1818 wurde
erstmals ein Karussell aufgebaut.
Das Fest, dessen Ausmaß sich kontinuierlich erweiterte,
wurde ab
1819
in die Hände der Stadtoberhäupter Münchens gelegt, die
sich von da an um die jährliche Planung und Organisation
kümmerten. Speisen und Getränke wurden an kleinen
Holzbuden verkauft und die Münchner machten
regen
Gebrauch davon, weil ein Bier nun einmal zur echten
Gemütlichkeit gehört. Sie mussten auch damals schon
erste Preiserhöhungen in Kauf nehmen. Eine davon war
sogar von König Maximilian I. verordnet wurden, der für
die Jahre
1823
und
1824
eine Biersteuer erhob, damit das Münchner Operhaus
wieder aufgebaut werden konnte, das bei einem Brand
zerstört worden war. Diese Biersteuer machte immerhin
25% aus. Die Münchner ertrugen den neuen Bierpreis und
löschten ihren Durst, so wie beim Opernbrand ja auch
wegen Wassermangels das Hofbräubier zum Löschen
hergehalten hatte.
1825 starb
der König und sein Sohn wurde als König Ludwig I.
inthronisiert. Das Oktoberfest, das einst mit Ludwigs
Hochzeitsfeier entstanden war, zog nach wie vor jährlich
Tausende Münchner an. Beim Fest des Jahres
1848 war
Ludwig I. allerdings schon nicht mehr König. Er musste
abdanken. Die Affäre mit der Tänzerin Lola Montez hatte
sich zu einem Skandal ausgeweitet, so dass er den Thron
an seinen Sohn abtrat, der als Maximilian II. Joseph in
die bayerische Geschichte einging – als Vater des
Märchenkönigs, Ludwig II.
Dass das Oktoberfest untrennbar zur bayerischen
Landeshauptstadt München gehörte, wurde 1850 mit der
Errichtung der Bavaria-Statue einmal mehr manifestiert.
Ludwig I. hatte sie, ebenso wie die Ruhmeshalle dazu,
noch während seiner Regierungszeit in Auftrag gegeben.
Mit einer Höhe von 20
Metern beobachtet die
Schutzpatronin noch heute die Geschehnisse auf der
Theresienwiese und beschirmt das bunte Treiben. Drei
Jahre später, im Jahr
1853, konnte auch die Ruhmeshalle zu Füßen
der ganz aus Bronze gegossenen Statue eröffnet werden.
Ein gewaltiges Ensemble war entstanden und als man die
Bavaria-Statue enthüllte, waren die Münchner schwer
beeindruckt von so einer kunstfertigen und zugleich
technischen Meisterleistung. Das stimmte sie im
Nachhinein sehr versöhnlich mit ihrem ehemaligen König,
waren sie doch lange Zeit empört gewesen über dessen
außereheliche Ambitionen, mit denen er das Ansehen des
Königshauses verunglimpft hatte. Vor dem Antlitz der
grandiosen Statue konnten die Münchner ihm nun nicht
mehr böse sein. Als großartigen Bauherrn haben sie ihren
Ludwig I. auch heute noch in Erinnerung.
War Bayern 1836 noch weitgehend von der Cholera
verschont geblieben und hatte nur mit vereinzelten
Krankheitsfällen zu kämpfen, so war der Ausbruch der
Pandemie von
1854
verheerend. In München erlagen ungefähr 3000 Menschen
der Seuche. Das Oktoberfest fiel aus. Auch
1866 fand es
wegen des Preußisch-Österreichischen Krieges nicht
statt,
1870
war der Deutsch-Französische Krieg der Grund für den
Ausfall des Volksfestes und 1873 verhinderte es noch
einmal die Cholera.
Doch diese Ausfälle hatten die Erweiterungen des Festes
nicht aufgehalten. Immer mehr Unterhaltung, Losbuden,
Karussells und hölzerne Bierbuden – später waren es
schon große Bierhallen – wurden von Schaustellern und
Wirten betrieben und sorgten für Feststimmung. Immerhin
war der Bierverkauf offiziell seit
1880 von der
Münchner Stadtverwaltung erlaubt worden. Ein Jahr später
etablierte sich die erste Hendlbraterei, in Hochdeutsch:
die erste Hühnerbraterei.
Dass es inzwischen schon fast 400 Verkaufsbuden waren,
die ihre Leckereien anboten und Zelte mit Bestuhlung
aufgebaut wurden, war nicht verwunderlich, denn es waren
seit dem Bestehen des traditionsreichen Festes fast 100
Jahre vergangen und inzwischen war es nicht mehr nur ein
Fest, das die Münchner Bevölkerung feierte. Es kamen
zunehmend Gäste von auswärts, um an dem Vergnügen
teilzuhaben. Es gab bereits elektrisches Licht, das das
Spektakel abends erhellte und dem Gelände ein besonderes
Flair gab. Als junger Gymnasiast hatte sich beim Aufbau
der Beleuchtung auch
Albert
Einstein ein kleines Taschengeld verdient, denn
sein Onkel, der eine elektrotechnische Firma betrieb,
konnte jede helfende Hand gebrauchen. Es mussten
Hunderte Glühbirnen eingeschraubt werden und das tat
Albert Einstein unermüdlich.
Aus den Zelten drang auch
Musik. Kapellen spielten auf, die Menschen
sangen miteinander und vergaßen für kurze Zeit ihren
schweren Alltag.
Zu den Hendlbratereien war
1881 eine
Ochsenbraterei hinzugekommen. Die Idee, einen ganzen
Ochsen vor Publikum auf einer eigens dafür konstruierten
Drehvorrichtung zu braten, hatte der Metzger Johann
Rössler gehabt, der als der Gründer dieser grandiosen
Belustigung gilt. Noch heute ist das Ochsenbraten eine
absolute Attraktion auf dem Oktoberfest.
Man war auch übereingekommen, das Volksfest einige Tage
zu verlängern und es außerdem in die wettermäßig
schönere Zeit, nämlich in die Endtage des Septembers zu
verlegen. Wenn der Oktober begann, war die Wiesn fast zu
Ende. Das ist bis in die Gegenwart beibehalten worden.
Das 20. Jahrhundert
Die Wiesn ging auf ein großes Jubiläum zu, sie wurde
1910 zum
100. Mal veranstaltet. Zu dem Zeitpunkt hatte sie
bereits annähernd so ein Ausmaß wie man sie auch heute
kennt. Das Bräurosl-Zelt war damals das größte Bierzelt,
in dem sich 12.000 Münchner mit ihren Gästen vergnügten.
Den Namen hatte es nach Pschorrs Brauerei-Tochter Rosi,
der man nicht nur Schönheit, sondern auch den berühmten
Abendritt nachsagte, bei dem sie hoch zu Pferde eine Maß
Bier getrunken haben soll. Die einstige „Pschorr’sche
Almhütte“ wurde deshalb in „Bräurosl“ umgetauft und
lockte vor allem männliche Besucher an. Der Name ist
geblieben, die Rosi wacht heute auf einem Gemälde über
dem Zelteingang über die Besucher und ausgeschenkt wird
auch heute noch Pschorr, bzw. Hacker-Pschorr nach dem
die Familien sich durch Heirat zusammengetan hatten.
Zum einhundertsten Wiesn-Jubiläum flossen damals
stattliche 12.000 Hektoliter Bier. Wie viel davon allein
im Zelt der Familie Schottenhamel getrunken wurden, ist
nicht bekannt. Bekannt aber ist, dass das Bierzelt der
Schottenhamels das erste war, das schon 1886 aus
Leinwand bestanden hatte. Und
1908 wurde
daraus eine Bierburg, die von Münchens berühmtestem
Architekten jener Zeit, Gabriel von Seidl, entworfen
wurde. Diese Bierburg, die wie alle anderen
Ausschank-Stätten jährlich neu aufgebaut werden musste,
war als erstes Festzelt vollständig mit elektrischem
Licht ausgestattet. Licht hatte es zwar schon im
Jahrhundert davor gegeben, aber in dem Ausmaß wie es für
ein Festzelt nötig war, war es eine Neuerung. Bald waren
auch die anderen Zelte derart beleuchtet. Auch aus denen
wurden immer attraktivere Behausungen für die Gäste, an
denen sich die Münchner Architekten gern beteiligten.
Gabriel von Seidl hatte zehn Jahre nach dem
Schottenhamel-Bau auch den Bau für das Löwenbräu-Gebäude
auf der Wiesn entworfen. Er war aber nur einer von
ihnen.
Während des
Ersten
Weltkrieges gab es kein Oktoberfest. Niemandem
war in dieser Zeit zum Feiern zumute. Auch
1919 und
1920 gab es
nur kleinere Herbstfeste auf der Theresienwiese, die
aber längst nicht an die Feststimmung der bisherigen
anschließen konnten.
1923 und
1924 fiel das Oktoberfest der Inflation zum
Opfer. Ein Bier hätte mit mehreren Hundert Milliarden
Mark bezahlt werden müssen. Nach der Währungsreform 1924
und der Umstellung auf die Reichsmark konnte das
Oktoberfest wieder im alten Glanz erstrahlen. Das Bier
kostete 1 RM.
Wieder war es ein Krieg, der in den Jahren
1939 bis
1945 keine
Wiesn möglich machte. Auch nach dem Ende des
Zweiten
Weltkrieges fanden nur zögerlich wieder
Oktoberfeste statt. Ein Ersatz-Herbstfest gab es
1946 und
zwei Herbstfeste bescheidenen Ausmaßes fanden
1947 und
1948 statt.
Dann aber, als der friedliche Aufbau voranschritt,
allmählich ein Wirtschaftswunder in Aussicht stand, war
auch die Wiesn wieder die Herbst-Attraktion, zu der
Menschenmassen aus München und Umgebung, inzwischen
sogar aus dem Ausland strömten. Mit jedem Jahr stieg die
Zahl der Besucher und das Oktoberfest war erneut zu
einer Münchner Sensation aufgestiegen wie Phönix aus der
Asche des Krieges, der sich zwei Wochen im Herbst nun
von seiner schillernden Seite zeigen konnte.
Und was wäre die Wiesn ohne ihre Fahrgeschäfte? Davon
gibt es heutzutage zahlreiche, die supermodern und
spektakulär sind und einige, die historisch liebenswert
immer noch ihre Dienste tun. Sie behaupten sich
harmonisch nebeneinander und verleihen dem Fest seinen
typischen Rummelplatz-Charakter.
Einen fürchterlichen Eindruck in all dem friedlichen
Treiben hinterließ allerdings am
26.
September 1980 das Bombenattentat, das kurz vor
Ausschankschluss von einem rechtsextremistischen
Studenten am Haupteingang verübt wurde. Der
Splitterbombe riss 13 Menschen in den Tod, es waren
Kinder und Jugendliche darunter. Mehr als 200 Menschen
erlitten schwere Verletzungen. So etwas hatte es in
dieser Größenordnung seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges nicht mehr gegeben. Das Entsetzen war
maßlos. Am nächsten Tag blieb die Wiesn geschlossen. Sie
wurde jedoch nicht gänzlich abgesagt. Hier siegten
wirtschaftliche Belange über die Pietät, was
München
und außerhalb noch sehr lange für Kritik sorgte. Auch
die Anschläge am
11.
September 2001, die eine weltweite Erschütterung
nach sich zogen, führten zu keiner Absage der Wiesn.
Wenn jährlich der Trachtenumzug durch die Münchner
Innenstadt zieht, dessen Teilnahme schon Jahre vorher
von den einzelnen bayerischen Gemeinden angestrebt wird,
wenn mit dem Einzug der Festwirte und dem
obligatorischen Fass-Anstich des amtierenden
Oberbürgermeisters im Schottenhamel-Zelt die Wiesn ihren
Lauf nimmt, dann ist München vierzehn Tage lang außer
Rand und Band. Alles ist Wiesn und die Fröhlichkeit, die
Bierlaune und der unglaubliche Durst, der scheinbar
nicht zu stillen ist, bestimmen diese Zeit.
Das größte Volksfest der Welt, das vielerorts in manchen
Ländern als kleine Kopie nachgeahmt wird, ist für die
Münchner eine fünfte Jahreszeit, die sehnsüchtig
erwartet wird und zwar bereits, wenn die letzte Maß
getrunken ist. Dann laufen schon bald die Vorbereitungen
für das nächste Jahr an, denn eines ist sicher – nach
der Wiesn ist immer auch vor der Wiesn. Und das
inzwischen seit mehr als 200 Jahren.
Weitere Infos
Oktoberfest 2012 München