Chronik 1870 - Deutsch-Französischer Krieg,
Rockefellers Öl, Charles Dickens
Im Sommer des neuen Jahrzehnts löste ein
regierungspolitisches Telegramm, das als „Emser
Depesche“ in die Geschichte einging, den
Deutsch-Französischen Krieg aus. In dem Telegramm
hatte der Theologe und Geheime Legationsrat Heinrich
Abeken (1809-1872) den preußischen
Ministerpräsidenten Otto von Bismarck (1815-1898),
dessen rechte Hand er war, in Berlin über die
Vorgänge im Kurort Bad Ems. Dort hatte der
französische Botschafter Vincent Benedetti
(1817-1900) weit reichende Forderungen an den
Preußenkönig Wilhelm I. (1797-1888) gestellt. Die
betrafen in erster Linie den Verzicht der
Hohenzollern auf die spanische Thronfolge. Bismarck
nutzte die Depesche und veröffentlichte noch am
selben Abend eine Pressemitteilung. Einen Tag
später, es war der französische Nationalfeiertag,
erschienen in Frankreich die Übersetzungen. Bismarck
hatte erwartet, dass die französische Öffentlichkeit
mit nationaler Empörung reagieren würde. Und so war
es auch. In der Folge erklärte das Kaiserreich
Frankreich dem Königreich Preußen den Krieg, der
dann als der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71
in die Geschichte einging. Mit der Kriegserklärung
vom 19. Juli begann der Krieg und die erste Schlacht
wurde bei Wissembourg im Nord-Elsass ausgetragen.
Nachdem die Franzosen im September in der Schlacht
von Noisseville unterlagen, begannen die Deutschen
mit dem Kampf um Bazeilles. Mit dieser wichtigen
Schlacht begann gleichsam die „Schlacht von Sedan“,
bei der Franzosen schon am nächsten Tag
kapitulierten, aber bis zur letzten Patrone gekämpft
hatten. Mit der Gefangennahme des französischen
Kaisers Napoleon III. (1808-1873) am 2. September
1870 war die Schlacht mit dem deutschen Sieg eine
Vorentscheidung für den Ausgang des
Deutsch-Französischen Krieges. Später wurde dieser
Tag bis 1919 als „Sedantag“ ein patriotischer
Feiertag, der einen noch nicht vorhandenen
Nationalfeiertag ersetzte. Zwar der Krieg schon
vorab so gut wie entschieden, aber er wurde noch
weiter geführt. Die Internierung des
Franzosen-Königs war noch nicht das endgültige Ende.
Im November trat das
Königreich Bayern dem
„Versailler Vertrag“ gemäß dem Norddeutschen Bund
zur Gründung des Kaiserreichs bei. In den
sogenannten Novemberverträgen schloss sich auch das
Königreich Württemberg der Kaiserreich-Gründung an.
Der Bayernkönig Ludwig II. (18545-1886) schickte im
selben Monat den „Kaiserbrief“ an Otto von Bismarck,
den dieser für Bayerns König formuliert hatte und in
dem der Preußen-König Wilhelm I. als deutscher
Kaiser vorgeschlagen wurde.
In den USA hatte 1863
ein Mann mit einem Partner zusammen eine kleine
Erdölraffinerie in Cleveland gegründet. Es war ein
erfolgreiches Unternehmen und der Mitbegründer
reorganisierte es, nannte es Standard Oil Company
und sein Name ist heute noch ein Synonym für
gewaltigen Reichtum – John Davison Rockefeller Sr.
(1839-1937). Dieses Unternehmen vergrößerte
Rockefeller kontinuierlich und machte es für lange
Zeit zum größten Erdölraffinerie-Unternehmen der
Welt. Es war die Quelle eines legendären Vermögens
der Rockefeller-Dynastie. In Englang hatte einer der
bekanntesten Schriftsteller Großbritanniens –
Charles Dickens (1812-1870) – ebenfalls ein
beträchtliches Vermögen und zahlreiche Immobilien
angehäuft. Seine Werke gehören zu bekanntesten der
Weltliteratur. Romane wie „Oliver Twist“, „David
Copperfield“ sowie „Eine Weihnachtsgeschichte“
gehören noch heute zur Allgemeinbildung, wurden
mehrfach verfilmt und zeigen ein sozial umfassendes
Bild der Zeit des 19. Jahrhunderts. Dickens war
nicht nur ein ausgezeichneter Literat und Beobachter
menschlichen Verhaltens, er war auch äußerst
geschäftstüchtig. Am 9. Juni 1870 starb er auf
seinem Landsitz. Fünf Tage später wurde er in der
Westminster Abbey zur letzten Ruhe gebettet. Das
geschah gegen seinen ausdrücklichen Wunsch, denn
Dickens hatte sich ein einfaches Begräbnis
gewünscht.
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Ereignisse & Schlagzeilen
1870
4. Januar
Der frühere argentinische Präsident Bartolomé Mitre gründet mit
mehreren die Tageszeitung La Nación in Buenos Aires.
6. Januar
Das erste Konzert im Gebäude des Wiener Musikvereins findet statt.
10. Januar
John D. Rockefeller reorganisiert
als Mitinhaber eine Raffineriefirma und nennt das
Unternehmen Standard Oil Company.
22. Januar
Die Gründungsversammlung der Deutsche Bank AG als Aktiengesellschaft
findet in Berlin statt
28. Januar
Nach dem Ablegen in Halifax verschwindet der britische
Passagierdampfer City of Boston der Inman Line mit 191 Menschen an Bord spurlos
auf dem Nordatlantik.
Im Februar
Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch wird veröffentlicht
26. Februar
Die Commerzbank AG wird in Hamburg gegründet.
26. Februar
In einer Vorlesung in London definiert der Religionswissenschaftler
Friedrich Max Müller aus europäischer Sicht acht Glaubensgemeinschaften als
Buchreligionen.
Im März
Erste Fahrversuche mit einem primitiven benzinbetriebenen Fahrzeug
durch Siegfried Marcus
1. MärzMit dem Tod des paraguayischen Diktators Francisco Solano López, der
sich von alliierten Soldaten nicht gefangen nehmen lassen will, enden die
Kampfhandlungen im lateinamerikanischen Tripel-Allianz-Krieg.
12. März
Antoine d’Orléans, duc de Montpensier, der sich Hoffnungen auf den
spanischen Thron macht, tötet in einem Duell den Infanten Heinrich von Bourbon,
den Bruder von Spaniens Titularkönig Franz.
19. März
Der Afrikaforscher Georg Schweinfurth entdeckt den Uele, der später
als Ubangi ein großer Nebenfluss des Kongo wird.
30. März
Der 15. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten wird
verabschiedet, der ehemaligen Sklaven das Stimmrecht gewährt.
9. April
In Berlin eröffnet die Deutsche Bank AG ihren Betrieb.
12. April
Die Städte London und Kalkutta werden durch ein Telegrafenkabel
miteinander verbunden.
Im Mai
Beginn der Ausgrabungen von Troja durch Heinrich Schliemann.
7. Juni
Ein Erdbeben im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca kostet 110
Menschenleben.
7. Juni
Der englische Schriftsteller
Charles Dickens stirbt
25. Juni
Die nach Frankreich geflohene spanische Königin Isabella verzichtet zu
Gunsten ihres Sohnes Alfons XII. auf den Thron.
25. Juni
Der erste Verkaufstag der „Korrespondenzkarten“ bringt in Berlin einen
Absatz von 45.000 Stück dieser neuen Postkarten.
4. Juli
Im beginnenden Wiener Hochverratsprozess stehen vierzehn
Verantwortliche vor Gericht, die eine von etwa 20.000 Menschen besuchte
Kundgebung für politische und gewerkschaftliche Rechte der Arbeiterschaft
organisiert haben.
13. Juli
Die sogenannte „Emser Depesche“ veranlasst Frankreich, Preußen (und
somit dem Schutz- und Trutzbündnis) den Krieg (Deutsch-Französischer Krieg) zu
erklären.
15. Juli
Manitoba wird kanadische Provinz.
15. Juli
Georgia wird als letzter der ehemaligen Konföderierten Staaten von
Amerika wieder in die Union aufgenommen.
18. Juli
Das I. Vatikanische Konzil verkündet das Dogma von der
Unfehlbarkeit
des Papstes.
19. Juli
Mit der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen beginnt der
Deutsch-Französische Krieg.
Im August
Braumeister Eberhard Anheuser aus Bad Kreuznach und sein
Schwiegersohn Adolphus Busch aus Mainz-Kastel gründen das Unternehmen
Anheuser-Busch in St. Louis.
4. August
1. Schlacht im Deutsch-Französischen Krieg bei Wissembourg/Weissenburg,
Nord-Elsass
6. August
In der Schlacht bei Wörth im Deutsch-Französischen Krieg besiegt
Preußen Frankreich. Bei der Schlacht gibt es über 20.000 Tote und Verwundete auf
beiden Seiten. In der Schlacht bei Spichern setzen sich am selben Tag preußische
Einheiten unter schweren Verlusten gegen französische Verteidiger durch, die
sich am Abend zurückziehen.
16. August
In der Schlacht von Mars-la-Tour zwingen im Deutsch-Französischen
Krieg zwei preußische Korps die französische Rheinarmee zum Rückzug in die
Festung Metz.
18. August
Sturm auf St. Privat (Metz, Frankreich) der französischen Hauptarmee
20. August
Im Deutsch-Französischen Krieg wird die von Marschall Bazaine
zurückgezogene Rheinarmee von den Preußen und ihren Verbündeten in der Stadt
Metz eingeschlossen, die Belagerung beginnt. Sie wird sich bis zum 27. Oktober
hinziehen.
30. August
Schlacht bei Beaumont
1. September
Im Deutsch-Französischen Krieg unterliegen die Franzosen in der
Schlacht von Noiseville. Die Deutschen beginnen erfolgreich die Schlacht von
Sedan.
2. September
Nach der Niederlage bei Sedan im Deutsch-Französischen Krieg
kapituliert die französische Armee; Treffen Otto von Bismarcks mit Napoleon III.
in Donchery.
3. September
Napoléon III. wird im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel interniert.
4. September
Proklamation der 3. Republik in Paris.
18. September
Bei der Washburn-Langford-Doane-Expedition in das Gebiet des
heutigen Yellowstone-Nationalparks in den Vereinigten Staaten sehen die ersten
Weißen einen hier regelmäßig ausbrechenden Geysir. Von Henry Dana Washburn
erhält er den Namen Old Faithful.
19. September
Die Belagerung von Paris beginnt.
20. September
Italienische Truppen besetzen Rom, die Hauptstadt des
Kirchenstaates. Papst Pius IX. betrachtet sich im Vatikan als „Gefangener“.
23. September
Im Deutsch-Französischen Krieg geht die Belagerung von Toul zu
Ende. Nach einer etwa achtstündigen Kanonade kapitulieren die französischen
Soldaten in der von ihnen bis dahin gehaltenen Festung.
28. September
Im Deutsch-Französischen Krieg kapituliert die
Stadt Straßburg
nach mehrwöchigem heftigen Beschuss durch die deutschen Truppen.
2. Oktober
Die Bewohner des Kirchenstaates haben der Vereinigung mit dem
Königreich Italien zugestimmt; Unabhängigkeit Italiens; Rom wird an Stelle von
Florenz Hauptstadt.
6. Oktober
Ein königliches Dekret von Viktor Emanuel II. proklamiert die
Vereinigung des Kirchenstaats mit Italien. Das Risorgimento endet mit diesem
Zusammenschluss, doch die Römische Frage schwelt weiter.
7. Oktober
In der Schlacht bei Bellevue scheitert ein Ausbruchsversuch der bei
Metz eingeschlossenen französischen Rheinarmee des Marschalls François-Achille
Bazaine an den preußischen Streitkräften im Deutsch-Französischen Krieg.
7. Oktober
Innenminister Léon Gambetta verlässt das belagerte Paris in einem
Ballon, um seinen Plan zur Befreiung der französischen Hauptstadt umzusetzen,
der indessen scheitern sollte.
10. Oktober
Im Gefecht bei Artenay setzt sich im Deutsch-Französischen Krieg
ein Armeekorps der bayerischen Truppen unter General Ludwig von der
Tann-Rathsamhausen durch.
18. Oktober
In der Schlacht bei Châteaudun setzen sich im Deutsch-Französischen
Krieg die Deutschen im Häuserkampf durch und besiegen Truppenteile der
französischen Loirearmee.
19. Oktober
Der britische Passagierdampfer Cambria prallt im Sturm vor der
irischen Küste auf das schroffe Felsenufer der Insel Inishtrahull und sinkt. Nur
einer der 180 Menschen an Bord überlebt.
26. Oktober
Ein Orkan über Nordbaden hebt das Bahnsteigdach des damaligen
Mannheimer Hauptbahnhofs, unterbricht sämtliche Telegrafenleitungen, versenkt
fünf Schiffe im Neckar und zerstört beinahe einen Omnibus. Weitere Schäden
entstehen in Baden-Baden, wo die Bahnsteighalle vollständig zertrümmert wird,
sowie in Karlsruhe, Pforzheim und Umgebung
27. Oktober
Im Deutsch-Französischen Krieg kapitulieren unter Marschall
François-Achille Bazaine Armee und Festung im belagerten Metz.
1. November
Papst Pius IX. protestiert in der Enzyklika Respicientes gegen die
Einnahme Roms durch italienische Truppen und verhängt über Urheber und
Teilnehmer die sofortige Exkommunikation.
3. November
Deutsche Truppen schließen die Stadt Belfort ein. Das ist der
Auftakt zur Belagerung von Belfort, der letzten kämpfenden Festung in
Ostfrankreich im Deutsch-Französischen Krieg.
23. November
Im Vertrag von Versailles tritt das Königreich Bayern zur Gründung
des Kaiserreichs dem Norddeutschen Bund bei, handelt aber Reservatrechte aus.
Die Novemberverträge gestatten ihm unter anderem eigenes Heer, eigenes Postwesen
und eigene Eisenbahnen.
25. November
Der Reservatrechtevertrag mit dem Königreich Württemberg schließt
den Reigen der Novemberverträge vor Gründung des Kaiserreichs ab.
27. November
Otto von Bismarck formuliert für Bayerns König Ludwig II. den
Kaiserbrief, welcher Preußens König Wilhelm I. als deutschen Kaiser vorschlägt;
am 30.11. schickt Ludwig den Kaiserbrief an Bismarck.
28. November
Im Deutsch-Französischen Krieg kommt es zu einer Schlacht nahe
Amiens, bei der sich preußische Truppen gegenüber abziehenden Franzosen
durchsetzen. Der Kampf um Beaune-la-Rolande der zahlenmäßig überlegenen
französischen Loirearmee geht am selben Tag durch die ihr am Abend nachsetzenden
Preußen verloren.
2. Dezember
In der Schlacht bei Loigny und Poupry ist im Deutsch-Französischen
Krieg eine preußisch-bayerische Armeegruppe gegenüber französischen Einheiten
erfolgreich. Der Kampf kostet insgesamt etwa 12.000 Soldaten das Leben.
3. Dezember
Der Kaiserbrief von König Ludwig II. von Bayern, in dem er König
Wilhelm I. von Preußen die Kaiserwürde des zu schaffenden Deutschen Reichs
anträgt, wird dem preußischen König von Prinz Luitpold überbracht.
10. Dezember
Im Deutsch-Französischen Krieg endet die seit zwei Tagen
andauernde Schlacht bei Beaugency. Wegen der Gefahr, eingeschlossen zu werden,
zieht sich die französische Loirearmee unter dem Befehl von General Antoine
Chanzy in Richtung Le Mans zurück.
23. Dezember
Im Deutsch-Französischen Krieg kommt es zur Schlacht an der
Hallue.
24. Dezember
In der Schlacht an der Hallue während des Deutsch-Französischen
Krieges kommt es zu einem preußischen Sieg. Die etwa doppelt so starken
französischen Truppeneinheiten ziehen sich nach den am Vortag begonnenen
verlustreichen Kämpfen mit den preußischen Angreifern zurück.
25. Dezember
Durchstich beim Bau des Mont-Cenis-Tunnels