Die Geschichte des Papsttums
Seit Jahrhunderten ist das Oberhaupt
derkatholischen Kirche eine Leitfigur
für die Gläubigen in aller Welt und
ein zentraler Glaubensvermittler. Als
Stellvertreter Gottes auf Erden steht
er in der Nachfolge des etwa um 67 (nach
Christus) verstorbenen Apostels Simon
Petrus. Nach der uns bekannten Zeitrechnung
kam dieser wahrscheinlich im Jahr 1
vor Christus zur Welt und wurde laut
den Aufzeichnungen des Alten Testaments
von Jesus von Nazaret selbst zu dessen
Nachfolger berufen. Er hatte zum Kreis
der Jünger Jesu gehört, hatte die erste
Gemeinde in Jerusalem gegründet und
starb den Märtyrertod. Ob er jemals
in
Rom gewesen war, ist nicht belegt.
Zunächst war der Begriff „Papst“ eine
allumfassende Ehrenbezeichnung, mit
der die Bischöfe Roms und andere hohe
Würdenträger im Abendland tituliert
wurden. Das betraf ebenso die
höchsten
Amtsinhaber der koptischen Kirche.
Erstmals wurde dem Bischof von Rom,
Siricius (etwa 334 bis 399), die Eigenbezeichnung
„Papst“ (Vater) zuteil. Seine Amtszeit
begann nach der Bestätigung durch Kaiser
Valentinian II. (371-392) am 25. Februar
385 und endete mit seinem Tod im Jahr
399. Würdenträger, die in den Jahrhunderten
davor mit diesem Titel agierten, sind
nur selten mit gesicherten Lebensdaten
verzeichnet, doch mit Bemühungen im
kirchlichen Sinne tat sich jeder von
ihnen hervor und zudem sahen sie sich
klar in einer Vormachtstellung.
Als Bischof von Rom und mit der Bezeichnung
„Pontifex Maximus“ (der höchste/bedeutendste
Brückenbauer) ging Leo I. mit einer
21-jährigen Amtszeit von 440 bis 461
in die Papstgeschichte ein. Seine Lebensdaten
sind, jedenfalls was sein Geburtsjahr
anbelangt, nur ungefähr auf das Jahr
400 überliefert. Er hinterließ zahlreiche
Schriften und Predigten, deren Themen
wesentliche Einblicke in die Kirchengeschichte
jener Zeit geben. Von ihm, der italienischer
Herkunft war, übernahmen bis ins zweite
Jahrtausend hinein alle nachfolgenden
Päpste den Titel „Patriarch des Abendlandes“.
Erst
Benedikt XVI. (*
1927),
der 2005 zum Papst gewählt worden war,
legte diese Bezeichnung (lat. Patriarcha
Occidentis) ab.
Ob Hippolyt von Rom 217 tatsächlich
zum Gegenpapst gewählt wurde, ist nicht
gesichert belegt. Deshalb kann der im
Jahr 498 neben Symmachus (Geburtsjahr
unbekannt, gest. 514, Amtszeit 498-514)
existierende Laurentius (gest. 506/507)
als erster Gegenpapst genannt werden,
der allerdings nur ein Jahr im Amt war.
Es war nicht ungewöhnlich, dass ein
zweiter gewählter Papst dem legitimen
Vertreter im Amt den Rang ablaufen wollte.
Die Gegenpäpste konnten zwar nie auf
eine lange Amtszeit zurückblicken, hatten
aber jeweils eine durchaus beachtliche
Anhängerschaft. Bis ins
Mittelalter
hinein mussten kanonisch gewählte
Päpste
gelegentlich mit Gegenpäpsten wetteifern,
wobei es auch zu blutigen Auseinandersetzungen
kam. Als den letzten Gegenpapst benennt
die
Geschichte Amadeus VIII. (1383-1451),
Graf von Savoyen, der sich Papst Felix
V. nannte und der von 1439 bis 1449
dieses Amt innehatte. Man hatte ihm
eine freiwillige Abdankung nahegelegt,
ihm den Rücktritt mit einigen Privilegien
schmackhaft gemacht und so räumte er
zwei Jahre vor seinem Tod das Feld.
Die Gegenpäpste entstanden fast immer
aus Streitigkeiten im Kardinalskollegium.
Es geschah auch, dass sich einflussreiche
römische Adelsfamilien oder der Kaiser
selbst berufen fühlten, in die Papstwahl
einzugreifen, um ihre eigenen Interessen
mit denen der kirchlich-päpstlichen
Macht zu verknüpfen. Ein derartiges
Eingreifen ist in der heutigen Zeit
nicht mehr möglich. Es gibt klare Regeln
für die Wahl eines neuen Kirchenoberhauptes.
Doch das war nicht immer so.
Die Normen für die Wahl eines neuen
Papstes wurden im 11. Jahrhundert erstmals
durch die Lateransynode festgelegt.
Vordem bestimmten die römische Kirche
und das Volk, allen voran die einflussreichen
Familien, wer das Amt bekleiden sollte.
Nachdem die Synode ein Papstwahldekret
beschlossen hatte, waren es zuerst die
Kardinalbischöfe, die darüber berieten.
Wenn dann die Kardinalpriester und –diakone
ihre Zustimmung gegeben hatten, wurde
letztendlich des Volkes Zustimmung eingeholt.
Weltlichen Herrschern blieb des Recht
vorbehalten, die Festlegung, die die
Kardinäle getroffen hatten, zu bestätigen.
Einen unmittelbaren Einfluss auf die
Wahl hatten sie nicht.
Im Jahr 1198 - Innozenz III. wurde Kirchenoberhaupt
– wurde die Wahl erstmals mittels Stimmzetteln
ausgetragen. Dieser neugewählte Papst
gilt in der Kirchengeschichte als eine
der bedeutendsten Persönlichkeiten des
mittelalterlichen Klerus. Er war von
1198 bis 1216 im Amt, sorgte für eine
juristische Strukturierung des Papsttums,
initiierte noch im ersten Jahr als Papst
den Vierten Kreuzzug, trieb die endgültige
Spaltung zwischen der katholischen und
der orthodoxen Kirche voran und vieles
mehr. Als er in Perugia starb, schändeten
die Menschen dieser Stadt den Leichnam.
Die Papstwähler, die den nächsten Oberhirten
bestimmen mussten, fürchteten sich vor
den Übergriffen der Menschen. Um in
Ruhe einen neuen Papst wählen zu können,
ließen sich die Kardinäle einschließen.
Die Abgeschiedenheit wird noch heute
praktiziert. Keine äußeren Einflüsse
sollen die Wählenden von ihrem Tun ablenken.
Im 12. Jahrhundert wurde der Begriff
„Konklave“ verwendet, der noch heute
für den geheimen Vorgang gebräuchlich
ist. Dieser Begriff steht nicht nur
für den abgeschlossenen Raum, sondern
auch für die auserwählte Gemeinschaft
der Kardinäle. Im Wesentlichen blieb
die Zeremonie, die seit Anbeginn der
neuen Zeitrechnung ausgeführt wurde,
in den Grundzügen fast gleich. Sie wurde
1274 festgeschrieben und wird in ihren
mittelalterlichen Gepflogenheiten auch
heute noch so durchgeführt. Nach den
einzelnen Wahlgängen – es wird eine
Zweidrittelmehrheit benötigt – werden
die Stimmzettel verbrannt. Schwarzer
Rauch zeigt einen ergebnislosen Wahlgang
an, weißer Rauch ist das Signal, dass
ein neuer Papst gewählt ist – „Habemus
Papas“ (Wir haben einen Papst.).
In der Geschichte des Papsttums sind
jedoch nicht nur die Wahlrituale oder
andere Handlungen von Bedeutung. Auch
die jeweiligen Persönlichkeiten der
Päpste machen diese Kirchengeschichte
aus. Jeder von ihnen hat sich auf seine
Weise für die katholische Kirche verdient
oder nicht verdient gemacht.
Die Macht der Päpste
Papst zu sein, bedeutete immer schon,
Macht zu besitzen. Die Päpste früherer
Zeiten hielten sich durchaus nicht an
einen strengen, ehrbaren Umgang mit
dieser Macht. Korruption und auch eine
pornografische Lebensweise waren keine
Seltenheit. Zahlreiche Päpste weisen
eine lange Liste von Nachkommen auf,
von denen sie auch bemüht waren, einen
Nachfolger zu stellen. Auch territoriale
Expansion ging bis weit ins Mittelalter
auf päpstliche Bestrebungen
zurück.
Je weiter sich das Papsttum vom Mittelalter
entfernte, desto „zivilisierter“ war
der Papst der Öffentlichkeit verpflichtet,
was nicht heißt, dass jede neue Besetzung
des Heiligen Stuhls ausschließlich dem
Wohle der Kirche und der Gläubigen diente.
Auch die Kurie im Vatikan war nicht
frei von Machtspielen und Geldgier.
Eine herausragende Persönlichkeit, die
ihr Amt zur Ehre Gottes ausübte, die
Kirchengeschichte und nicht zuletzt
die weltliche Geschichte maßgeblich
mitprägte, war beispielsweise
Papst
Johannes Paul II. (1920-2005). Er hatte
den Papstthron von
1978 bis zu seinem
Tode inne. Charismatisch wusste er,
der als erster Slawe zum Kirchenoberhaupt
gewählt worden war, seinen Einfluss
in Politik und Kirche zu nutzen, ließ
sich auf Dialoge mit anderen Weltreligionen
ein und galt dennoch als konservativer
Verfechter dogmatischer Grundsätze.
Eine andere Papstpersönlichkeit, die
der Kirchengeschichte allerdings in
wenig rühmlicher Erinnerung ist, war
Stephan VI., der von 896 bis 897 als
Papst regierte. Seine Art der Machtausübung
lässt den modernen Menschen schaudern.
Er hielt Gericht über seinen Vorgänger
(Papst Formosius), den er dazu exhumieren
und päpstlich einkleiden ließ, ihm dann
ein missbräuchliches Erschleichen des
Papstamtes vorwarf, ihn schuldig sprechen
und nach dem Abhacken des Schwurfingers
in den Tiber werfen ließ. Diese Leichenschändung
erboste die römische Bevölkerung derart,
dass sie ihren Papst erwürgten. Dieses
Beispiel war keine Ausnahme, sondern
in ähnlicher Form charakteristisch für
die unchristliche Umgangsart mit einem
christlichen Amt.
Unfehlbarkeit im Glauben und in den
Sitten – in dieser eigentlichen Tradition
hatte sich das Papsttum in der menschlichen
Besetzung durch den Papst dem Bekenntnis
der Kirche zu unterwerfen. Der Papst
war und ist als Stellvertreter Gottes,
dennoch sein Diener und dergestalt leiht
er ihm seine Stimme. Das besagt in etwa
das
1870 festgelegte Dogma des
Ersten Vatikanischen Konzils.