Papst Benedikt XVI. Lebenslauf Joseph Ratzinger
Bis 2005 galt der 1522 bis 1523
amtierende Hadrian VI., der in Utrecht als Einwohner des
Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation geborene
Niederländer Adriaan Floriszoon Boeyens, formell als
letzter deutscher Papst. Erst durch die Wahl von Joseph
Ratzinger wurde wieder ein Deutscher und das erste Mal
seit 1048 ( damals stand der in Niederbayern geborene Poppo von
Brixen als Damasus II. für drei Wochen an der
Spitze der Heiligen Römischen Kirche) ein Bayer
Papst.
Ratzinger nahm als Kirchenoberhaupt den Namen Benedikt
XVI. an.
Die Gemeinde Marktl am Inn im südöstlichen Oberbayern
ist der Geburtsort von Joseph Ratzinger. Hier kam er am
16. April 1927 als Sohn einer Köchin und eines
Polizeiwachtmeisters auf die Welt. Der kleine Joseph
wuchs mit zwei wenig älteren Geschwistern in ländlicher
und tief religiöser Umgebung auf. Der als begabter
Schüler aufgefallene Joseph wurde auf das
erzbischöfliche Studienseminar nach
Traunstein und dann
auf das Maximilian-Gymnasium in München geschickt. 1943
musste er HJ-Dienst als Flakhelfer in Bayerns Hauptstadt
machen.
1944 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, kam er
1945 kurzzeitig in US-Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Abitur studierte Ratzinger, dessen Berufswunsch
seit Kinderzeiten Priester gewesen war, katholische
Theologie und
Philosophie an der Theologischen
Hochschule Freising und an der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
(1946-1951). 1951 wird er zum Priester geweiht. 1953 promovierte
Joseph Ratzinger zum Thema „Volk und Haus
Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“. 1957 folgte
die Habilitierung an der LMU in Fundamentaltheologie.
Mit 31 Jahren 1958 erhielt er seine erste Professur an
seiner alten Alma Mater in Freising. Weitere Professuren
in Bonn, Münster, Tübingen und schließlich Regensburg
schlossen sich bis 1977 an.
Innerhalb der Kirchenwelt wurde Ratzinger vor allem
durch seine von ihm auf dem II. Vatikanischen Konzil, an
dem er als Berater des Kölner Erzbischofs Joseph
Kardinal Frings (1887-1978) teilnahm, vertretenen
reformerischen Ansichten bekannt. Auf der anderen Seite
sprach sich Ratzinger bereits damals ausdrücklich gegen
eine Aufweichung des katholischen Glaubens durch eine zu
große, die Gefahr der Beliebigkeit bergende,
Liberalisierung von Form und Inhalt der vom Klerus zu
vermittelnden Lehre aus.
Im
März 1977 wurde Ratzinger im Alter von 50 Jahren von
Papst Paul VI. (1897-1978) zunächst zum Erzbischof von
München und Freising und wenige Wochen später zum
Kardinal ernannt. In eine Schlüsselstellung gelangte er,
als
Johannes Paul II. (1920-2005) ihn als Präfekten der
Glaubenslehre-Kongregation nach Rom holte und ihn somit
zu einem der einflussreichsten Oberkleriker der
katholischen Kirche machte. In dieser und der von ihm
seit 2002 bekleideten Stellung als Dekan des
Kardinalskollegiums trug Ratzinger maßgeblich dazu bei,
den streng konservativen , fast alle grundlegenden
Reformansätze konterkarierenden Dogmatikkurs von
Johannes Paul II. umzusetzen.
Nach dem Tod von
Johannes Paul II. erhielt Ratzinger am
19.April 2005 für manche Beobachter überraschend die
Mehrheit im Konklave. Den meisten zur Papstwahl
berechtigten Kardinälen schien ein berechenbarer
Traditionswahrer auf dem Stuhl Petri für den Bestand der
Kirche offensichtlich wichtiger gewesen zu sein als ein
Reformer.
Ratzinger behielt auch als Stellvertreter Christi
Benedikt XVI. seine konservative Grundhaltung zum
Beispiel im Hinblick auf die Beurteilung von Ökumene,
Kirchenorganisation, Abtreibung, Gentechnik und Sexmoral
bei. Auf dem politischen Terrain behielt er die von
seinem Vorgänger eingeschlagene neutrale Linie im
Nahost-Konflikt bei, die ihm Beifall von Seiten der
Palästinenser und Kritik von offizieller israelischer
Seite einbrachte.
Der persönlich überaus bescheiden, verbindlich und
sympathisch wirkende Bayer sucht durchaus das Gespräch
mit ihm nicht selten intellektuell unterlegen
erscheinenden Kritikern und Andersgläubigen, ist aber
nur selten zu einem grundlegenden Wort der Selbstkritik
bereit. Insbesondere die Re- Exkommunikation von vier
hochrangigen Vertretern der erzkonservativen
Pius-Bruderschaft und die zögerliche Auseinandersetzung
mit den Fällen von sexuellen Missbrauch durch Geistliche
stießen auf erhebliche Empörung in der Öffentlichkeit
und trugen dazu bei, dass der spektakuläre, mit einer
Rede vor dem Bundestag verbundene Besuch des Papstes in
seinem Heimatland 2011 auf Widerstand traf.
Benedikt XVI., der weit mehr als 500 Bücher und
Schriften veröffentlichte, hat bisher zwei Enzykliken
(„Deus caritas est“, 2006 und „Spe salvi“, 2007) sowie
die Sozialenzyklika „Caritas in veritae“ (
2009)
publiziert.
Am
11. März
2013 teilte das Kirchenoberhaupt überraschend
mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen zum Ende des
Monats, zum
28. Februar 2013, von seinem Amt
zurücktreten werde. Am 13. März wurde als sein
Nachfolger Erzbischof
Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien im
fünften Wahlgang des Konklaves zum neuen Pontifex
gewählt. Er gab sich den Namen Franziskus und dankte in
seinem ersten öffentlichen Auftritt am Wahlabend seinem
Vorgänger für dessen Dienst für die römisch-katholische
Glaubensgemeinschaft.