Das Mittelalter - Jahrhunderte, die Europa
veränderten
Die Zeitspanne, die allgemein als
Mittelalter bezeichnet wird, lässt sich nicht mit
genauen Jahreszahlen eingrenzen. Die Übergänge sind
fließend. Wenn man die
Geschichte Europas betrachtet, dann umfasst
die mittelalterliche Epoche einen Zeitraum von etwa neun
Jahrhunderten.
Der Beginn des Mittelalters, der mit dem Ende der Antike
einhergeht, liegt ungefähr im 6. Jahrhundert. Hier
unterscheidet die Wissenschaft mehrere Datierungen. Das
Ende der Spät-Antike wird etwa mit Tod von Kaiser
Justinian im Jahre 565 gleichgesetzt. Ebenso wird die
Zeit der Ausbreitung des
Islam um 632 benannt. Die
sogenannte Neuzeit, die als Ende des Mittelalters
angegeben wird und die unsere Gegenwart einschließt,
beginnt mit dem Übergang vom 15. ins 16. Jahrhundert.
Diese Zeit war gekennzeichnet von historischen
Ereignissen, die epochalen Charakter hatten. Unter
anderem gehört hierzu
Christoph Kolumbus’ Entdeckung der Neuen Welt.
Auch die von
Martin Luther eingeleitete
Reformationsbewegung der Kirche um 1517 ist ein solcher
Meilenstein, der den Beginn der Neuzeit charakterisiert.
Das Ende des Mittelalters wird trotz unterschiedlicher
Sichtweisen im europäischen Raum ganz grob in die Zeit
um 1500 eingeordnet.
Innerhalb des langen Zeitrahmens, der dem Mittelalter
eingeräumt wird, gab es drei unterschiedliche
Entwicklungsphasen. Sie werden nach der Aufstiegszeit,
der Blütezeit und der Verfallszeit unterschieden. Anders
gesagt: Das Mittelalter unterteilt sich in das
Früh-Mittelalter, das Hoch-Mittelalter und das
Spät-Mittelalter.
Das Früh-Mittelalter
Auch die Zeit des mittelalterlichen Beginns, dem
Aufstieg, variiert. Eine genauere Festlegung ist wegen
der jeweiligen Betrachtungsweise nur schwer möglich. Es
lässt sich dennoch unter Vorbehalt sagen, dass das
Früh-Mittelalter zwischen 565 bzw. 632 und 962 bzw. 1066
einzuordnen ist. Das sind immerhin rund vier
Jahrhunderte. Diese Zeit war fast ausschließlich
landwirtschaftlich geprägt. Handel wurde zumeist mit
Naturalien getrieben. Geldgeschäfte und hochentwickelte
Handelsstrukturen, wie es sie in der Antike gegeben
hatte, hatten nach und nach ihren bedeutenden
Stellenwert eingebüßt.
Die Herrschaft des Römischen Reiches begann zu
zerfallen. Die Eroberungen des letzten römischen
Kaisers, Justinians I., hatten nach dessen Tod im Jahre
565 keinen dauerhaften Bestand. Auch im Osten begann das
Imperium auseinander zu brechen, wenn auch erst einige
Jahre später.
Die Gesellschaft der Antike, deren hoher
Entwicklungsgrad noch heute mit Bewunderung betrachtet
wird, hatte bereits ein ausgezeichnetes strukturiertes
Handelssystem. Mit dem Ende dieser Ära blieb den
Menschen nur mehr der Warenverkauf auf lokalen Märkten.
Bücher
mit hochgeistigem Inhalt konnten nur in geringem Maße
durch Abschriften erhalten werden. Der hohe Stand der
antiken Kultur erlebte einen Niedergang. Weder das
Wissen noch die Mittel reichten aus, um auch nur einen
Teil der Errungenschaften zu bewahren und in die Epoche
des Frühmittelalters hinüber zu retten.
Das Hoch-Mittelalter
Die Blüte des Mittelalters ist die Zeit, die sich der
wissenschaftliche Laie am besten vorstellen kann. Nicht
nur, dass sie relativ gut einzugrenzen ist, nein, sie
hat auch die sogenannten typischen Merkmale, die der
Nicht-Gelehrte kennt.
Die hochmittelalterliche Blütezeit umfasst die
Zeitspanne vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, ein
Zeitraum, in dem sich große Veränderungen und bedeutende
Entwicklungen vollzogen. Europa
brachte im neuen
Römischen Reich, dem Römischen Reich Deutscher Nation,
das Rittertum hervor. Der Minnegesang als besondere
Vortragsart der Liebeslyrik entwickelte prächtige
Blüten, das Lehnswesen erstarkte und die Kirche
entwickelte hierarchische Strukturen, erkämpfte sich
eine einflussreiche Machtposition, hinterließ bis ins
Morgenland ihre Spuren durch die Kreuzzüge und
beteiligte sich auf weltlicher Ebene an den
Machtkämpfen. Es war eine Zeit, in der Europa neu
erstarkte, wenngleich das von einem Gebiet zum anderen
unterschiedlich war. Das Bevölkerungswachstum nahm zu
und die Bildung war nicht mehr allein der Kirche
vorbehalten. Die ersten Universitäten entstanden. Die
lateinische Sprache war nicht mehr die einzige, in der
gelehrt wurde und in der Literatur wurden nun auch der
Adel und das Beamtentum berücksichtigt durch Themen, die
nicht nur von theologischer und philosophischer Art
waren. Sogar Teile antiken Schriftgutes waren wieder
zugänglich. Geistliche Orden entstanden, das
Papsttum bildete
sich heraus, wurde immer mächtiger und herrschte
dogmatisch. Zudem sorgte die Inquisition als
Machtinstrument der Kirche für Angst und Schrecken.
Innerhalb des Reiches entwickelten sich einzelne
Königreiche und erstritten beharrlich ihre
Unabhängigkeit. Allen voran
Frankreich
und
England.
Das Hoch-Mittelalter hatte auch seine eigene Bauweise
hervorgebracht. In der
Architektur
und in der Kunstgeschichte war die Romanik mit ihren
Rundbögen vorherrschend. Um 1140 entstanden in
Frankreich zudem die ersten Bauten mit spitzen Bögen.
Diese Gestaltungsart, die sich allmählich gegen die
Romanik durchsetzte, sie ablöste und bis zum Ende des
Mittelalters das Bauwesen dominierte, wird im Nachhinein
als Gotik bezeichnet.
Das Spät-Mittelalter
Die Zeit um 1250 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts,
einschließlich des beginnenden 16. Jahrhunderts, wird
als Spät-Mittelalter angesehen. In diese Epoche fallen
große Entwicklungen und Entdeckungen. Allerdings
beeinträchtigten auch klimatische Veränderungen das
Leben der Menschen. Ernten wurden vernichtet und schwere
Hungersnöte waren die Folge.
Die Pest und andere Seuchen, die über die Handelsrouten
nach Europa kamen, breiteten sich aus. Der sogenannten
Schwarze Tod kostete große Teile der Bevölkerung das
Leben.
Doch es war auch eine Zeit, in der die Wissenschaft und
die Künste sich enorm weiter entwickelten. Christoph
Kolumbus suchte den Seeweg nach Indien vergebens,
entdeckte stattdessen Amerika im Jahr 1492. Erst Vasco
da Gama, dem portugiesischen Seefahrer gelang es, den
Seeweg nach
Indien
zu finden. Neue Handelsrouten eröffneten neue Märkte und
verliehen der Wirtschaft Macht und Ansehen. Es kamen bis
dato unbekannte Waren nach Europa. Der Gewürzhandel
entstand. Viele der Waren konnten natürlich nur von den
Reichen bezahlt werden, die auch schnell erkannten, dass
sich damit noch mehr Geld verdienen ließ. Eine neue
Finanzwirtschaft
begann, sich zu entwickeln. Geldwechsler und
Kreditverleiher wurden zu Vorläufern der Banken. Es
entstanden zudem auch Handelsgesellschaften, die als
Geldgeber den internationalen Handel förderten.
Druckerzeugnisse aus
Asien kannte man zwar bereits um 1377. Der
Buchdruck mit
beweglichen Lettern entstand jedoch erst in der Mitte
des 15. Jahrhunderts. Erfunden wurde er von dem Mainzer
Johannes Gutenberg. Dank seines Verfahrens wurde es
möglich, Schriftgut schneller zu verbreiten und Wissen
leichter zu vermitteln, eine Voraussetzung für die
Erneuerung, für die Reformation, die untrennbar mit dem
Namen Martin Luther verbunden ist und die schließlich
ein neues Zeitalter einleitete – die Renaissance, die
erste Epoche der beginnenden Neuzeit.
Das Endstadium des Spät-Mittelalters verlief in den
einzelnen Regionen unterschiedlich und kann deshalb
nicht präzise festgelegt werden. Doch das
Reformations-Jahr 1517 trifft das Ende des gesamten
Mittelalters recht genau und kann deshalb getrost von
jedem Nicht-Wissenschaftler angegeben werden.