Geschichte der Literatur
Von der Geschichte der Literatur zu
sprechen, bedeutet gleichzeitig, von der
"Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" zu sprechen.
Literaturgeschichte verläuft nicht streng linear und
chronologisch, sie bedingt immer ein Nebeneinander von
einander überlagernden Zeit- und Epochenströmungen.
Die literarischen Erzeugnisse des Mittelalters, die
unter den heutigen Begriff der Literatur im Sinne einer
autonomen und ästhetisch durchformten Literatur fallen,
lassen sich, auch wenn im
Mittelalter noch kein
Gattungsbewusstsein herrschte, unterteilen. So gibt es
beispielsweise die höfische Epik, die sich Themen wie
dem Artusstoff oder dem Tristanstoff widmet und
vertreten wird von Autoren wie Hartmann von Aue oder
Gottfried von Straßburg; oder auch die Heldepik, deren
populärster Vertreter das anonym überlieferte
Nibelungenlied ist. Die Blütezeit der
mittelalterlichen
Epik liegt im 12. Jahrhundert.
Im Allgemeinen setzt die Geschichtsschreibung der
neueren deutschen Literatur mit der Zeit von 1600-
1700
an. Diese Epoche wird als Barock bezeichnet und ist vor
allem geprägt durch den Dreißigjährigen Krieg, der von
1618-1648 andauerte und Chaos und Elend über Europa
brachte. Dies wirkte sich auch auf die Literatur aus,
Lyrik und Drama des Barock sind geprägt von
Memento-mori-Motiven, Vanitas-Symbolik und einem
ausgeprägten Vergänglichkeitsbewusstsein.
Im
18. Jahrhundert begann dann, von
England
ausgehend, der Siegeszug der Aufklärung, der "Ausgang
des Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit" (
Kant).
Überkommenen Idealen und erstarrten Ordnungen wurden die
Vernunft des Geistes und der mündige Gebrauch des
Verstandes entgegengesetzt, um so Veränderungen in der
Gesellschaft zu bewirken. Als einer der populärsten
Vertreter gilt
Gotthold Ephraim Lessing, der sich in seinem
Drama "Nathan der Weise" mit Toleranz und
Religionsfreiheit auseinandersetzte.
Gegen
Ende des 18. Jahrhunderts war mit Werken wie
Goethes
"Die Leiden des jungen Werther" und
Schillers "Kabale und Liebe" die Zeit des Sturm
und Drang gekommen, einer literarischen Strömung, die
sich gefühlsbetont gegen das rationale Diktat der
Vernunft auflehnte und dieser Werte wie Leidenschaft und
Rebellion entgegensetzte.
Nach ihrer Stürmer-und-Dränger-Zeit setzten die
Dichtergenies Goethe und Schiller Maßstäbe für eine
Literatur, die heute als "Klassik" bekannt ist und mit
dem Tod Goethes im Jahre
1832 endete.
Ausgehend von den Werten der Antike war es der Klassik
um die Ideale des Schönen und Guten, um das Weltbild der
Humanität zu tun. Unsterbliche Werke der deutschen
Literatur wie Goethes "Faust" oder Schillers
"Wallenstein" fallen in diese Epoche.
Relativ zeitgleich zur wichtigen Epoche der deutschen
Klassik kam die Strömung der Romantik auf, die sich,
ähnlich wie im Sturm und Drang, von rationalistischen
Weltsichten lösen wollte. In die Zeit der Romantik fällt
die Sammlung der Hausmärchen der
Gebrüder
Grimm wie auch die Anhäufung von Liedgut, das
heute längst in das kulturelle Erbe unserer Nation
eingegangen ist. Prägend für die Romantik waren vor
allem der Primat der
Musik gegenüber der
Bildenden
Kunst, irrationale Weltflucht, ein Hang zu
Mystischem und Gespenstischem und eine rückwärtsgewandte
Sehnsucht nach alten Zeiten, die sich in einer Art
Eskapismus und Mittelalter-Utopien äußerte. Als wichtige
Vertreter der Romantik gelten beispielsweise Novalis,
E.T.A. Hoffmann, Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel.
In den Jahren 1815-1848, den Jahren zwischen dem Wiener
Kongress und der sogenannten Märzrevolution, sind die
als "Biedermeier" und "Vormärz" bekannten Epochen
anzusiedeln, die
Autoren wie Eduard Mörike oder
Anette von Droste-Hülshoff hervorbrachte,
aber auch politisch engagierte Schriftsteller wie den
jung verstorbenen
Georg
Büchner, der unter anderem mit seinem "Woyzeck"
auf die Missstände der Gesellschaft hinzuweisen suchte.
Das halbe Jahrhundert zwischen 1850 und
1900 brachte als
prägnanteste Strömungen den Realismus und darauf folgend
den Naturalismus hervor. Während es der Realismus auf
eine poetische Verklärung der Wirklichkeit absah, die in
ihren realistischen Grundzügen poetisch überformt
dargestellt wurde, widmete sich der Naturalismus vor
allem der Betrachtung sozialer Missstände der
Gesellschaft, die er naturgetreu, beispielsweise in der
Wiedergabe von Dialekt, darstellen wollte.
Das
20. Jahrhundert
brachte eine Vielzahl literarischer Strömungen hervor
und besitzt zwei Zäsuren durch die
Geschichtskatastrophen der beiden Weltkriege. Während
die Literatur der Jahrhundertwende sich vor allem einem
Endzeitbewusstsein und einem dekadenten Lebensgefühl
zugewandt hatte, suchten nach dem Ende des 1. Weltkriegs
1918
experimentelle Strömungen wie Expressionismus,
Avantgardismus und Dadaismus die Katastrophe der
geschichtlichen Realität durch die Suche nach einem
neuen Kunstideal und neuen Formen hinter sich zu lassen.
Daran schlossen sich große Romane wie Thomas Manns
Zauberberg an, die in der Zeit der Weimarer Republik
anzusiedeln sind. Während des
Zweiten Weltkrieges
(1939-1945) spielte sich das deutsche Literaturleben vor
allem im Exil im Ausland ab und fand erst danach wieder
zurück. Werke wie "Die Blechtrommel" von
Günther
Grass versuchten im Zuge der Nachkriegsliteratur
mit den Gespenstern des Holocausts und des Krieges
umzugehen, Schriftstellervereinigungen wie die Gruppe 47
fanden sich zusammen.
Die Literatur, die auf die Nachkriegsliteratur folgte,
wurde im Allgemeinen als Literatur der Postmoderne
bezeichnet, die Kunst nach der Moderne, die sich vor
allem durch ihre Heterogenität auszeichnet.