Chronik 1854 - Kaiserin Sissi, die Erfindung des
Telefons, die erste Litfaßsäule
Der
österreichische Kaiser Franz Joseph I.
(1830-1916), der seit 1848 den Thron innehatte und
dessen Beginn der Regentschaft nach der
gescheiterten Märzrevolution von 1848/1849
innenpolitisch von den Auseinandersetzungen mit dem
liberalen Bürgertum und der Entwicklung von der
absolutistischen Monarchie zu einer
konstitutionellen Monarchie geprägt war, hatte eine
Braut gefunden, die er in jenem Jahr 1854 heiratete.
Eigentlich hatte seine Mutter, die Erzherzogin
Sophie (1805-1872), die Frau für den Kaiser gesucht.
Nach dem zwei Verbindungen, die sie arrangieren
wollte, nicht zustande gekommen waren, hatte sie
sich entschlossen, eine Verbindung mit dem Haus
Wittelsbach in Erwägung zu ziehen. Anlässlich seines
Geburtstages reiste Kaiser Franz Joseph I. nach Bad
Ischl, wo er dann „zufällig“ seiner Cousine, der
bayerischen Herzogin Elisabeth (1837-1898)
begegnete, die dort mit ihrer Schwester weilte.
Elisabeth war 15 Jahre alt, der Kaiser war acht
Jahre älter. Genau an seinem 23. Geburtstag hielt er
um die Hand seiner Cousine an. Sie und ihre Eltern
waren einverstanden. Nun ging alles recht schnell.
Elisabeth, die auch Sisi oder Sissi genannt wurde
und unter diesem Kosenamen durch die späteren
Verfilmungen zu großer Berühmtheit über den Tod
hinaus gelangte, reiste mit einer Mitgift von 50.000
Gulden und einer prächtigen Aussteuer nach Wien zu
ihrem Verlobten. Am 24. April 1854 wurde das Paar
durch den Erzbischof von Wien, Joseph Othmar von
Rauschner (1797-1875), in der Wiener
Augustinerkirche getraut. Der Trauung wohnte ein
großes Gefolge von 70 Bischöfen und Prälaten bei.
Durch die Heirat mit dem Kaiser war Elisabeth fortan
Kaiserin von Österreich. Ein Medienspektakel war die
prächtige Hochzeit damals noch nicht, aber
vielleicht hätte man sich per Telefon schon die
ersten Neuigkeiten übermitteln können, doch der
französische Erfinder Charles Boursel (1829-1912),
der das Telefon in der Zeitschrift „L’illustration“
beschrieb, wurde nicht ernst genommen. Seine Idee
wurde nicht weiter verfolgt, Boursel bekam keine
Unterstützung und wurde belächelt. Sein Vorschlag
geriet in Vergessenheit. Derweil entwickelte der
Italiener Antonio Meucci (1808-1889, evtl. 1896) in
jenem Jahr 1854 die erste Fernsprechverbindung.
Meucci war nach New York ausgewandert und konnte
dort seine Ideen umsetzen. Mit dem Telefon hatte er
sich schon um 1833 auseinandergesetzt, als er
Hauptmechaniker am Teatro della Pergola gewesen war.
Dort hatte er bereits ein bis heute erhaltenes „Akustik-Rohr-Telephon“
installiert. Meucci führte seinen Fernsprechapparat
von 1854 vier Jahre später erstmals der
Öffentlichkeit vor. Es gelang ihm jedoch nicht, das
Patent für sich erlangen, da er das Geld für die
Anmeldung nicht aufbringen konnte. Als er Kontakt
aufnahm zur Western Union Telegraph Company, dieser
Firma sogar all seine Gerätschaften und Unterlagen
zur Ansicht vertrauensvoll übergab, war letztlich
alles für ihn verloren. Die Dinge waren angeblich
verloren, so lautete die Antwort, als Meucci sie
zurückforderte. Der damals bei der Firma angestellte
Alexander Graham Bell (1847-1922) meldete
schließlich das Telefon zum Patent an. Meucci stritt
jahrelang erfolglos mit Bell, um wenigstens eine
Entschädigung zu erhalten. Umsonst. Er starb
verarmt. Bell hatte das Telefon zwar zur Marktreife
gebracht, aber erfunden hatte er es nicht, auch wenn
sein Name fälschlicherweise immer mit der Erfindung
in Verbindung gebracht wird. Mehr Glück hatte in
Berlin der Drucker Ernst Theodor Amandus Litfaß
(1816-1874), der sich mit seiner Erfindung einen
berühmten Namen machen konnte. Die Plakat- und
Annociersäulen, deren Aufstellung nach jahrelangen
Verhandlungen der Polizeipräsident Karl Ludwig von
Hinekeldey (1805-1856) im Jahr 1854 genehmigte, sind
heute noch im „Einsatz“ und heißen nach ihrem
Erfinder „Litfasssäulen“. Außerdem gilt Litfaß somit
auch als „König der Reklame“.
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Ereignisse & Schlagzeilen
1854
1. Januar
Friedrich Frey-Herosé wird Bundespräsident der Schweiz.
4. Januar
Kapitän William McDonald entdeckt die McDonaldinseln.
21. Januar
Der Eisen-Klipper RMS Tayleur der White Star Line geht auf seiner
Jungfernfahrt in der Irischen See unter, nachdem er bei Sturm und Nebel auf die
Felsen am Ufer von Lambay Island gelaufen war. 362 Menschen sterben.
16. Februar
Uraufführung der Oper Nordstern von Giacomo
Meyerbeer an der Opéra-Comique in Paris
27. Februar
Großbritannien stellt Russland ein Ultimatum zum Rückzug seiner
Truppen aus den ottomanischen Provinzen Moldova und Walachei.
28. Februar
In Wisconsin wird die Republikanische Partei in den USA gegründet,
die sich gegen eine Ausbreitung der Sklaverei wendet. Ihr gehören viele Gegner
des Kansas-Nebraska Acts an.
27. März
Herzog Karl III. wird in Parma auf offener Straße von einem
Unbekannten niedergestochen. Der Tote war wegen seines Willkürregimes in der
Bevölkerung verhasst.
27./28. März
Britische und französische Kriegserklärung an Russland, Eintritt
in den Krimkrieg
31. März
Commodore Matthew Perry und Shogun Tokugawa Ieyoshi unterzeichnen die
Konvention von Kanagawa.
14. September
Landung der Alliierten auf der Halbinsel Krim
20. September
Schlacht an der Alma
5. Oktober
Im Krimkrieg beginnt der alliierte Beschuss von Sewastopol. Der
Kampf um die russische Hafenstadt am Schwarzen Meer wird elf Monate dauern.
9. Oktober
Beginn der Belagerung von Sewastopol
21. Oktober
Mit 38 Krankenschwestern bricht Florence Nightingale zur Betreuung
der Verwundeten in Richtung Krim auf. Sie trifft im November im Lazarett von
Scutari ein, wo ihrem Team zunächst Misstrauen und Widerstand von seiten der
britischen Militärärzte entgegengebracht wird.
25. Oktober
In der Schlacht von Balaklawa kommt es zum Todesritt der leichten
Brigade
5. November
Schlacht von Inkerman
13. Juli
Arbeiter- und Arbeiterbildungsvereine werden auf Beschluss des
Bundestages im Deutschen Bund verschärfter Verfolgung ausgesetzt. Es werden die
Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung und alle anderen politischen
Arbeitervereinigungen verboten; in Preußen bestand dieses Verbot bereits vorher
seit 1850.
9. August
Thronwechsel in Sachsen. Auf Friedrich August II. folgt sein Bruder
Johann.
16. Oktober
Oscar
Wilde wird in Dublin geboren
30. Mai
Mit der Unterzeichnung durch US-Präsident Franklin Pierce tritt der
Kansas-Nebraska Act in Kraft, mit dem das Kansas-Territorium und das
Nebraska-Territorium als Territorien der Vereinigten Staaten gegründet werden.
Gleichzeitig wird ein Teil des Missouri-Kompromisses aufgehoben, der die
Sklaverei nördlich des 36. Breitengrades verboten hat.
19. August
Im Grattan-Massaker töten Lakota-Indianer – bis auf einen schwer
verwundet entkommenden Soldaten – eine 30-köpfige Einheit der US-Armee, die
einen indianischen Viehdieb festnehmen wollte. Ein Soldat hatte zuvor den
Häuptling bei seinem Aufbruch vom Palaver hierüber erschossen. Umgehend erfolgt
eine Strafaktion gegen den Indianerstamm.
4. Oktober
Japan vereinbart mit Großbritannien einen ähnlichen
Freundschaftsvertrag, wie er kurz zuvor auf militärischen Nachdruck mit den USA
zustande kam.
13. Juli
Ermordung des Khediven Abbas I. von Ägypten
3. Dezember
Der als Eureka Stockade bezeichnete Aufstand von Diggern in
Australien wird von britischen Polizei- und Militärkräften niedergeschlagen.
Diese Erhebung hat Signalwirkung zu einer demokratischen Entwicklung auf dem
fünften Kontinent.
1. März
In Mexiko wird der auf die Absetzung Präsident Antonio López de Santa
Annas abzielende Plan von Ayutla proklamiert.
27. Juni
Der kanadische Geologe Abraham Gesner erhält für seine Erfindung des
Kerosins in den Vereinigten Staaten Patentschutz.
15. Juli
In München findet die Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung
statt. Dazu wird der eigens errichtete Glaspalast nach dem Vorbild des Crystal
Palace in London eröffnet.
18. Oktober
In Bremen wird das erste deutsche Seemannsheim in Betrieb genommen.
30. November
Mohammed Said erteilt Graf Ferdinand de Lesseps die Konzession zum
Bau des Sueskanals.
5. Dezember
In Berlin wird die erste Litfaßsäule aufgestellt.
Im September
Gründung der Kofferfirma Louis Vuitton in Paris
Im Februar
Gründung der Wertpapierbörse von Buenos Aires
22. Juli
Der deutsche Astronom Arthur Auwers sichtet die Galaxie NGC 6503 im
Sternbild Drache.
26. August
Der französische Erfinder Charles Bourseul beschreibt in der
Zeitschrift L'illustration das Telefon. Er wird jedoch nicht ernst genommen und
verfolgt seine Idee nicht weiter.
26. Oktober
Der irische Astronom William Parsons entdeckt das wechselwirkende
Galaxienpaar NGC 90 und NGC 93.
3. November
Die Katholische Universität von Irland beginnt mit ihren ersten
Vorlesungen.
Im Juni
J. E. Taylor entdeckt die sumerische Stadt Eridu wieder
Im März
Antonio Santi Giuseppe Meucci erfindet das Telefon
22. März
Uraufführung der Oper Die Nibelungen von Heinrich Dorn in Weimar
20. April
Uraufführung der Oper Die Bilderstürmer von Johann Friedrich Kittl
24. Juni
Uraufführung der Oper Alfonso und Estrella von Franz Schubert in
Weimar
18. Oktober
Uraufführung der komischen Oper La Nonne sanglante (Die blutige
Nonne) von Charles Gounod in Paris
21. Dezember
Uraufführung der komischen Oper Der Advokat von Ferdinand Hiller
in Köln
Im April
Der Münchner Glaspalast wird errichtet.
Im August
Gründung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
24. April
Franz Joseph I. aus dem Hause Habsburg-Lothringen heiratet in Wien
die 16-jährige Wittelsbacher Prinzessin Elisabeth in Bayern.
8. Dezember
Papst Pius IX. verkündet mit seinem Schreiben Ineffabilis Deus das
Dogma der Unbefleckten Empfängnis.
1. März
Der britische Passagierdampfer RMS City of Glasgow läuft zu einer
Überfahrt nach Philadelphia aus dem Hafen von Liverpool aus und verschwindet
spurlos mit 481 Menschen an Bord.
27. September
Der amerikanische Passagierdampfer Arctic kollidiert bei Cape
Race vor Neufundland mit dem französischen Dampfer Vesta und sinkt während des
vergeblichen Versuchs, die Küste zu erreichen. Etwa 350 Menschen sterben,
darunter alle Frauen und Kinder an Bord.