Geschichte des Ersten Weltkrieg
Der von 1914 bis 1918 tobende Erste Weltkrieg beendete eine Ära, die der
britische Historiker Eric Hobsbawm in den 1960er Jahren mit der bald von
Fachkollegen aufgegriffenen Formulierung „Das lange 19. Jahrhundert“ bezeichnet
hat. Mit dem „Großen Krieg“, wie dieser Krieg vor dem
Zweiten Weltkrieg
allgemein genannt worden ist, wurde die sich seit Ausbruch der französischen
Revolution
1789 in Europa entwickelnde Gesellschafts- und Staatenordnung binnen
weniger Jahre durch einen fundamentalen Bruch verändert.
Das als „Ur-Katastrophe des
20. Jahrhunderts“ eingestufte Ereignis war globaler
Natur, verursachte millionenfaches persönliches Leid und war Ausgangspunkt und
Ursache für viele der Sachverhalte, die in der Nachkriegszeit fast alle
europäischen Staaten mit politischen Krisen
kämpfen ließen. Krisen, die häufig
zu kriegerischen Auseinandersetzungen und totalitären Regierungsbildungen
führten und schließlich mitursächlich für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
waren.
Am Ende des Ersten Weltkriegs waren in vier Großreichen (Deutsches Reich,
Österreich-Ungarn, Russland, Osmanisches Reich) die Monarchien weggefegt worden
und die Landkarten der Welt durch massive Grenzverschiebungen radikal verändert
worden. Die Macht des vor
1914 eine Vormachtstellung in der Welt beanspruchenden
britischen Empires war entscheidend geschwächt, die USA wurden zur, noch
zaudernden, Weltmacht und das sich in Russland als Folge von Krieg und
Revolution etablierende Sowjetregime begann seinen internationalen ideologischen
Kampf, der Jahrzehnte später mit zur Bockbildung und zum Kalten Krieg führte.
Der Erste Weltkrieg ging in die Geschichte auch als der erste industrialisierte
Krieg ein. Die
Industrialisierung hatte 1914 einen solchen Grad erreicht, dass
der Krieg eine bis dahin undenkbare Technisierung erreichte, die mit einem
gigantischen Materialaufwand und dem Aufbau von im Stellungskrieg „verbrauchter“
Massenheere einherging. Neu war auch die so vorher noch nie erlebte dauerhafte
Einbindung der gesamten Wirtschaft und der gesamten Bevölkerung für die Belange
der Kriegsführung („Totaler Krieg“).
Unter anderem wegen der in den einzelnen beteiligten Ländern unterschiedlichen
Umstände, die zur Kriegsbeteiligung beziehungsweise zum Kriegsaustritt führten,
hat sich keine allgemein verbindliche Datierung für Beginn und Ende des Kriegs
durchgesetzt. Zur Schwierigkeit der Datierung hat auch beigetragen, dass das
Weltkriegsgeschehen in einigen Regionen nahtlos in neue Kriege überging
(russischer Bürgerkrieg, türkisch-griechischer Krieg). Als von den meisten
Fachleuten zumindest unter Vorbehalt akzeptierte zeitliche Verortungen konnten
sich die Zäsur-Daten „1. August 1914“ (deutsche Kriegserklärung an Russland) und
„11. November 1918“ (Waffenstillstand von Compiègne) durchsetzen.
Die Hauptgegner im Ersten Weltkrieg
Hauptgegner im Ersten Weltkrieg waren auf der einen Seite die verbündeten
Kaiserreiche Deutsches Reich und Österreich-Ungarn, denen das Osmanische Reich
und ab 1915 auch Bulgarien zur Seite standen. Diesen als „Mittelmächte“
bezeichneten Staaten stand die „Triple Entente“ (
Russland und
Frankreich sowie
Großbritannien mit den Dominions Australien, Neuseeland, Kanada, Südafrika und
Neufundland) gegenüber, der sich im Laufe des Krieges die überwältigende
Mehrheit der übrigen Nationen als „Alliierte“ oder „Assoziierte“ anschloss: u.
a. 1914
Belgien,
Serbien,
Japan, 1915
Italien, 1916 Rumänien, Portugal, 1917
Griechenland, USA,
China. Die wichtigsten während der gesamten Kriegszeit
neutralen Staaten waren
Spanien, die
Schweiz, die
Niederlande und die
skandinavischen Länder.
Die Ursache des Krieges war eine komplexe, bei der Würdigung der Bedeutung ihrer
Einzelaspekte unter Historikern und Politologen heftig umstrittene Gemengelange,
zu der Schieflagen im Verhältnis der zueinander und untereinander lediglich
unzureichend austarierten Bündnissysteme, säbelrasselnder Imperialismus,
wirtschaftliche Expansionsinteressen, innenpolitische Krisen und politisch
kurzsichtiger Dilettantismus gehört haben. Wer letztlich
1914 für die
Entscheidung, es zum Krieg kommen zu lassen, verantwortlich war, wurde noch
Jahrzehnte nach Kriegsende kontrovers und oft mit großer Erbitterung diskutiert.
Teil des am Anfang der Weimarer Republik stehenden, 1919 unterzeichneten
Friedensvertrags von Versailles war das insbesondere von Frankreich ultimativ
geforderte Zugeständnis der deutschen Delegation, dass das Deutsche Reich und
ihre Verbündeten allein am Ausbruch des Kriegs schuldig gewesen seien (Artikel
227 Versailler Vertrag). Die „Kriegsschuldfrage“ war nicht nur eine der
zentralen Themen in der innen- und außenpolitischen Diskussion der Weimarer
Republik, sondern sorgte selbst noch anlässlich des 100. Jahrestags des
Kriegsbeginns zu bedeutenden, wenn auch nicht mehr so hochemotional wie in den
1920er Jahren vorgetragenen, Beiträgen. Beiträge, die überwiegend, mit
unterschiedlicher Gewichtung im Detail, von einem kollektiven Versagen der
überschaubar wenigen Entscheider an den Schalthebeln der politischen und
militärischen Macht ausgingen.
Franz Ferdinand und seine Gattin erschossen
Auslöser des Kriegs war die „Juli-Krise“ zwischen Österreich-Ungarn und dem
kleinen, von Russland unterstützten Königreich Serbien. Am 28. Juni 1914 waren
der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine
Gattin in Sarajewo, der Hauptstadt der von Österreich-Ungarn
1908 annektierten
Region Bosnien-Herzegowina, bei einem Attentat serbisch-bosnischer Nationalisten
getötet worden. Die Regierung in Wien forderte als Reaktion auf den Mord von der
serbischen Regierung, der Mitwisserschaft oder sogar Mittäterschaft unterstellt
wurde, in einem Ultimatum (23. Juli 1914), dass u. a. österreichisch-ungarische
Sicherheitsorgane auf serbischem Territorium gegen Serben vorgehen dürften.
Mutmaßlich war das Ultimatum bewusst scharf formuliert, um eine Ablehnung zu
provozieren, die wiederum als Rechtfertigung für ein militärisches Vorgehen
gegen das österreichische Interessen auf dem Balkan störende Serbien dienen
sollte. In einem lokal begrenzten, schnellen Militärschlag sollte
Serbien
vernichtet werden. Das Risiko einer Intervention Russland zugunsten Serbiens
wurde von den k. u. k. Politikern und Militärs als in Hinblick auf die
Rückendeckung („Nibelungentreue“) durch den hochgerüsteten Bündnispartner
(„Zweibund-Vertrag“ von 1879) Deutschland leichtfertig als unwahrscheinlich
heruntergespielt beziehungsweise billigend in Kauf genommen. In welchem Umfang
Berlin in dieser Phase aktiv Einfluss auf die Geschehnisse genommen hatte und
welche Rolle Kriegsgegner und Kriegsbefürworter am Hof und in der Militärführung
gespielt hatten, wurde zentraler Gegenstand späterer Diskussion um die
„Kriegsschuldfrage“. Zumindest hat sich das Engagement der deutschen Seite, die
sich von der Entente eingekreist fühlte, in Wien auf Friedenserhalt zu dringen,
in Grenzen gehalten. Das galt aber auch für die Reaktionen in Paris, London, Rom
und St. Petersburg. Alle Seiten schienen in der Krise eine Chance zu erkennen,
eigene Positionen verbessern zu können, ohne das Ausmaß der Gefahr richtig
einzuschätzen.
Nach der Ablehnung des österreichisch-ungarischen Ultimatums durch Serbien (25.
Juli 1914) erklärte Wien Serbien den Krieg und löste damit die russische
Generalmobilmachung (30. Juli 1914) aus. Die deutsche Regierung sah sich dadurch
veranlasst, Russland mit Krieg zu drohen, falls die Mobilmachung nicht
eingestellt würde. Außerdem verlangte Berlin von dem mit Russland verbündeten
Frankreich, seine Neutralität zu erklären. Paris und St. Petersburg lehnten die
deutschen Forderungen ab. Am 1. August 1914 beziehungsweise am 3. August folgten
daraufhin die deutschen Kriegserklärungen an Russland und Frankreich.
Die Strategie des deutschen Großen Generalstabs sah in Anlehnung an den für den
Fall der 1914 tatsächlich eingetretenen Situation eines Zweifronten-Krieges
entwickelten „Schlieffen-Plans“ vor, mit der Hauptmasse der Truppen eine
schnelle Entscheidung („Weihnachten sind wir wieder zuhause!“) im Westen zu
suchen. An der russischen Front sollten schwächere Korps solange die Grenze
sichern. Nach dem erwarteten Sieg in Frankreich sollte dann Russland geschlagen
werden. Der „Schlieffen-Plan“ sah vor, bei Sicherung von Elsass-Lothringen und
des Rheinlandes (linker Flügel) mit dem starken rechten Flügel in einer Art
„Sichelschnitt“ durch Belgien und Luxemburg in Nordfrankreich einzufallen, dort
die französische Armee zu zerschlagen und durch die Einnahme von Paris den
Feldzug zu beenden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Großbritannien, dessen
Bündnisverpflichtungen in der Entente nicht zwingend ein militärisches
Eingreifen zugunsten Frankreichs zur Folge haben musste, es bei Protesten gegen
die Verletzung der belgischen Neutralität belassen würde.
Die deutsche Kriegsmaschinerie lief an und am 3. August 1914 überschritten
deutsche Truppen völkerrechtswidrig und ohne Kriegserklärung die belgische
Grenze. Großbritannien, das seit
1839 Garantiemacht der belgischen Neutralität
war, erklärte daraufhin am 4. August Deutschland den Krieg. Der Durchmarsch
durch Belgien erwies sich für die als oberste deutsche Kriegskommandoebene
eingerichtete Oberste Heeresleitung (OHL), die im Laufe des Krieges bei
Zurückdrängung von Kaiser und Reichskanzler zur diktatorisch agierenden
faktischen Reichsregierung wurde, als schwieriger als geplant. Die ungenügend
gerüsteten belgischen Truppen verteidigten ihr Land zäh und die deutsche Armee
schaffte es nur mit großem Aufwand, den Festungsgürtel um Lüttich zu
durchbrechen. Bis auf einen schmalen Streifen westlich der Yser blieb Belgien
während des Kriegs besetzt. Die deutschen Truppen drangen in Frankreich vor und
wurden in der Marne-Schlacht (5. – 9. September 1914) kurz vor Paris gestoppt
(„Wunder an der Marne“). Der Krieg entwickelte sich in Frankreich in Folge zu
einem vier Jahre dauernden Stellungskrieg. Trotz einer Reihe von
Riesen-Schlachten (Flandern-Schlachten 1914, 1915, 1918, Schlacht um Verdun
1916, Schlacht an der der Somme 1916), bei denen jeweils Hunderttausende von
Soldaten umkamen, konnten keine wesentlichen Verschiebungen der Frontlinien
erzwungen werden. Die feindlichen Soldaten lagen sich oft weniger als einhundert
Meter voneinander entfernt in Gräben- und Bunkersystemen gegenüber, starben bei
verlustreichen Sturmangriffen oder wurden durch den dauernden Artilleriebeschuss
getötet. Hunderttausende starben an Krankheiten. Die rasante Entwicklung und
Fortentwicklung neuer Waffen und Techniken führten zu einem Übergewicht der
Verteidigungsmöglichkeiten, die auch durch neue, durchweg menschenverachtende
Angriffswaffen wie Panzer („Tanks“), Giftgas oder Flammenwerfer nicht
entscheidend überwunden werden konnten. Insbesondere die Verwendung von
Stacheldraht und die Perfektionierung des Maschinengewehr-Einsatzes waren
ausschlaggebend für die Stagnation der Frontlinien.
Deutsche Truppen zum Rückzug gezwungen
An der Ostfront konnte die russische Armee im August 1914 die schwachen
deutschen Truppen
zunächst zum Rückzug zwingen und Teile Ostpreußens besetzen.
Unter dem Kommando der Generäle Hindenburg und Ludendorff konnten die russischen
Verbände aber bald in zwei Schlachten (Tannenberg-Schlacht 26. – 30. August,
Schlacht an den Masurischen Seen 6. – 14. September)
1914 geschlagen und aus
Ostpreußen gedrängt werden. Diese Schlachten machten Hindenburg, ab 1916 als
Chef der OHL faktischer Herrscher in Deutschland und von
1925 bis 1934
Reichspräsident, zum Nationalhelden. An der Ostfront konnten die Stellungen der
deutschen und österreichisch-ungarischen Verbündeten ausgebaut werden. Nach
Zusammenbruch des russischen Kaiserreiches im Zusammenhang mit den von der OHL
unterstützten Revolutionen 1917 erzwangen die Mittelmächte von der
Sowjetregierung einen harten Siegfrieden (Vertrag von Brest-Litowsk 3. März
1918).
Die Hoffnung mit den dann im Osten freigewordenen Truppen im Westen doch noch
die Wende auf dem Schlachtfeld zu erreichen, erwies sich als trügerisch. Zwar
waren sowohl Frankreich als auch Großbritannien wie Deutschland durch den langen
Krieg zu ausgezehrt, um zu gewinnen, doch begann sich seit dem Kriegseintritt
der USA im Jahr 1917 die Situation zugunsten der Entente zu verändern. Als Folge
der Wiederaufnahme (1. Februar 1917) des nach der Versenkung des US-Dampfers „RMS
Lusitiana“ 1915 eingestellten uneingeschränkten U-Boot-Krieges durch die
deutsche Marine hatten die USA am 6. April 1917 dem Deutschen Reich den Krieg
erklärt. Die riesigen Ressourcen an Material und Menschen, die die USA
mobilisieren konnten, waren letztendlich für das Scheitern der letzen deutschen
Offensive ursächlich.
Niederlage und Kriegsende
Spätestens mit der deutschen Niederlage in der Schlacht
von Amiens am 8. August 1918 war der Krieg für Deutschland verloren. Meutereien
von Matrosen der deutschen Hochseeflotte Anfang November 1918 begleiteten den
Zusammenbruch der Front. Am 11. November 1918 unterzeichnete eine deutsche
zivile Regierungsdelegation den Waffenstillstandsvertrag in einem Zugwagen im
nordfranzösischen Compiègne. Die Herren der OHL hatten sich vornehm ihrer
Verantwortung für vier Jahre Krieg entzogen und die Unterzeichnung anderen
Männern überlassen. Schon damals wurde das verhängnisvolle Gerücht gestreut
worden, Deutschland sei „im Felde unbesiegt“ geblieben und per „Dolchstoß“ von
roten Matrosen und Zivilisten um Sieg und Ehre betrogen worden.
Der Krieg, der außer an der Ost- und der Westfront auch auf zahlreichen
Nebenkriegsschauplätzen auf dem Balkan, in den Alpen, in Afrika, im Nahen Osten
und in Südostasien getobt hatte, hatte mindestens zehn Millionen Soldaten und
sieben Millionen Zivilisten das Leben gekostet.
Filme, Literatur und Bücher zum Ersten Weltkrieg
Erster Weltkrieg: Die Urkatastrophe des
20.Jahrhunderts
Der Erste Weltkrieg: Eine europäische
Katastrophe
Und das Ende der Habsburgermonarchie
1914-1918
Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches
Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg: Die visuelle Geschichte
1914-1918: Als Europa im Inferno versank
Der Erste Weltkrieg in deutschen
Bildpostkarten
Kulturgeschichte des Erste Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg: Wahrheit und Lüge in
Bildern und Texten
Kunst und Krieg - Die Abwesenheit von
Kriegskunst