Musikgeschichte der 60er Jahre

Als die fünfziger Jahre endeten, war die Popkultur in eine neue Phase getreten. Elvis Presley hatte dem Rock 'n' Roll eine weltweite Popularität verschafft, die bis dahin ihresgleichen suchte. Kaum ein Musikprojekt, das bei der Jugend Anklang finden wollte, konnte sich diesem Sog völlig entziehen. So wurde beispielsweise für einige Jahre der Twist zur dominierenden Tanzmusik. Eine kurze Zeit lang schien es, als mündete die Entwicklung direkt in einen alles  vereinnahmenden Einheitssound. Doch natürlich geschah, was in solchen Phasen der Musikgeschichte stets geschieht: Konkurrenzdruck und Freiheitsdrang zwangen viele Musiker zu mehr Originalität. In England entstand die Beatmusik, deren Speerspitze die Beatles und die Rolling Stones bildeten. Währenddessen war in den USA aus dem Rhythm and Blues (dessen weiße Spielart der Rock 'n' Roll war), der Soul hervorgegangen. Einer seiner Hauptvertreter, der vor Energie überschäumende James Brown, ließ seine Band so lange mit groovenden Rhythmen experimentieren, bis aus deren Soul schließlich Funk wurde.


Der Folk wurde populär

In den frühen Sechzigern hatten Interpreten wie Joan Baez und Bob Dylan dem Folk zu größerer Bedeutung verholfen. Dieser bildete bald neben dem Beat eine wesentliche Grundlage der Hippiemusik. Ebenfalls nicht ohne Einfluss auf diese spirituell und pazifistisch orientierte Bewegung blieb der Free Jazz des Saxophonisten John Coltrane, dessen Meisterwerk "A Love Supreme" schon 1964 wie ein Vorbote der Flower Power wirkte, während seine späteren esoterisch anmutenden Aufnahmen mit exzessiven Soli aufwarteten, deren musikalische Radikalität auf Jahre hinaus keine Rockband der 60er übertraf. Nicht ohne Grund bezeichnete auch selbst Jimi Hendrix den 1967 verstorbenen Coltrane als sein größtes Vorbild. In Form der Surfmusik dauerte der Rock 'n' Roll noch bis in die Mitte der Sechziger an. Ihre namhaftesten Vertreter, die Beach Boys, erschufen mit den experimentellen und doch sehr harmonischen "Pet Sounds" einen Meilenstein nicht nur des Rock, sondern der gesamten Popmusik. Einen anderen Weg schlug der Musiker, Satiriker und Kulturanarchist in Person Frank Zappa ein.


Tief beeindruckt von Edgar Varèse, einem Vertreter der Neuen Musik (der zeitgenössischen Fortführung der Klassischen Musik), kombinierte er Rockklänge mit neuesten Kompositionstechniken und dadaistischen Elementen, wodurch es ihm immer wieder gelang, sein Publikum zu verwirren. Ebenfalls von der Neuen Musik inspiriert revolutionierte der Free Jazz-Vorreiter Ornette Coleman den Jazz, indem er mit seinem Harmolodic-Konzept eine neue "Musiksprache" schuf.

Summer of Love der 1960er

1964 kam aus dem Beat eine Neuerung, die das Klangbild der Rockmusik für immer prägte. Dave Davies, Gitarrist bei den Kinks, hatte den Lautsprecher seiner Gitarrenbox derart mittels einer Rasierklinge manipuliert, dass er bis dahin ungehörte Klänge von sich gab. Endlich waren wilde und laute Gitarrensoli mit nahe der Schmerzgrenze angesiedelten, lang anhaltenden Tönen möglich. Und der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Ausgehend von San Francisco formierte sich gerade die schon erwähnte Hippiekultur, deren zunächst sanfter Charakter dank diverser chemischer Substanzen wie LSD, Mescalin etc. bald auch psychedelisch-wilde Erscheinungsformen annahm - weswegen später das Bonmot entstand: "Wer sich noch an die Sechziger erinnern kann, hat sie nicht erlebt." Als 1967 die Beatles mit ihrem "Sgt. Pepper"-Album den Summer of Love einläuteten, war es natürlich um den exklusiven Charakter der Hippiekultur geschehen. Aus einer ihrem Selbstverständnis nach von Überzeugungen geleiteten Gemeinschaft wurde eine Massenbewegung, deren Angehörige oft lediglich der Mode folgten.


Was für wahre Hippies Gift war, verhalf der Musik zu neuer Artenvielfalt. Während angenehme Klänge nach wie vor hoch im Kurs standen (als Beispiel sei das formidable "Odessey/Oracle"  der Zombies erwähnt), entdeckte die Avantgarde, allen voran der John Cage-Schüler John Cale, den Reiz des Krachs. Velvet Underground beglückten ihre - noch nicht sehr zahlreiche - Hörerschaft mit Feedback-Orgien, treibenden Rhythmen und wohlorganisiertem Missklang.

Rock & Jazz fusionierte

Wer nach den Wurzeln des Punksounds sucht, wird hier fündig. Im vorhergehenden Jahrzehnt hatte der Messiaen-Schüler Karlheinz Stockhausen elektronisch erzeugte Klänge in seine Werke eingebunden, was viele Musiker tief beeindruckte. Nach der Entwicklung des Moog-Synthesizers im Jahre 1964 dauerte es nicht lange, bis Interpreten fast aller Musikströmungen von dieser Möglichkeit Gebrauch machten. Der Pianist Herbie Hancock, damals bei Miles Davis tätig, trug wesentlich zur Fusion von Jazz und Rock bei, indem er neben Synthesizerklängen auch eine tanzbarere Rhythmik und psychedelische Klangmuster in den Jazz importierte. Umgekehrt ließen sich Rockmusiker vom Jazz inspirieren, wobei sich insbesondere The Cream, Jimi Hendrix und Frank Zappa hervortaten. Andere übernahmen zusätzlich Einflüsse aus der Klassischen Musik und legten so den Grundstein für den Progressivrock.
Schon 1965 hatten The Who in energetischer Hinsicht das Erbe der Kinks angetreten.  Wütender, harter Rock war ein Faktor, mit dem fortan stetig zu rechnen war - nicht zuletzt wegen der fortschreitenden Desillusionierung der Anhänger des Peace-and-Love-Gedankens. Anfang 1968 veröffentlichten Blue Cheer ihr Debüt "Vincebus Eruptum", das erstmals klar erkennbar Elemente des Metal in sich trägt. Den Ausklang der Dekade dominierten neben bluesgeprägten Schwergewichten wie den Doors oder Janis Joplin die Proto-Hardrocker Led Zeppelin.

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