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Filmchronik 1929 - Die erste Oscar-Verleihung
Das filmhistorisch bedeutendste Ereignis des Jahres
1929 war die erste Oscar-Verleihungs-Gala. Die „1st
Annual Academy Awards“-Veranstaltung der „Academy of
Motion Picture Arts and
Sciences“ wurde mit großem
Pomp am 16. Mai 1929 bei einem 270-Gäste-Bankett im
Roosevelt-Hotel in Los Angeles gefeiert. Die sich
rasch zum wichtigsten Jahresereignis des
internationalen, von Hollywood dominierten
Kommerz-Kinos entwickelnde Preis-Verleihung war
Ergebnis der Krise, der sich die US-Filmindustrie am
Ende der 1920er Jahre stellen musste. Der Siegeszug
des Radios als erschwingliches und damit
massentaugliches Unterhaltungsmedium hatte die
Kino-Besucherzahlen dramatisch zurückgehen lassen.
Zudem hatte die wachsende Bedeutung der höhere Löhne
einFordernden Filmarbeiter-Gewerkschaften die
Produktionskosten erheblich steigen lassen. Die „Academy
of Motion Picture Arts and Sciences“ war 1927
nicht als Hochschule - wie ihre Bezeichnung vermuten
ließ -, sondern als eine ehrenamtliche Vereinigung
zur Förderung des Fortschritts in der Kinoindustrie
gegründet worden, um der Filmkrise zu begegnen. Zu
den 36 Gründungsmitgliedern gehörten Filmgrößen wie
die Leinwandstars Douglas Fairbanks, Mary PickFord
und Harold Lloyd, Regisseure wie Raoul Walsh und
Cecil B. DeMille sowie Studiobosse wie Louis B.
Mayer und Harry Warner. Alljährlich sollten in
ausgewählten Fachsparten Preistrophäen in Gestalt
knapp 35 cm hoher, vergoldeter Statuetten
medienwirksam für filmische Leistungen des Vorjahres
vergeben werden. Etwa ab 1931 hatte sich für die
offiziell als „Academy Award of Merit“ bezeichnete
Trophäe der Name „Oscar“ allgemein eingebürgert. In
der Kategorie „Bester Film“ erhielt der
Kriegsfliegerfilm „Wings“, in dem
Gary Cooper in
einer kleinen Nebenrolle zu sehen war, 1929 den Academy Award. Als „Beste Hauptdarsteller“ wurden
Janet Gaynor und Emil Jannings ausgezeichnet.
Einen Oscar, obwohl von vielen Kritikern als bester
surrealistischer Film aller Zeiten eingestuft, hat
Luis Buñuels „Un chien andalou“ („Ein andalusischer
Hund“) nie bekommen. Beim in enger Zusammenarbeit
mit
Salvador Dali entstandenen, 1929 in
Paris
uraufgeführten 16-Minuten-Stummfilm wurde im
Vorspann ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur
solche Szenen in den Film aufgenommen worden waren,
die nichts symbolisieren und die keine
Erklärungsmöglichkeit anbieten. So allein gelassen,
sah sich der Zuschauer einer Salve
verstörend-nihilistischer Eindrücke ausgeliefert. Zu
den in späteren Filmen häufig zitierten Szenen
gehörten das berühmte Aufschlitzen eines die
Zuschauer ansehenden Auges mit einem Rasiermesser,
das Wimmeln von Ameisen in einem Handteller und zwei
zusammen mit einem Eselskadaver an Seilen hängende
Priester. Buñuel und Dali wollten das Vertrauen der
Zuschauer in Realität und Sicherheit erschüttern.
„Ein andalusischer Hund“ wurde sowohl zum
Skandalfilm als auch zu einem Lieblingsstreifen der
Intellektuellenszene.
Ebenfalls phantastisch, aber mit den Sinnen
wesentlich leichter fassbar, war Regisseur Fritz
Langs letzter Stummfilm „Frau im Mond“. In dem
abenteuerlichen, frühen SF-Film, bei dessen
Uraufführung in Berlin Albert Einstein zum
Premierenpublikum gehörte, erlebten Hauptdarsteller
Willy Fritsch und Gerda Maurus handfeste Abenteuer
auf dem Mond. Der künstlerisch eher mäßige Film ging
wegen seiner innovativen Trickeffekte in die
Filmgeschichte ein.
Ein anderer deutscher Spielfilm des Jahres 1929
spielte in der Welt des Rennsports. In einer
rasanten
Story um schnelle Autos und große Gefühle
festigte
Hans Albers seinen Ruf als Womanizer und
„Hoppla, jetzt komm´ ich“-Abenteurer. Filmhistorisch
von Bedeutung wurde „Die Nacht gehört uns“ aber vor
allem als einer der ersten technisch ausgereiften
Tonfilme.
Auch in Großbritannien kamen 1929 vermehrt Tonfilme
auf dem Markt. Die Produktion von Alfred Hitchcocks
Krimi „Blackmail“ („Erpressung“) mit Max Schmelings
späterer Ehefrau Anny Ondra in der Hauptrolle, war
als Stummfilm-Dreharbeit begonnen worden. Die
Produzenten machten dann aus „Blackmail“ Englands
ersten abendfüllenden Tonfilm. Es wurde aber auch
eine, wegen der noch geringen Dichte an
tonfilmtauglichen Kinos kommerziell erfolgreichere,
Stummfilm-Version produziert. Die in Prag
aufgewachsene Anny Ondra, die einen starken
tschechischen Akzent hatte, wurde in „Blackmail“ als
welterste Fimschauspielerin synchronisiert.
1929 kam auch das erste das Titanic-Untergangsdrama
von
1912 in die Kinos. „Atlantik“ war der erste
Tonfilm in deutscher Sprache. Er war aber eine
britische Produktion. Regisseur Ewald André Dupont
hatte parallel drei Versionen des Films
in London
gedreht: „Atlantik“ (deutsch), „Atlantic“ (englisch)
und „Atlantis“ (französisch). Viele Szenen wurden in
den jeweiligen Sprachversionen von anderen
Schauspielern dargestellt. In der deutschen Variante
des technisch eindrucksvollen Katastrophenfilms, der
zu den kommerziell lukrativsten Produktionen im
Kinojahr 1929/30 wurde, spielte Fritz Kortner die
Hauptrolle.
Die spätere NS-Ikone
Leni Riefenstahl stellte in dem
dramatischen Bergfilm „Die weiße Hölle vom Piz Palü“
(Regie: Arnold Fanck und Georg Wilhelm Pabst) an der
Seite von Film-Ehemann Gustav Diessl eine wackere
Gipfelstürmerin dar. Jener Stummfilm wurde vor allem
wegen der faszinierenden Naturaufnahmen zum großen
Erfolg.
Judy Garland gab ihr Filmdebüt in The Big
Revue.
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