1920
1921
1922
1923
1924
1925
1926
1927
1928
1929
Filmchronik 1928 - Tonfilm kontra Stummfilm
Obwohl der Tonfilm bereits 1927 mit „The Jazz
Singer“ begonnen hatte, seinen endgültigen Siegeszug
anzutreten, waren die meisten 1928 erstaufgeführten
Kinofilme weiterhin Stummfilme. Das galt allerdings
nicht für „Steamboat Willie“, dem ersten vertonten
Zeichentrickfilm, der ein breites Publikum
erreichte, und der der erste große
Walt-Disney-Erfolg war. Star des von Ub Iwerks
animierten, knapp acht Minuten langen Filmchens war
Mickey Mouse („Micky Maus“), dem Walt Disney die
Stimme lieh, und
der Minnie Mouse erfolgreich vor den Nachstellungen
von Black Pete („Kater Karlo“) beschützte.
Tonlos war dagegen der „Alte Fritz“, der letzte
Stummfilm der stramm patriotischen „Fridericus-Rex“-Reihe,
in der Otto Gebühr in gewohnt martialischer Manier
das Idol der Rechtskonservativen, den Preußenkönig
Friedrich II., gab. Stimmlos war auch das
sowjetische Revolutions-Epos „Oktabr“ („Oktober.
Zehn Tage, die die Welt erschütterten“), das
Regisseur Sergej Eisenstein zum 10-Jahres-Jubiläum
der Oktober-Revolution 1917 nach der Buchvorlage des
US-Amerikaners und Revolutions-Augenzeugen John Reed
gedreht hatte. Die an Originalschauplätzen
inszenierten Massenszenen gerieten so authentisch,
dass sie später häufig in Dokumentarfilmen als
vermeintlich zeitgenössisches Wochenschau-Material
verwendet wurden. Die für 1927 geplante Uraufführung
des Films verzögerte sich, weil Eisenstein nach der
Entmachtung Trotzkis durch Stalin 1927 auf Befehl
der Parteizentrale den wichtigen Beitrag Trotzkis
zur Revolution unterschlagen und entsprechende
Szenen nachdrehen musste.
Mit sowjetischer Macht hatte auch der
Greta-Garbo-Film „The Mysterious Lady“ („Krieg im
Dunkel“) zu tun. US-Regisseur Fred Niblo ließ die
schöne Schwedin als russische Spionin reichlich
unterkühlte Erotik ausstrahlen und förderte damit
den Star-Status der Garbo weiter. Ein anderer
Großstar der 1920er Jahre, der Brite Charlie
Chaplin, war 1928 im Erfolgsfilm „The Circus“ („Der
Zirkus“) wieder einmal in seiner Paraderolle als
Tramp zu sehen. Für diese Slapstick-Komödie, bei der
Chaplin auch Regie führte, das Drehbuch geschrieben
hatte, Produzent war und den Schnitt besorgte, bekam
er 1929 bei der weltersten Oscar-Verleihung einen
Ehren-Oscar. Er war auch für den noch begehrteren
Oscar als „Bester
Hauptdarsteller“ nominiert
gewesen; diese Ehre wurde aber dann dem Deutschen
Emil Jannings zuteil. Jannings hatte unter der Regie
des
Österreichers Josef von Sternberg im
Hollywood-Stummfilm „The Last Command“ („Sein
letzter Befehl“) einen abgewirtschafteten
Exil-Adligen gespielt, der zur Zarenzeit ein
mächtiger General gewesen war und sich im
kalifornischen Exil als Statist durchschlagen
musste. Als er in einem Historienfilm einen General
in der Schlacht spielen sollte, verlor er den Sinn
für die Realität, glaubte sich tatsächlich wieder
aufs Schlachtfeld zurückversetzt und starb
schließlich, meisterhaft von Jannings dargestellt,
bei seiner letzten Befehlsausgabe an psychischer
Überanstrengung.
Ein US-Drama anderer Art war King Vidors „Ein Mensch
der Masse“ („The Crowd“). Dieser Stummfilm
unterschied sich von den üblichen Hollywood-Filmen
durch den Versuch, die Lebenssituation der
Normalbürger in der kalten Massengesellschaft der
USA realistisch darzustellen. Am Beispiel des im
Millionen-Ameisenheer der New Yorker
Büro-Angestellten beinahe untergehenden John (James
Murray) zeigte Regisseur King Vidor die für die
allermeisten Amerikaner relevante triste
Wirklichkeit des „Amerikanischen Traums“.
Bein deutschen Publikum ausgesprochen erfolgreich
war im Jahr 1928 der utopische Stummfilm „Alraune“,
bei dem es, eingepackt in eine phantastische
Geschichte, um das hochmoderne Thema „Künstliche
Befruchtung“ ging. Die Titelrolle spielte Brigitte
Helm an der Seite von Paul Wegener. Ebenfalls zu
einem deutschen Publikumsfilm wurde Fritz Langs
„Spione“, auch noch ein Stummfilm. Die UFA hatte dem
Regisseur nach dem finanziellen Debakel mit Langs
„Metropolis“ (1927) nur ein vergleichsweise kleines
Budget eingeräumt. Der konventionell konstruierte
und handwerklich solide gemachte Agenten-Film mit
dem neuem UFA-Star Gerda Maurus in der weiblichen
Hauptrolle war ein wirtschaftlicher Erfolg und
festigte Langs Stellung bei der UFA.
<< Kinojahr 1927
|
Kinojahr
1929 >>