Biografie
Hans Filbinger Lebenslauf
Der CDU-Politiker Hans Filbinger (1913 – 2007)
stand von 1966 bis 1978 als Ministerpräsident an der
Spitze der
baden-württembergischen Landesregierung.
Die nach ihm benannte, mit Schlagworten wie
„Furchtbarer Jurist“ und “Geschmähte Generation“
verbundene „Filbinger-Affäre“ löste ab
1978 eine
emotionsgeladene bundesweite Debatte über Filbingers
Rolle während der NS-Zeit aus.
Hans Karl Filbinger kam am
15. September 1913 als
Sohn eines Bankangestellten in Mannheim auf die
Welt. Einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend
verbrachte Filbinger auf dem Bauernhof der Eltern
seiner Mutter Luise geb. Schnurr im südbadischen
Dorf Sasbach. Sasbach und Umgebung bezeichnete
Filbinger später als seine eigentliche Heimat. Der
betont katholisch erzogene Filbinger studierte im
Anschluss an sein Abitur von 1933 bis
1937 Jura in
Freiburg im Breisgau und in
München. Es folgten nach
der ersten Staatsprüfung Referendariat und
Promotion. 1940 schloss Filbinger seine Ausbildung
mit der zweiten Staatsprüfung ab. Filbinger, der
1933 in den NS-Studentenbund eingetreten war, wurde
1937 auch
Parteimitglied der NSDAP. Von 1933 bis
1937 hatte ein allgemeiner Aufnahmestopp für
Neumitglieder bestanden.
Im Sommer
1940 wurde der sich freiwillig zur
Kriegsmarine meldende Jurist eingezogen. Nach
entsprechenden Lehrgängen erfolgte 1943 die
Ernennung zum Kriegsgerichtsrat (ab 1944
Stabsrichter). In dieser Stellung war er als
Anklagevertreter beziehungsweise als Richter in
mindestens zweihundert Kriegsgerichtsverfahren in
Deutschland und
Norwegen tätig. Darunter auch vier
Verfahren, die mit Todesurteilen endeten.
Nach kurzer britischer Kriegsgefangenschaft ließ
sich Filbinger in Freiburg als Rechtsanwalt nieder.
Er heiratete 1950 die Volkswirtin Ingeborg Breuer
(1921 - 2008). Das Paar bekam fünf Kinder. Politisch
engagierte sich Filbinger seit 1951
als Mitglied in
der CDU. Er bekleidete u. a. die Ämter eines
Stadtrats in Freiburg und eines Staatsrats in der
Landesregierung.
1960 in den Landtag gewählt, machte
ihn
Ministerpräsident Kiesinger im selben Jahr zum
Innenminister. Er profilierte sich in dieser
Stellung als wertkonservativer Law-and-Order-Minister.
1966 gelang Filbinger in Nachfolge für den zum
Bundeskanzler gewählten Kiesinger der Aufstieg zum
Ministerpräsidenten. In seinen beiden ersten
Kabinetten musste Filbinger im Rahmen einer Großen
Koalition noch mit SPD-Ministern zusammenarbeiten.
Nachdem die
CDU aber bei den
Landtagswahlen 1972 mit
52,9 % der Stimmen die absolute Mehrheit der Sitze
erringen konnte, war Filbinger nicht mehr auf einen
Koalitionspartner angewiesen. Diese Stellung konnte
er
1976 nach einem polarisierenden, vor allem gegen
die von Erhard Eppler geführte Landes-SPD
gerichteten Wahlkampf (“Freiheit oder Sozialismus“)
ausbauen. Mit 56,7 % der Stimmen errang Filbinger
ein Rekordwahlergebnis.
Sein nicht selten als „patriarchalisch-jovial“
bezeichneter Führungsstil betonte Heimatgefühl,
Leistungsbereitschaft und Pflichterfüllung als
Werte. Neben diesem Wertkonservativismus war aber
auch Reformwille ein Merkmal der Regierungszeit von
Filbinger. So setzte er eine Verwaltungsreform sowie
die lange überfällige Abschaffung der
Konfessionsschulen durch. Den Widerstand der
katholischen Oberen gegen diese Reform konnte er
weitgehend versöhnlich mit dem Versprechen
staatlicher Förderung für katholische Privatschulen
aufbrechen. Andere Reformen von Filbingers
Bildungspolitik führten dazu, dass
Baden-Württemberg
zu dem Land mit den meisten Hochschulen in der
Bundesrepublik wurde. Andererseits beschnitt er 1977
im Zuge rigider Maßnahmen zur Abwehr tatsächlicher
oder vermuteter Gefahren durch die
Terrororganisation „Rote Armee Fraktion, (RAF)“
Autonomie-Rechte der Studenten an den Hochschulen.
Dass Filbinger, der von
1971 bis
1979
CDU-Landesvorsitzender in seinem Bundesland war, dem
rechten Flügel seiner Partei zuzurechnen war, wurde
besonders deutlich bei seiner harten Umsetzung des
1972 bundesweit in Kraft getretenen
Radikalenerlasses. Diese Rechtsvorschrift sollte die
Aufnahme von Links- und Rechtsextremisten in den
Öffentlichen Dienst verhindern.
Filbinger hat wesentlich zur Entwicklung der
Anti-Atomkraft-Bewegung beigetragen. Er wollte den
Ausbau der umstrittenen Kernenergie im Land durch
den Bau von 13 neuen AKWs forcieren. Dadurch rief er
nicht nur den Widerstand von eher linksorientierten
Öko-Gruppen hervor, sondern auch den Protest breiter
bürgerlicher und ländlicher Schichten. Das massive
Vorgehen der Polizei gegen die Besetzer eines
AKW-Bauplatzes in Wyhl 1975 wurde zu einem wichtigen
Symbol des Anti-AKW-Protestes.
1978 führte ein Artikel in der Wochenzeitung DIE
ZEIT, in dem Morde an Polen durch deutsche
Amtsträger im Zweiten Weltkrieg thematisiert worden
waren, letztendlich zum politischen Fall von
Filbinger. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth hatte am
17. Februar 1978 mit dem Artikel „Schwierigkeiten,
die wahre Geschichte zu erzählen“ Baden-Württemberg
als ein Land kritisiert, wo mutmaßliche NS-Täter
gedeckt worden seien. Und das sei, so Hochhuth, kein
Wunder, da ja Filbinger in der Nazi-Zeit selbst ein
„furchtbarer Jurist“ gewesen sei. Vermutlich sei er
nur deshalb auf freiem Fuß geblieben, weil andere
geschwiegen hätten.
Filbingers Staatskanzlei ging mit einer
Unterlassungsklage gegen diese beiden Behauptungen
vor. Das Gericht verbot zwar die Weiterwendung der
„Freien Fuß“-Behauptung, sah dagegen den
„Furchtbaren Juristen“ als von der Meinungsfreiheit
gedeckte Behauptung an. Aus diesem Fall entwickelt
sich eine große öffentliche Diskussion um Filbingers
Rolle während der NS-Zeit, insbesondere während
seiner Jahre als Marinerichter. Filbinger versuchte
seine Beteiligung als Teil der Wehrmachtsjustiz zu
rechtfertigen und den Vorwurf, Nazi gewesen zu sein,
zu entkräften. Im Laufe der Debatte wurden ihm
absichtliche oder versehentliche Falschbehauptungen
vorgeworfen. Zudem sorgte der ihm zugeschriebene,
möglicherweise falsch zitierte Ausspruch „Was damals
rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!“ für
erhebliche Empörung. Als auch in der eigenen Partei
immer mehr Stimmen laut wurden, die einen Rücktritt
Filbingers vom Ministerpräsidenten-Posten forderten,
zog Filbinger schließlich die Konsequenzen und trat
am
7. August 1978 zurück. Im Jahr darauf gab er auch
das Amt des CDU-Landesvorsitzenden auf.
In den nächsten drei Jahrzehnten versuchte Filbinger
u. a. als Gründer des ultrakonservativen
Studienzentrums Weikersheim (
1979) sowie durch die
Veröffentlichung des Buches „Die geschmähte
Generation“ (1994) Denkansätze zu fördern, die von
Kritikern als „geschichtsrevisionistisch“ im Sinne
einer Freisprechung von NS-Mitläufern und -tätern
gewertet wurden.
Hans Karl Filbinger ist am
1. April 2007 in seinem
Wohnhaus in Freiburg im Kreis seiner Familie
gestorben. Er wurde 93 Jahre alt.
Hans Filbinger
Seiten
Hans Filbinger
Bücher