Politik 1972 – Attentat auf israelische Sportler bei der
Olympiade
Den Beziehungen der beiden deutschen Staaten tat die
Rede des im letzten Jahr neu eingesetzten
DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker nicht
sonderlich gut. Er hatte in einer Rede vor Soldaten der
Nationalen Volksarmee (NVA) die Bundesrepublik als
„imperialistisches Ausland“ bezeichnet. Im selben Jahr
wurden seitens der DDR Sperrzonen und Schutzstreifen zur
Verteidigung der „Staatsgrenze West“ in der DDR
festgelegt. Durch neue Bestimmungen war es nun den
Grenztruppen der DDR erlaubt, Schusswaffen zu
gebrauchen.
In der Bundesrepublik war zu Beginn des Jahres 1972 der
sogenannte „Radikalenerlass“ ergangen, nach dem Beamte
nicht Mitglied in einer extremistischen Organisation
sein durften.
Zuvor war eine großangelegte, bundesweite Fahndung nach
Mitgliedern der RAF ohne jeglichen Erfolg gescheitert.
Die Polizei hatte in einer Suchaktion mit tausenden
Beamten in Großstädten und auf Autobahnen Kontrollen
durchgeführt, die nichts erbrachte.
Der
Bundeskanzler Willy Brandt nahm sich des Themas an
und hielt eine Ansprache, in der er an die Bevölkerung
der Bundesrepublik und an die Sicherheitsorgane im Land
appellierte, dem Terrorismus in der BRD Einhalt zu
gebieten.
Die RAF wütete ungeachtet dessen brutal weiter. Im Mai
wurde von der Roten-Armee-Fraktion ein Bombenanschlag
auf das im IG-Farben-Haus in Frankfurt am Main
stationierte 5. US-Korps verübt, bei dem ein Mensch ums
Leben kam. Weitere 13 Menschen wurden schwer verletzt.
Zu dem Attentat hatte sich das „Kommando Schelm“ der RAF
bekannt. Wenige Tage später wurde das Auto von
Bundesrichter Wolfgang Buddenberg in die Luft gesprengt.
Buddenberg hatte Ermittlungen gegen
die RAF geführt.
Ebenfalls im Mai verübte die RAF einen Anschlag auf das
Springer-Haus in Hamburg und wenige Tage danach war in
Heidelberg gleichfalls ein Anschlag auf das europäische
Hauptquartier der US-Armee dem Konto eines RAF-Kommandos
zuzuschreiben. Weiter ging es im Juni. Da kam es in
Frankfurt am Main zu einem längeren Schusswechsel
zwischen Terroristen der RAF und der Frankfurter
Polizei. Dabei war einer der Terroristen, Andreas
Baader, verletzt worden. Er,
Holger Meins und Jan Carl
Respe wurden daraufhin verhaftet. Die RAF-Terroristin
Gudrun Ensslin wurde nach einigen von der Hamburger
Polizei festgenommen. Und eine Woche danach wurde die
führende RAF-Terroristin
Ulrike Meinhof von der Polizei
in Hannover aufgegriffen und festgenommen.
Die zahlreichen Aktionen und Anschläge machten der
Politik der BRD schwer zu schaffen. Im April hatte die
sozial-liberale Koalition die absolute Mehrheit im
Bundestag verloren. Der Grund war der Parteiaustritt des
FDP-Politikers Wilhelm Helms. Das „Konstruktive
Misstrauensvotum“ von CDU/CSU hatte Ende des Monats um
zwei Stimmen knapp die notwendige Mehrheit verloren. Das
Votum hatte sich gegen den amtierenden Bundeskanzler
Willy Brandt gerichtet. Im Herbst stellte Brandt dann
die Vertrauensfrage, bei der sich eine Mehrheit von 248
Stimmen gegen ihn entschied. Am selben Tag wurde der
Bundestag von
Bundespräsident Gustav Heinemann aufgelöst
und damit war der Weg zu Neuwahlen frei.
Die vorgezogenen Neuwahlen fanden am 19. November 1972
statt. Dabei hatte die SPD die meisten Stimmen erzielt.
Es kam zu Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und
der FDP. Die Koalition hatte die absolute Mehrheit der
Wählerstimmen und erreichte im Bundestag eine
klare
Mehrheit. Auf die SPD entfielen 45,8 Prozent (ein Plus
von 3,1 Punkten im Vergleich zur Wahl 1969), die CDU/CSU
kam auf 44,9 Prozent (ein Minus von 1,2 Punkten).
Koalitionspartner FDP kam auf 8,4 Prozent der Stimmen,
das war ein Zuwachs von 2,6 Punkten. Die sozial-liberale
Regierung unter Willy Brandt war wieder völlig
handlungsfähig und wählte im Dezember Brandt erneut zum
Bundeskanzler. Walter Scheel blieb Außenminister und
Vizekanzler der Bundesrepublik. Erstmals war mit
Annemarie Renger eine Frau zur Bundestagspräsidentin
gewählt worden. Sie war zugleich das erste SPD-Mitglied
in diesem Amt. Brandt, der noch vor wenigen Monaten
beinahe gestürzt worden war, konnte nach dem
Wahl-Triumph gestärkt weiter regieren, seine neue
Ostpolitik fortsetzen und innenpolitische Reformen
durchsetzen.
Die politischen Ereignis wurden von dem Anschlag
überschattet, den palästinensische Terroristen der
Organisation „Schwarzer September“ auf die
israelische
Olympiamannschaft in München verübten, bei dem die
Sportler als Geiseln genommen wurden. Bei dem Versuch
der Polizei, die israelischen Geiseln zu befreien, kamen
fünf Terroristen und elf Geiseln ums Leben. Aufgrund
dieser dramatischen Ereignisse kam es auf Beschluss des
Bundesinnenministers
Hans-Dietrich Genscher zur
Aufstellung einer neuen Spezialtruppe des
Bundesgrenzschutzes, der GSG9.
Im Oktober, drei Wochen vor der Wahl, hatte dann ein
PLO-Kommando eine Lufthansa-Maschine entführt, womit die
Kidnapper die Freilassung jener drei Attentäter
erzwingen wollten, die den katastrophal fehlgeschlagenen
Versuch, die israelischen Geiseln zu befreien, überlebt
hatten. Die Bundesregierung gab nach, tauschte die
arabischen Entführer gegen die israelischen Geiseln und
provozierte damit massive antideutsche Reaktionen in
Israel.
In der DDR ging es politisch etwas ruhiger zu. Der
Staatsrat der DDR hatte im Oktober eine Amnestie für
politische Straftäter ausgesprochen. Schon im Vorfeld
waren viele Häftlinge in die BRD entlassen worden
(basierend auf dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag).
Ihnen wurde die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen,
womit die strafrechtliche Verfolgung eingestellt war.
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