Biografie Kurt Georg Kiesinger Lebenslauf
Unter den bisher amtierenden
Bundeskanzlern ist Kurt Georg Kiesinger sicherlich
derjenige, über den heute am wenigsten gesprochen
wird. Man erkennt ihn durchaus als großen Politiker
an, doch ein wenig zu blass war seine Erscheinung
nicht nur gegenüber dem markanten Auftreten seiner
Vorgänger und Nachfolger, sondern auch im Vergleich
mit den dramatischen Umwälzungen während seiner
kurzen Regierungszeit.
Geboren wurde er am
6. April 1904 in Albstadt-Ebingen. Nach
einem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften
arbeitete er ab 1931 als Rechtsanwalt in Berlin.
Hier unterlief ihm die größte Fehleinschätzung
seines Lebens, die bis heute das Bild Kiesingers
zumindest in politisch linken Kreisen
prägt: Er trat im Februar 1933 der NSDAP bei. Dies
war ganz offensichtlich ein
Ausdruck seiner Begeisterung über
die Machtergreifung der nationalsozialistischen
Bewegung. Inzwischen weiß man, dass für ihn recht
schnell die Ernüchterung folgte, als er erfuhr, wie
brutal das Regime mit Widersachern, auch in den
eigenen Reihen, umging. Es mag sein, dass er hier
ein Gefühl für immer verlor, das so manchem Menschen
Kompromisslosigkeit und ein "klares Profil"
verschafft: das Gefühl, ohne Wenn und Aber (und ohne
sich bald wieder bewegen zu müssen) auf der
richtigen Seite zu stehen.
Von da an mied er das System weitgehend: Er gab
seinen Plan, in den Staatsdienst zu treten, auf, um
sich nicht dem NS-Rechtswahrerbund anschließen zu
müssen. Erst 1940, als er zur Wehrmacht einberufen
werden sollte, begab er sich statt dessen in die
"Obhut" des Reichsaußenministeriums, wo er bald die
Überwachung des ausländischen Rundfunks leitete.
Davon abgesehen, dass er - wie missgünstige Kollegen
in einem Protokoll seiner Dienststelle vermerkten -
mehrere antijüdische Propagandaaktionen verhinderte,
lässt sich resümierend feststellen, dass Kiesinger
den Problemen dieser Zeit, so weit er konnte, aus
dem Weg gegangen war. Sein auf Ausgleich
ausgerichtetes Naturell ließ wohl weder reines
Mitläufertum (oder gar bedingungslose Unterstützung
des Regimes) noch umfassenden Widerstand zu.
Im Herbst 1945 kam er auf Grund einer Verwechslung
für mehrere Monate ins Ludwigsburger
Internierungslager, wo er, sozusagen als
freiwilliger Lehrer, seinen Mitgefangenen die
Grundlagen der Demokratie vermittelte. Dennoch hatte
er jahrelang zu kämpfen, um formell von seinem
Status als NS-Mitläufer loszukommen. Es enttäuschte
ihn bitter, dass es für weitaus treuere Parteigänger
Hitlers erstaunlich leicht war, statt als Täter nur
als Mitläufer eingestuft zu werden. Währenddessen
wurde er Mitglied der CDU, bei der er schnell in
höhere Positionen gelangte. Ausschlaggebend hierfür
waren seine überragenden rhetorischen Fähigkeiten,
die seiner Partei ab 1949 im Bundestag sehr nützlich
waren. Allerdings kostete ihn seine
kompromissbereite Haltung gegenüber der
SPD - später
nannte man ihn
spöttisch einen "wandelnden
Vermittlungsausschuss" - wichtige Sympathiepunkte,
so dass ihm ein Ministeramt verwehrt blieb. Statt
dessen kandidierte er 1958 in seinem
Heimat-Bundesland Baden-Württemberg, um dessen
Gründung er sich bereits verdient gemacht hatte,
erfolgreich für den Posten des Ministerpräsidenten.
Als Ludwig Erhard
1966 durch den Rücktritt mehrerer
Minister, die der FDP angehörten, stark an
Regierungsfähigkeit einbüßte, wollte die CDU nicht
abwarten, ob die Lage sich wieder stabilisiert. Und
so wurde Kurt Georg Kiesinger, tatkräftig
unterstützt durch
Helmut Kohl, zum Kanzlerkandidaten gekürt.
Dieser konnte nun, nachdem er Verhandlungen mit der
FDP ergebnislos abbrach, seinen schon lange gehegten
Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit der SPD in die
Tat umsetzen und eine Große Koalition bilden. Trotz
dieser für viele schmerzhaften Überraschung wurde
er, obwohl ihm ebenso wie seinem Vorgänger die
persönliche Zustimmung Adenauers fehlte, zum
Bundeskanzler gewählt.
Die Zusammenarbeit mit der durch Vizekanzler
Willy Brandt
repräsentierten SPD gestaltete sich schwierig, zumal
die im Zuge der Studentenrevolte entstehende
Außerparlamentarische Opposition sich der
staatlichen Autorität öffentlichkeitswirksam
entgegenstellte. Zwar brachte die Große Koalition
viele wichtige Reformen in sozialen Bereichen und
besonders im Hochschulwesen auf den Weg, doch
hauptsächlich sind die umstrittenen Notstandsgesetze
von 1968 in Erinnerung geblieben, die behördliche
Befugnisse in Krisensituationen festlegen sollten.
Im selben Jahr sorgte die Journalistin Beate
Klarsfeld für einen Eklat, als sie den bei der
Bevölkerung sehr beliebten Kiesinger als Nazi
beschimpfte und ihn auf dem CDU-Parteitag öffentlich
ohrfeigte.
Dass der frühere Koalitionspartner FDP sich 1969
nach der Bundestagswahl den Sozialdemokraten
zuwandte und damit die Reihe konservativer
Regierungen abbrechen ließ, bedeutete für Kurt Georg
Kiesinger eine schwere Enttäuschung. 1980
kandidierte er nicht erneut für den Bundestag,
sondern zog sich ins Private zurück. Er verstarb am 9. März 1988 in Tübingen.
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