Politik 1976 – Bundeskanzler Helmut Schmidt
Im Februar hatte die Mehrheit der CDU und der CSU
ihre Zustimmung für den sogenannten
„Radikalenerlass“ im Bundesrat verweigert. Zwischen
den Bundesländern sollte zukünftig einzeln
ausgehandelt werden, ob Beamten die Mitgliedschaft
in extremistischen Organisationen erlaubt werde.
Die Reform des Strafvollzugsgesetzes in der
Bundesrepublik ging am 16. März reibungslos über die
Bühne. Dadurch sollten die
Resozialisierungsmöglichkeiten für Gefangene
verstärkt werden.
Es war keine Aprilscherz, auch wenn das Datum dies
vermuten ließ. Das neue Bundeskanzleramt wurde an
den ersten „Hausherren“, Bundeskanzler Helmut
Schmidt, übergeben. Wenige Tage später wurde ein
Änderungsgesetz des Strafrechts der BRD
verabschiedet, das die Verbreitung und den Bezug von
Schriften, die Straftaten befürworteten, verbot.
Ein neues Gebäude wurde auch in der DDR eingeweiht,
in dem die Volkskammer künftig ihren
Sitz haben
sollte – der Palast der Republik in Berlin. Nicht
lange danach fand dort der 9. Parteitag der SED
statt, auf dem ein neues Parteiprogramm- und Statut
eingeführt wurden. Erich Honecker wurde zum
Generalsekretär der SED ernannt. Und weil alles so
„schön und gut“ in der DDR war, erhielten die von
der Einheitspartei angeführten sogenannten
Block-Parteien eine absolute Mehrheit von 99.86
Prozent der Stimmen.
Dass in der Bundesrepublik nicht alles so gut war,
zeigte ein bundesweiter Streik der Druckindustrie,
der am 30. April begann und durch den zahlreiche
Zeitschriften und Zeitungen über mehrere Tage nicht
herausgebracht werden konnten.
Und wieder gab es Schlagzeilen von der RAF. Am 9.
Mai war das inhaftierte und führende Mitglied der
RAF, Ulrike Meinhof, in ihrer Zelle erhängt
aufgefunden worden. Diese Tatsache hatte in der
Bundesrepublik und auch im Ausland aufgrund des
Verdachts auf Mitschuld der Polizei und des Staates
zu Protestkundgebungen und Ausschreitungen geführt.
Das Jahr 1976 war wieder ein Wahljahr. Am 3. Oktober
fanden in der Bundesrepublik die 8. Bundestagswahlen
statt. Die CDU/CSU hatte einen erheblichen
Stimmengewinn zu verzeichnen und erhielt die höchste
Stimmzahl von 48,6 Prozent, dennoch konnte die
sozial-liberale Koalition mit einer gemeinsamen
Mehrheit die Wahl gewinnen. Die SPD hatte 42,6
Prozent der Stimmen erhalten und die FDP 7,9
Prozent. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident
Helmut Kohl legte sein Amt nieder und stieg als
Oppositionsführer im Bundestag ein. Im Dezember
wurde dann der Bundestag neu konstituiert.
Bundestagspräsident wurde Karl Carstens. Der
Bundestag bestätigte Helmut Schmidt erneut in seinem
Amt als Bundeskanzler.
Im November war der ehemalige Bundeskanzler Willy
Brandt, der wegen der Guillaume-Affäre
zurückgetreten war, zum Vorsitzenden der
„Sozialistischen Internationale“ gewählt worden.
Der BRD-Außenminister
Hans-Dietrich Genscher hatte
der UNO-Vollversammlung einen Vorschlag für eine
Anti-Terrorismus-Konvention gemacht, den die
Versammlung angenommen hatte. Darin war unter
anderem vereinbart worden, auf keinen Forderungen
von Geiselnehmern einzugehen.
In der Bundesrepublik hatte man bereits im Sommer
das „Anti-Terrorismus-Gesetz“ verabschiedet. Die
Bildung terroristischer Vereinigungen war damit ein
Bestandteil des Strafgesetzbuches geworden. Ein
Gestz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität war
ebenfalls vom Bundestag beschlossen worden.
In der Beziehung zwischen den beiden deutschen
Staaten kriselte es gewaltig, nachdem in Eschwege
(Hessen), an der deutsch-deutschen Grenze im Juni
zwei Beamte des Bundesgrenzschutzes in die Gewalt
von Grenzsoldaten der DDR geraten waren. Sie hatten
zuvor bei ihrem Streifengang die DDR-Grenze
überschritten. Daraufhin wurden sie drei Tage lang
verhört, bevor man sie wieder frei ließ und in den
Westen abschob. Letztlich hatte es noch weitere
Zwischenfälle an der innerdeutschen Grenze gegeben,
bei denen DDR-Soldaten auch von der Schusswaffe
Gebrauch gemacht hatten. Damit waren die Beziehungen
einmal mehr erheblich belastet worden.
In der Bundesrepublik war es Ende Oktober zu
massiven Demonstrationen und Auseinandersetzungen
mit der Polizei gekommen, als in Brokdorf
(Schleswig-Holstein) gegen den Bau eines
Kernkraftwerks protestiert wurde. Etwa 400 militante
Gegner hatten versucht den Bauplatz zu besetzen.
Daraufhin hatten die Polizisten Wasserwerfer,
Tränengas und Schlagstöcke gegen die Demonstranten
eingesetzt. Einen Monat später war es erneut zu
Ausschreitungen von enormen Ausmaßen zwischen
Kernkraftgegnern und der Polizei gekommen.
<<
Politjahr 1975
|
Politjahr 1977 >>