Politik 1975 – RAF weiterhin aktiv
Dass nach 12 Jahren Pause wieder diplomatische
Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Kuba
aufgenommen wurden, war gewiss eine positive
Schlagzeile.
Anders sah es schon mit den ständigen Nachrichten über
die RAF aus, die noch immer die BRD in Atem hielt. Die
hungernden Häftlinge hatten zwar nach fünf Monaten
Hungerstreik ihre Ziele nicht erreicht, brachen aber
ihre Aktion ab. Diejenigen RAF-Mitglieder, die noch in
Freiheit ihr Unwesen trieben, hatten im April die
BRD-Botschaft in der schwedischen Hauptstadt Stockholm
überfallen. Sie Forderten im Zuge ihrer Geiselnahme die
Freilassung von 26 inhaftierten
Mitgliedern der RAF aus
den westdeutschen Gefängnissen. Als sich die
Bundesregierung weigerte, auf diese Forderungen
einzugehen, wurden zwei Mitglieder der
BRD-Auslandsvertretung getötet. Daraufhin konnten die
restlichen Geiseln von der Polizei befreit werden und
die Terroristen wurden inhaftiert.
Als Folge dieser Ereignisse wurde im Mai das
Bundeskriminalamt (BKA) erweitert. Der Bundestag hatte
dafür eine Terrorismus-Abteilung beschlossen.
In
Stuttgart wurde der Prozess gegen die führenden
RAF-Terroristen Andreas Baader, Jan Carl Raspe, Gudrun
Ensslin und
Ulrike Meinhof eröffnet. Erst drei Monate
danach, im August, wurde endlich die Anklageschrift
verlesen. Diese beinhaltete vierfachen Mord, 54-fachen
Mordversuch, Bombenanschläge sowie die Bildung einer
kriminellen Vereinigung.
Der RAF-Terror ging allerdings weiter. Ebenfalls im
August der Vertreter der jüdischen Gemeinde, Heinz
Galinski, nur knapp einem Bombenanschlag entgangen, den
die Mitglieder der RAF verübt hatten. Galinski wurde in
einem Bekennerschreiben der RAF als „Agent des
Zionisten-Regimes“ bezeichnet, welches „täglich
tonnenweise Bomben über palästinensischen Lagern
abwirft“.
Terror kam auch von anderen Gruppierungen. Mitglieder
der West-Berliner linksextremistischen Organisation
„Bewegung 2. Juni“, deren Name sich auf den Tod des
Studenten
Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 bezog, hatten
schon im Februar 1975 den West-Berliner CDU-Vorsitzenden
Peter Lorenz entführt. Sie Forderten damit die
Freilassung von ihren Genossen aus der Haft. Daraufhin
hatte die Bundesregierung fünf Gefangene der „Bewegung
2. Juni“ in den Jemen entlassen. Damit wurde der
entführte CDU-Politiker auf freien Fuß gesetzt. Im
September wurden drei mutmaßliche Lorenz-Entführer in
West-Berlin festgenommen. Zwei der Verhafteten wurden
von Peter Lorenz als seine Entführer identifiziert.
Ein Bombenanschlag auf das Gerichtsgebäude in Karlsruhe
im März ging auch auf das Konto der „Frauen der
Revolutionären Zelle“ und war eine Reaktion auf den
zuvor für
verfassungswidrig erklärten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts, eine Fristenlösung für
Abtreibungen zuzulassen. Bei dem Anschlag waren mehrere
Menschen verletzt worden.
Nachdem im Vorjahr Willy Brandt über die
Guillaume-Affäre gestolpert war, wurde der DDR-Spion zum
Ende des Jahres 1975 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Auch
seine Ehefrau erhielt eine Freiheitsstrafe von acht
Jahren.
Im Frühjahr hatte Österreich als erstes westliches Land
die Existenz einer eigenen Staatsbürgerschaft der DDR
anerkannt. Es wurde ein Konsularvertrag zwischen
Österreich und der
DDR unterzeichnet.
Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik war es,
als Verteidigungsminister Georg Laber Anfang Oktober
fünf Ärztinnen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr als
die ersten weiblichen Offiziere der Geschichte begrüßte.
Auch die DDR, die den Gründungstag ihres Landes, den 7.
Oktober erstmals als
Nationalfeiertag beging, hatte
einen Vertrag geschlossen. Und zwar mit der UdSSR über
Zusammenarbeit, gegenseitige Hilfe und Freundschaft mit
einer Laufzeit von 25 Jahren. In dieser Abmachung wurde
zum ersten Mal kein Hinweis auf eine mögliche
Wiedervereinigung beider deutscher Staaten gegeben.
Daran hatte die DDR ohnehin nicht viel Interesse. Die
politischen Interessen der beiden Länder waren im Laufe
der Jahre zu weit auseinandergedriftet.
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