Das Outfit 60er Jahre - Haute Couture ohne
den Mann
Kaum
ein Jahrzehnt endete so komplett anders als es begonnen hatte wie die
1960er-Jahre... politisch, gesellschaftlich und damit verbunden auch
modisch. Als das Jahrzehnt begann, waren Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
noch in vollem Gange. Die Frau stand als Heimchen am Herd, kümmerte sich um
den Nachwuchs und der Mann fungierte als Familienoberhaupt, das für den
Broterwerb verantwortlich zeichnete. Die Geschlechterrollen waren klar
verteilt, der Großteil der Gesellschaft konservativ und bieder. Von
Emanzipation, freier Liebe,
Stones und
Beatles
sowie menschlichen Fußabdrücken auf dem Mond fehlten in den letzten Jahre
der
Adenauer-Ära
noch jede Spur. Die Röcke bedeckten noch adrett die Damenknie und
ordentliche Kurzhaarschnitte zierten die Häupter der Herren. Doch das sollte
sich innerhalb weniger Jahre ändern. Antibaby-Pille, Minirock,
Che Guevara,
Studentenrevolte, Flower Power und
Woodstock
sorgten als die wohl ausschlaggebendsten Faktoren für eine gesellschaftliche
Revolution, die sowohl das Denken und Leben der Menschen als auch deren Art
sich zu kleiden nachhaltig veränderte. Die Sixties waren eine in allen
Belangen stilprägende Dekade.
Bereits zu Beginn des Jahrzehnts folgte ein Doppelschlag. Die Einführung der
Antibaby-Pille 1961 und ein gar nicht mal so großes Kleidungsstück sorgten
für den ersten moralischen Schock bei der älteren Generation. Die
britische Designerin Mary Quant
löste mit ihrem Minirock 1962 ein modisches Erdbeben aus. "Abstoßend,
obszön... ein Skandal", prusteten die empörten Tugendwächter. Der jungen
Generation war das egal. Ganz im Gegenteil, der Mini wurde zur
stoffgewordenen Ikone und durfte in keinem Mädchen- und
Frauen-Kleiderschrank fehlen. Kombiniert mit Mantel, Stiefeln und
Nylonstrumpfhose, die in den 60ern ebenfalls ihren Siegeszug antrat und die
es in zahlreichen Farben und Mustern gab, war der Mini auch
winterkompatibel. Zum Minirock- oder Kleid trug die modebewusste Dame das
Haar gern hochtoupiert. Die Sixties brachten außerdem das erste echte
Supermodel hervor. Ab Mitte des Jahrzehnts wurde Lesley Hornby mit ihrem
androgynen Körper als optischer Gegenentwurf zu den üppig ausgestatteten
Grazien der 50er zum Schönheitsideal erklärt. Fortan galten wenig Busen,
kaum weibliche Kurven und Kurzhaar-Bubikopf als chic und Hornbys
Künstlername "Twiggy" als Inbegriff für ein neues Frauenbild. Die mit der
Antibaby-Pille losgetretene sexuelle Revolution trieb nicht nur
gesellschaftlich, sondern insbesondere in der Mode zahlreiche Früchte. Der
Hosenanzug à la Marlene Dietrich wurde wieder en vogue und Symbol für die
fortschreitende Emanzipation der Frau. Farblich war der Mode jener Tage
keine Grenzen gesetzt - Hauptsache schrill und reich an Kontrasten, am
besten mit futuristischen Mustern. Anstatt tiefer Ausschnitte wurden hohe
Kragen modern und dass Frau wenig Busen hatte, präsentierte sie nicht selten
in transparenten Oberteilen. Der Vietnamkrieg sowie die damit verbundenen
Proteste und die Studentenrevolten sorgten zum Ende des Jahrzehnts für eine
weitere, durch die politisch-gesellschaftliche Entwicklung jener Tage
ausgelöste Modeströmung: Flower-Power. Die Blumenkinder waren pazifistisch,
naturverbunden und antibürgerlich und trugen ihre Lebenseinstellung mit
ihrem Kleidungsstil zur Schau. Lange, weite Röcke mit bunten Blumenmustern
und floralen Applikationen im (wieder) langen Haar, kombiniert mit
durchsichtigen Blusen – alles, was auffiel, wusste zu gefallen. Inspiriert
von den indigenen Völkern Amerikas oder Asiens lebten die Hippies ihren
Traum vom globalen Frieden auch in ihrer Mode frei aus.
Für die Herren begannen die 60er ähnlich bieder und konservativ. Das änderte
sich schon bald durch die sogenannte British Invasion mit Bands wie die
Beatles oder den Rolling Stones. Der Freizeitlook wurde zunehmend legerer,
Hemd und Krawatte wichen Pullovern mit Rollkragen oder V-Ausschnitt. Darüber
hinaus trat die Jeans aus ihrem Schattendasein als Arbeitshose heraus und
etablierte sich sogar geschlechterübergreifend als alltagstaugliches
Beinkleid. Und das am besten mit ordentlich Schlag. Die Beatlemania löste
einen Hype aus, der sich vor allem in Form des berühmten Pilzkopfes
bemerkbar machte. Sowieso wuchs das Haupthaar der Männer stetig mit dem
Jahrzehnt. Auf dem Höhepunkt der Hippiebewegung zum Ende der 60er ähnelten
die Herrenfrisuren denen der Damen. Bloß hatten sie noch mehr Haare im
Gesicht, denn Bärte zierten variantenreich so manches Männergesicht. Eine
beliebte Kombination jener Tage war beispielsweise eine Schlaghose mit weit
geschnittenem Rüschenhemd und buntem Seidenschal. Anzüge hingegen waren eher
figurbetont geschnitten, die Hemden oftmals aus pflegeleichten Nylon und
Polyester. Besonders in der Männermode brachten die 60er einen großen
Wandel. War der Anzug für Herren vorher sowohl im Berufsleben als auch in
der Freizeit ein steter Begleiter, kleidete man(n) sich mit Fortschreiten
der Dekade zunehmend lockerer, individueller und oft auch
der politischen
Gesinnung entsprechend.
Die Modedekade der 60er
Jahre »
Die 60er waren für alle Eltern und Moralapostel
ein Mode-Horror. Das freie Knie war der neue Aufreger in Sachen Mode, wobei
diese neue Beinfreiheit bei jungen Frauen und selbstverständlich den
Männern, zum Entsetzen der älteren Generation, äußerster Beliebtheit
erfreuten und vortan das Straßenbild prägte.
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