Das Modejahr 1965 - Der Sieg des Minirockes

Der Siegeszug des Mini-Rockes war nicht mehr aufzuhalten. Mary Quant zog mit ihren Shows durch Amerika und hatte enormen Erfolg. Die Musik der Beatles und die dünnen Mädchen, die kurze Röcke und Mini-Kleidchen vorführten, begeistern auch in Europa. Sie brachten das neue Lebensgefühl zum Ausdruck, das der Jugend eigen war. Die Mode entsprach diesem Gefühl. Sie war zwar aus einem renommierten Modehaus gekommen, ergriff aber die breite Masse. Popularität hatte sich gegen Auserlesenheit durchgesetzt. Um der Haute Couture nicht vollends den Todesstoß zu versetzen, musste sich die maßgeschneiderte Mode dem Geschmack der Straße unterordnen. In der Pret-à-porter- Kleidung, bei der Maßgefertigtes in die Konfektion kam, gab es nun neben dem Mini-Rock die entsprechenden Hängerkleidchen und auch den Weltraum-Look von Courrèges. Und die Swinging Sixties, wie die 60er Jahre auch genannt wurden, hatten plötzlich ein konkretes Gesicht: Twiggy. Dieses sechzehnjährige Mädchen mit großen Kulleraugen – dünn wie ein Zweiglein, daher der Name – wurde das am meisten gefragte Fotomodell ihrer Zeit und London stieg zum modischen Zentrum der Jugend auf. Das Kultmodel Twiggy führte nicht nur den Mini-Rock vor, sondern auch die PVC-Mode von Mary Quant. Twiggys Gesicht und ihre kurze Fönfrisur waren typisch für frauliche Kindlichkeit, die man allerorts nachahmte. Das Mannequin wurde zum Trend.
Die Haute Couture experimentierte und wagte viel, kämpfte darum, ihren Trend gebenden Platz zu verteidigen. Yves Saint-Laurent ließ sich von dem niederländischen Maler Piet Mondrian inspirieren. Die farbenfrohen, geometrischen Motive fanden großen Nachhall, hatten vor allem einen enormen Wiedererkennungseffekt. Da war Paco Rabanne, der den Beinamen „Klempner“ bekam. Seine Modeentwürfe waren provokant, einfallsreich und schräg. Kein Material war vor ihm sicher. Zu Nadel und Faden gehörten bei ihm stets auch Zange und Lötkolben, um ein Modell zusammen zu setzen. Unkonventionalität, die man beachtete.
Den Weg von der Haute Couture in den Alltag schafften die Kreationen von André Courrèges, dessen Mischung aus Weltraum-Look und optischer Kunst einander bedingte. Die Op-Art war eine Stilrichtung, in der Muster Verwirrungen für das Auge schafften und optische Täuschungen hervorriefen. Futuristisch und schräg – so kamen die Entwürfe an. Das Courrèges-Kostüm erlangte eine Berühmtheit, die zum Kopieren verleitete und so fand dieses zweiteilige Kleidungsstück schnell seinen Weg auf die Straße. Die lose Jacke war zweireihig, der Halsausschnitt war waagerecht, der Rock hatte Querstreifen und die Saumlänge endete 10 cm über dem Knie. Wer dazu weiße, flache Halbstiefel trug, konnte sich des Meisters Wohlwollen sicher sein. Auch die Hosen von Courrèges fanden viele Nachahmer.
Was sich die Haute Couture ausdachte, waren Extreme, die in weniger spektakulärer Art letztendlich in den Läden zu sehen waren. Der Zwischenweg über die Konfektion sorgte für eine entsprechende Tragbarkeit. Allein bei der Saumlänge wurden die vorgegebenen 10 cm nicht so ernst genommen. Es konnten auch 5 cm sein, mit denen ein Kleidungsstück in den Handel kam. Bei den sehr jungen Damen waren die Schulmädchenkleider der Renner: weite, auffallende Kragen, ausgestellte Röcke und weiße Manschetten. Im sportlichen Bereich dominierte das Figur betonende Kostüm in blau-grauen Tönen und mit dem obligatorischen. Samtkragen. Dazu gehörte der enge Hosenrock, der bis an die Knie reichte und zu dem Kniestrümpfe getragen wurden Die jungen Männer wollten aussehen wie die Idole ihrer Zeit. So wurde die Frisur der „Beatles“ ein unverzichtbares Detail, egal, was man sonst noch trug. Die ältere Generation war von diesem Anblick geradezu abgeschreckt, fühlte sich persönlich angegriffen, ohne die Diskussion zu suchen. Sie lehnten das Neue einfach ab. Die Lässigkeit, die dann noch in die sportliche Mode der Jugendlichen einzog, trug nicht minder dazu bei, zumal der eng anliegende Herren-Rollkragenpulli an Hemdes Stelle zum Anzug getragen werden konnte. Die Älteren sahen ihre verlässlichen Werte bedroht. Und dann gingen die jungen Leute auch noch auf die Straße. Etwa 100.000 Menschen waren es allein bei den Ostermärschen. Warum waren sie nur so gegen Atomkraft? Bürgerlichkeit gegen neues Denken. Da geriet nicht nur die Modewelt aus den Fugen.

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