Modejahr 1963 - Sackkleider, schrecklich bequem oder schrecklich und bequem

Das letzte ruhige Modejahr des Jahrzehnts war angebrochen. Es war nicht unbedingt langweilig, denn die Modemacher verzeichneten einen kleinen Sieg, wenn auch einen fragwürdigen: Bequemlichkeit stand über Ideenreichtum. Im Alltag sah das so aus, dass die Damen in bequemen Kleidern herum liefen, die als „Sackkleider“ bekannt wurden. Das klang schlimmer als es war, denn wer die 60er erlebte, der fand sich durchaus schick angezogen. Die bequeme Eleganz bestand darin, dass die Kleider mit ihrer geraden Schnittführung weder Hüfte noch Taille betonten. Frau wollte jedoch ihre femininen Attribute nicht gänzlich verstecken. Also behalf man sich mit auffälligen Accessoires, um den Kleidern, die das Aussehen eines langen Pullovers hatten, die Strenge zu nehmen. Große Blumen aus Stoff, ganze Sträußchen, aber auch locker gebundene Schals waren erforderlich, um der bequemen, einfallslosen Silhouette ein wenig Pfiff zu geben.
Die großen Modehäuser wiegten sich offenbar in dem Irrglauben, Frau würde eine Konstante in der Mode der Vielfalt vorziehen. Dabei hatte die britischen Designerin Mary Quant schon mit einigen gewagten Kreationen auf sich aufmerksam gemacht. Immerhin war ihr Mini-Rock bereits 1962 in der „Vogue“ zu sehen gewesen. Seine Einführung in die Welt der tragbaren Mode ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Auch der Franzose André Courrèges gehörte zu den Verfechtern des kurzen Rockes.
Während in der bürgerlichen Mode die Sackkleider vorherrschten, sich immerhin durch ihre komplizierten Nähte auszeichneten, verkehrte sich das Bild der modischen Einflüsse. Nicht mehr allein die Mütter und Väter waren mit ihrer Kleidung bestimmend. Die Jugend rückte in den Vordergrund und wurde zu einer bedeutenden Zielgruppe.
Die gedeckten Stoffe wurden allmählich mit neuen, kräftigen Farben versehen. Weiß und Rosa konkurrierten mit zarten Grüntönen. Die Industrie stellte zunehmend Kunststoff-Materialien her, die neben dem herkömmlichen Stoff Einzug in die Bekleidungsindustrie hielten. Chemische Fasern wurden immer selbstverständlicher. Das kaum Luft durchlässige Hemd für den Herrn war aus Nylon. Aber auch die Damen-Strumpfhose war aus diesem Material. Dieses Bein-Bekleidungsstück machte schnell Furore und als der Rock der Mary Quant sich durchzusetzen begann, war es sogar unerlässlich.
Der französische Couturier Pierre Cardin hatte im Frühjahr junge Männer in Pelzmäntel gehüllt. Kein sehr preiswertes Vergnügen, aber eine eindeutige Abgrenzung zur Mode der älteren Generation. Ein neues Wohlstandsdenken wurde sichtbar. All das bekam im November des Jahres kurzzeitig eine erschreckende Unwichtigkeit, als John F. Kennedy einem Attentat zum Opfer fiel. War doch dieser Staatsmann erst im Sommer des Jahres zum Gedenken an den 15. Jahrestag der Berliner Luftbrücke in Berlin zu Besuch gewesen und hatte sich mit dem Satz „Ich bin ein Berliner“ in die Herzen der Deutschen geredet. Er war ein Hoffnungsträger, der ehrlich betrauert wurde.
Und die Mode? Sie hatte mit dem Konflikt der Generationen viel zu tun. Stillstand war jedenfalls vorbei.

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