DDR Chronik 1960 - Tod des Präsidenten und
Reisebeschränkungen
In den letzten 15 Jahren war
die Entwicklung der beiden deutschen Staaten immer
weiter auseinandergedriftet. Und damit der DDR-Bürger
nur nicht auf die TV-“Hetz“-Propaganda des Westens
„hereinfiel“, hatte man in der DDR einen eigene
Propagandasendung eingeführt. Ihre Premiere hatte die
legendäre Sendung „Der schwarze Kanal“ am 21. März und
sie blieb fester Bestandteil des
DDR-Fernsehen bis zum
Ende des Bestehens der DDR. Karl-Eduard von Schnitzler,
Journalist und Chefkommentator des DDR-Fernsehens,
führte durch die Sendung,
die einmal in der Woche am
Montag nach dem Spielfilm ausgestrahlt wurde. Sie
gehörte durchaus nicht zu den beliebtesten Sendungen im
DDR-Fernsehen und wurde auch nicht so zahlreich
geschaut, wie es den Verantwortlichen lieb gewesen wäre.
Im September 1960 verstarb der einzige Präsident der DDR
– Wilhelm Pieck (3. Januar 1876 bis 7. September 1960).
Er gehörte zu den Mitbegründern der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschland (SED) und war bereits in der
Weimarer Republik einer der führenden kommunistischen
Funktionäre. Pieck, der
1949 zum ersten
Staatspräsidenten der DDR gewählt wurde, hatte dieses
Amt bis zu seinem Tode inne. Seine Geburtsstadt Guben
wurde ein Jahr später in „Wilhelm-Pieck-Stadt Guben“
offiziell umbenannt. Nach seinem Tod wurde seitens der
SED der bis dahin größte Staatsakt in der
DDR-Geschichte
inszeniert. Das ärztliche Bulletin für den 84-Jährigen
war mit Herzschwäche und einer Lungenentzündung sehr
knapp gehalten. Man ließ ihm zwar alle Ehren angedeihen,
aber eigentlich war Wilhelm Pieck lange schon nur noch
ein Repräsentations-Persönlichkeit gewesen, der den
Machtkampf gegen
Walter Ulbricht schon im Sommer
1945
unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
verloren hatte. Pieck hatte sich gefügt und angepasst.
Seine Rolle als „gütiger Landesvater“ füllte er artig
aus, ansonsten genoss er alle Annehmlichkeiten, die
Schloss und Park Niederschönhausen ihm boten. Einer
seiner letzten öffentlichen Auftritte war sein 80.
Geburtstag
1956 gewesen. Nur fünf Tage nach Piecks Tod
wurde von der Volkskammer beschlossen, das
Präsidentenamt gänzlich abzuschaffen. Stattdessen sollte
es nur noch den 24-köpfigen Staatsrat geben, dem Walter
Ulbricht vorstand. Macht und Repräsentation waren nun
wieder in einer Person vereint.
Noch in der ersten Jahreshälfte hatte die
DDR klar
festgelegt, dass auf allen in der DDR hergestellten
Karten und Atlanten der Begriff „Deutschland“ nicht mehr
verwendet werden durfte. Ein weiterer Schritt der
Abgrenzung und ein deutliches Zeichen dafür, dass die
politischen Kräfte in der DDR nicht sonderlich an einer
Wiedervereinigung interessiert waren.
Allerdings blieb der DDR ein Kompromiss nicht erspart.
Für die Olympischen Winterspiele einigten sich die
beiden deutschen Regierungen über die gesamtdeutsche
Mannschaft. Eine eigene Mannschaft konnte die DDR nicht
aufstellen, sie war noch von kaum einem anderen Land als
souveräner Staat offiziell anerkannt worden.
Um jedoch auf anderer Ebene „Ordnung“ ins Land zu
bringen, wurde zu Beginn des Jahres der „VEB
Zentral-Zirkus“ gegründet, der
1981 in Staatszirkus der
DDR umbenannt wurde. Nun waren die ursprünglich privaten
Zirkusse „Busch“ und „Berolina“ (vormals Barlay) zu
einem großen Volkseigenen Betrieb geworden, die Artisten
und Mitarbeiter waren fest angestellt und konnten
untereinander auch ausgetauscht werden. Das Ministerium
für Kultur hatte diese Gründung angeordnet. Ein Jahr
später kam noch der Zirkus „Aeros“ dazu.
Die DDR schritt unbeirrt auf ihrem Weg zum Sozialismus
voran. Sie hatte im April die Kollektivierung der
Landwirtschaft abgeschlossen, hatte im Februar ein
Gesetz über die Bildung des „Nationalen
Verteidigungsrates“ (NVR) verabschiedet. Der Vorsitzende
des NVR war natürlich der Erste Sekretär der SED, Walter
Ulbricht, geworden. Der erste Bauabschnitt des Rostocker
Hochseehafens war in Betrieb gegangen und in der
Hauptstadt Ost-Berlin war die Neue Wache Unter den
Linden nach der Restaurierung als Mahnmal für die Opfer
des
Faschismus und Militarismus eingeweiht worden.
Als Antwort auf den SPD-Deutschlandplan, der
1959 in der
BRD veröffentlicht worden und der sich mit der
Wiedervereinigung befasste, hatte das ZK der SED einen
„Deutschlandplan des Volkes“ als offenen Brief
entgegengesetzt. Darin verband die DDR-Führung neben der
völkerrechtlichen Anerkennung auch die Forderung nach
der Unveränderbarkeit des sozialistischen
Gesellschaftssystems. Also waren die
deutschlandpolitischen Grundsatzpositionen im Ansatz
schon abgelehnt worden.
Die Unstimmigkeiten zwischen den beiden deutschen
Staaten waren groß und eigentlich war die
Wiedervereinigung gar kein echtes Thema für die DDR, die
sich auf einem ganz anderen politischen Weg sah. Sie
verfügte
1960 Beschränkungen im Reiseverkehr zwischen
West- und Ost-Berlin, was in der Folge zu einer
Kündigung des Interzonenabkommens durch die BRD geführt
hatte. Und um es den West-Besuchern noch ein bisschen
schwerer zu machen, nach Ost-Berlin zu kommen, hatte das
DDR-Innenministerium angeordnet, dass Bundesbürger für
ihre Einreise nach Ost-Berlin eine
Aufenthaltsgenehmigung benötigen mussten, die an den
Übergangsstellen von der Volkspolizei erteilt wurde.
Ausgenommen von diesem Procedere waren lediglich die
West-Berliner. Wegen der Einreisebeschränkungen kündigte
die Bundesregierung das Berliner Abkommen über den
innerdeutschen Handel. Noch vor dem Ablauf der
Kündigungsfrist war es wieder in Kraft gesetzt worden.
Streitereien auf politischer Ebene wurden durch andere
Dinge aus dem kulturellen Bereich abgedrängt. Zum
Beispiel durch eine „Konferenz schreibender Arbeiter“ im
Rahmen des Bitterfelder Wegs. Dieser war im Vorjahr ins
Leben gerufen worden und zwar durch eine
Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im
Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld, dem späteren VEV
Chemiekombinat Bitterfeld. Künstler und Schriftsteller
sollten in den Fabriken arbeiten und Arbeiter bei ihrer
eigenen künstlerischen Arbeit unterstützen, so dass die
Entfremdung zwischen Künstler und Volk überwunden würde.
Dass die Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU)
die
Christen in der DDR zum Bleiben aufrief, war ein
Ruf, der dennoch von vielen überhört wurde. Allein für
den Monat September 1960 hatten die West-Berliner
Behörden 20.968 DDR-Flüchtlinge gemeldet. Auch der
Chefkonstrukteur der DDR-Luftfahrtindustrie, Fritz
Freitag, war in die Bundesrepublik geflüchtet.
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