DDR Chronik 1961 - Endgültige Abgrenzung der DDR
durch den Mauerbau
Kein gutes Fazit für die DDR zu Jahresbeginn, als
West-Berliner Behörden gemeldet hatten, dass zwischen
Weihnachten und Neujahr 2820 Menschen aus der
DDR
geflüchtet waren. Kein Wunder, dass der Evangelische
Kirchentag, der im Juli in Ost- und West-Berlin geplant
war, von der DDR-Regierung verboten wurde. Und da die
DDR ohnehin mit den kirchlichen Kreisen auf keinem guten
Fuß stande, hinderten die Behörden mehrere evangelische
Bischöfe am Betreten von Ost-Berlin, die dem
Eröffnungsgottesdienst der gesamtdeutschen Synode in der
Marienkirche beiwohnen wollten.
Während die Bemühungen in der Wirtschaft dahin gingen,
sich von der Abhängigkeit von West-Importen
freizumachen, musste sich in der Osterzeit die
DDR-Regierung wieder mit einer Flüchtlingswelle
auseinandersetzen. Meldungen der West-Berliner Behörden
zufolge waren zwischen dem Gründonnerstag und dem
Ostermontag erneut 5.200 DDR-Flüchtlinge registriert
worden.
Doch hauptsächlich verbindet sich das Jahr 1961 mit dem
Bau der Berliner Mauer, dem
Antifaschistischen
Schutzwall, wie die Abgrenzung offiziell benannt wurde.
Im Juni hatte der Staatsratsvorsitzende
Walter Ulbricht
noch die historischen Worte auf einer Pressekonferenz
gesprochen: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu
bauen.“ Nachdem aber an einem Tag im August wieder 1926
DDR-Flüchtlinge in West-Berlin gezählt wurden (die
höchste Zahl an einem Tag), begann man auch auf der
Seite der DDR die „Grenzgänger“ zu registrieren, die in
West-Berlin einer Arbeit nachgingen. Kurz danach hatte
die Volkskammer der DDR-Regierung unbeschränkte
Vollmacht zum Abschluss eines Friedensvertrags und zu
„Maßnahmen zum Schutz der DDR“ erteilt. Irgendwie musste
das wirtschaftliche Ausbluten des Landes gestoppt
werden. Und genau das geschah am 13. August 1961 mit dem
Bau der Berliner Mauer.
Einen Tag später wurde der Grenzübergang „Brandenburger
Tor“ geschlossen und die Telefonverbindungen aus der
DDR
und aus West-Berlin in die BRD waren vorübergehend
gekappt worden. Die Grenze zur Bundesrepublik war für
alle Bewohner der DDR und Ost-Berlins gesperrt. Die
Grenzpolizei waren nun in Grenztruppen umbenannt worden
und diese waren dem Ministerium für Nationale
Verteidigung unterstellt. Die SPD-Mitglieder, die im
Ost-Berliner Bezirk Friedrichshain ihre Büros hatten,
wurden ebenfalls „aufgeräumt“. Sogenannte
Betriebskampfgruppen hatten die Büros besetzt und dann
geschlossen. Noch im selben Monat August hatte eine
Verordnung festgelegt, dass West-Berliner von nun an
einen Passierschein brauchten, wenn sie den Ostteil
betreten wollten. Allerdings fand keine Vergabe von
Passierscheinen statt und somit konnten die
West-Berliner nicht mehr nach Ost-Berlin. Die DDR hatte
sich abgeschottet.
Für die Menschen im Land hätte es schlimmer nicht kommen
können. Familien waren durch den Mauerbau getrennt
worden. Wer im Westen arbeitete, konnte nicht mehr
zurück. Alles war dramatisch, alles war unfrei. Zwar
hatten die Menschen Ulbrichts Worten, dass niemand die
Absicht habe, eine Mauer zu bauen, ohnehin nicht
geglaubt, aber dennoch hatte sich niemand vorgestellt,
dass es so schnell gehen würde.
An dem Bedürfnis, das Land zu verlassen, änderte sich
nicht viel. Nur das Leiden wurde größer und das Gefühl,
eingesperrt, ja, eingemauert zu sein. Die Schlagzeilen
über Fluchtversuche und geglückte Fluchten wurden immer
skurriler wie beispielsweise die Meldung, dass ein Bauer
mit
500 Schafen bei Lübars nach West-Berlin abgehauen
war.
Zum Jahresende sagte der Staatsratsvorsitzende Walter
Ulbricht dann dem sowjetischen Parteiblatt „Pravda“,
dass der DDR durch die Flucht der Bürger ein
wirtschaftlicher Schaden von 30 Milliarden Mark
entstanden sei. Die junge Generation, die sich derweil
aktiv in der Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“
(FDJ) engagierte, hatte gleich im September eine Aktion
gestartet mit dem Motto „Blitz kontra NATO-Sender“.
Damit sollten alle Fernsehantennen gefunden werden, die
auf Westsender ausgerichtet waren. Und in Grenznähe zu
West-Berlin wurden Gebäude und Wohnhäuser abgerissen.
Ohnehin war der Mauerbau radikal vonstatten gegangen.
Sie verlief an manchen Stellen unmittelbar vor
Wohnhäusern, deren Fenster dann auch auf der Westseite
zugemauert worden waren.
Im Streit um die Berlin-Frage und den Viermächte-Status
stand im Jahr 1961 alles auf Messers Schneide. Am
Checkpoint Charlie standen sich sowjetische und
US-amerikanische schussbereit gegenüber, weil der Zugang
zum Ostsektor Berlins von DDR-Grenzpolizisten
Angehörigen der US-Militärmission verweigert wurde.
Im Oktober hatte der XXII. Parteitag der KPdSU eine
zweite Welle der Entstalinisierung zur Folge. In der
DDR
wurden sofort entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Stalinstadt (in Brandenburg) hieß nun Eisenhüttenstadt,
sämtliche Stalin-Denkmäler wurden entfernt und alle
Stalinstraßen wurden umbenannt. Alles Aktionen, als
könnte man Stalin aus der Geschichte streichen.
Zum Jahresende hatte Otto Grotewohl, der
Ministerpräsident der DDR, dem Bundeskanzler Konrad
Adenauer in einem Brief Vorschläge zur Normalisierung
der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten
übermittelt. Die Annahme des Briefes wurde von der
Bundesregierung verweigert. Die Fronten verhärteten sich
zunehmend.
Der Schießbefehl für die DDR-Grenzsoldaten galt ja
bereits seit 1960, um in Fällen des „ungesetzlichen
Grenzübertritts“ reagieren zu können. Erst 1982 war er
formell in ein Gesetz gefasst worden.
Die DDR hatte nun den anhaltenden Flüchtlingsstrom auf
ihre Weise eingebremst, aber für die Menschen im Ostteil
der Stadt und im Land begann eine lange Leidenszeit.
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