Literaturjahr 2019 - zwei Schriftsteller bekommen Nobelpreis

Im Jahr 2019 erhielten aufgrund des Skandals des Vorjahres, der sich innerhalb des Nobelpreiskomitees ereignete, gleich zwei Schriftsteller den Literaturnobelpreis. Für 2018 war das Olga Tokarczuk, eine polnische Autorin, die u. a. mit „Taghaus, Nachthaus“ oder „Ur und andere Zeiten“ großartige Werke zwischen Realität und Fantasie schuf, und für 2019 Peter Handke, der für sein Gesamtwerk ausgezeichnet wurde und seinen Preis aufgrund der stark anwachsenden Kritik kaum genießen konnte. Handke wurde nicht nur durch seine individuellen und hochgeistigen Werke und einzigartigen Drehbücher bekannt, sondern auch durch seine Reiseberichte und die Gerechtigkeitsforderung für Serbien. Damit zog er bereits in den 90er Jahren die Kritik auf sich und erneut wieder 2019.
Leider ging so auch Tokarcuks Auszeichnung unter. Die talentierte Autorin zeigt durch ein einzigartiges Gefühl von Sprache in ihren Büchern stilistisch gelungene Welten und vermittelt eine bewegende äußere und innere Landschaft an Menschlichkeit, Not, Drama und Nächstenliebe, wobei auch die Wünsche, der Glaube, die Träume, Erinnerungen, das Schicksal, etwas mythologische Geschichte und der Aberglaube ihren festen Platz einnehmen. Dadurch entsteht eine ganz eigene Spannung, die sich positiv auf den Leser überträgt. Ein 2019 erschienenes Werk war „Die Jakobsbrüder“, das mit über 1.000 Seiten sicherlich keine leichte Kost blieb und sich mit der Geschichte des zum Katholizismus konvertierten Juden Jakob Frank aus dem 18. Jahrhundert beschäftigt, der als Scharlatan und Ketzer galt.
In den deutschen Medien machte sich dagegen die lautstarke Empörung über die Preisvergabe an Handke breit, die auch mit der Forderung endete, ihm den Preis wieder zu entziehen. Handke hatte in seinem Artikel und später auch als Buch erschienenen Werk „Winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina“ vehement Partei für Serbien ergriffen. Nach Ansicht vieler Journalisten und Leser lag er damit falsch. Es herrschte sogar die Meinung vor, Handke hätte die im ehemaligen Jugoslawien stattgefundenen Massaker und den Genozid von Srebrenica verharmlost.
Der Vorwurf wurde u. a. auch durch den Preisträger des „Deutschen Buchpreises“ Saša Stanišić geäußert, der in einem der blutigen Schauplätze Višegrad geboren wurde und statt sich für den Preis zu bedanken, seine Rede lieber auf Handkes Nominierung konzentrierte und die Welle an Empörung so erst auslöste.
Stanišić vermittelte mit Büchern wie „Herkunft“ die Schwierigkeiten, mit denen Flüchtlinge in einem fremden Land zu kämpfen hatten. Er selbst kam sehr jung mit seinen Eltern aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland, sodass sein Bericht auf die Erfahrungen seiner Eltern und Bekannten zurückgeht. Ihm ging es in seinem Buch daher auch weniger um eine Hinterfragung des Krieges als um die Problematik des Migrantenlebens. Diese vermittelte er emotional und lebendig. Sein Buch blieb dabei auch sehr persönlich und traf sicherlich, aufgrund der Flüchtlingskrise, den aktuellen Kern der Zeit.
Ein Blick in Handkes Buch wiederum genügt, um viele der Vorwürfe revidieren zu können. Der Autor stellte darin weniger das Kriegsgeschehen selbst in Frage, als die mediale Vermarktung der Kriegsschauplätze. Er kritisierte, dass die Rolle der Verbrecher schnell festgelegt war, obwohl ein Krieg nun einmal immer Leidtragende auf beiden Seiten mit sich brachte. Er warf Journalisten das Dreschen der Hasskerbe vor und bezeichnete sie als Kriegstreiber, die nicht besser „als die Kriegshunde vor Ort“ wären. Dass sich dadurch Journalisten auch angegriffen fühlten, mag mit ein Grund gewesen sein, dass Handke sich erneut mit der Kritik an seinen Aufzeichnungen auseinandersetzen musste. Einige Schriftsteller, darunter Eugen Ruge, Michel Houellebecq 2019 Serotoninergriffen jedoch auch Partei für ihn, während die Medien einheitlich in ihrem Hassgekeife übereinstimmten und so wieder gut demonstrierten, was Handke überhaupt anprangerte. Es sollte allgemein im Zeichen der Meinungsfreiheit legitim sein, Fragen zum Geschehen zu stellen, wie es Handke in seinem Buch getan hat.
2019 erschien das Buch „Serotonin“ von Michel Houellebecq, ein weiterer Skandalautor aus Frankreich. Houellebecq machte besonders durch seine sexuell ausschweifenden Betrachtungen von sich reden, wobei, ähnlich wie bei Henry Miller, oft auch der philosophische Aspekt seiner Bücher und die Gesellschaftskritik unterging. In „Serotonin“ geht es um den kritischen Blick auf die Einnahme von Antidepressiva, das weniger die Gefühlswelt unter Kontrolle bringt als die Libido abtötet und damit vielleicht sogar überhaupt die Möglichkeit, eine Beziehung zu führen und menschlich leben zu können. Neben vielen perversen Sexpraktiken blieb aber auch die Anspielung auf Frankreichs schwierige Lage deutlich sichtbar. Die Einnahme der Medikamente führt im Buch zu einem gefährlichen Desinteresse an allem. Die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bilden den Grundton. Das Buch war umso erfreulicher, weil der Autor 2017 angekündigt hatte, sich aus der Verlagswelt zurückziehen zu wollen.
Im „Suhrkamp Verlag“ erschien ein interessantes Werk von der Lyrikerin Ann Cotten, die bereits mit dem „Schaudernden Fächer“ und ihrem einzigartigen Stil auf sich aufmerksam machen konnte. Es trug den Titel „Lyophilia“ und erinnerte zum Teil an die Filme von Andrej Tarkowskij. Hier wechselt die realistische Welt in die der Gefühle und Emotionen, ähnlich wie, nach Ansicht der Lyrikerin, die Sprache der außerirdischen Intelligenz voll von Wortspielen ist und eine neue Kommunikationsform für die Kolonialisierung der Erde erfordert. Kann man entsprechend z. B. in der „Sprache der Blumen“ sprechen? Hinterfragt wird in diesem Werk der Sinn der Sprache, die natürlich durch moderne und neue Kommunikationsnormen im Internet auch einen Wandel erfahren hat.
Von Jonathan Safran Foer, der das beeindruckende Buch „Alles ist erleuchtet“ schrieb, kam 2019 das Sachbuch „Wir sind das Klima“ heraus. Foer hatte sich bereits in „Tiere essen“ kritisch über die industrialisierte Tierproduktion geäußert und versucht nun in seinem neuen Buch die Frage zu stellen, weshalb keine Panik ausbricht, obwohl immer mehr schreckliche Fakten zum Klimawandel bekannt werden. Der Autor studierte Literatur und Philosophie, ist überzeugter Veganer und stammte aus einer jüdischen Familie, die den Holocaust überlebte. „Alles ist erleuchtet“ wurde verfilmt und war ein wunderschöner Gegensatz zu dem sonst üblichen Hollywood-Kitsch.
T.C. Boyle 2019 - Das LichtAuch der Vielschreiber T.C. Boyle legte 2019 einen neuen Roman nach, diesmal „Das Licht“, ein Werk, in dem es um die Experimente mit LSD und Timothy Leary geht. Boyle reiste in seinen Werken schon häufiger in die schimmernden Abgründe der Drogenwelt, so auch in den Büchern „Grün ist die Hoffnung“ oder „Drop City“. Als Autor machte er in Amerika den historischen Roman wieder populär. Seine Bücher basieren häufig auf einer sehr gründlichen Recherche aller Ereignisse und sind mit Liebe zum Detail geschrieben.
2019 ging der „Alfred-Döbel-Preis“ an Ulrich Woelk, der mit Büchern wie „Schrödingers Schlafzimmer“ oder „Einstein on the lake“ eine schöne Mischung aus wissenschaftlicher und literarischer Arbeit vorgelegt hat. Woelk selbst studierte Physik und schrieb seine Diplomarbeit über die Chaostheorie. Seine Erfahrungen als Astrophysiker werden in seinen Romanen gut sichtbar. Den Preis erhielt er für das neue Romanprojekt „Für ein Leben“.
Der talentierte Autor Daniel Kehlmann konnte sich über den „Anton-Wildgans-Preis“ freuen, der „Kleist Preis“ ging an Ilma Rakusa und der „Ingeborg Bachmann Preis“ an Birgit Birnbacher für das Werk „Der Schrank“.

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