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Das Modejahr 1915 Mode – Mode als Politikum


Bereits im März 1915 wurde der „Reichsausschuss für deutsche Form“ zum „Ausschuss für Mode-Industrie“. Fritz Stahl, der dem Deutschen Werkbund angehörte, veröffentlichte eine Schrift, in der „die Eigenwerdung der deutschen Modeindustrie“ als „eine nationale und wirtschaftliche Notwendigkeit“ abgehandelt wurde. Der seit 1907 existierende Deutsche Werkbund war eine „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“, in der sich die Genres überschnitten. Deutsche
suchten die Deutsche Form. Was dies für eine ernste Sache war, betonte Fritz Stahl u.a. durch die Erwähnung, dass die erste deutsche Modenschau unter Beiwohnung Kaiser Wilhelms II. stattgefunden hatte. Fritz Stahl beschrieb die Wichtigkeit, den modischen Weltmarkt zu erobern. Doch zunächst übertönte der dröhnende Lärm des Krieges solche Vorhaben.
Nebenher war man in Deutschland bemüht, sich vom Pariser Mode-Vorbild zu lösen. Auch die Einfuhr von Spitzen und Seidenstoffen wurde boykottiert. Handgewebtes und im eigenen Land gefertigtes Leinen sollte die edlen, also frivolen Stoffe, ersetzen. Bodenständigkeit gegen Fremdeinflüsse – das war angesagt. Von der Eleganz aus Paris wollte, bzw. sollte niemand mehr etwas wissen.
Zu jener Zeit präsentieren deutsche Modemacher die Kriegskrinoline. Dieser glockenförmige Rock wurde über mehreren Unterröcken getragen, die den äußeren Rock stützten und ihm eine auffallende Weite gaben. Die Kriegskrinoline wurde von den Frauen begeistert angenommen. Sie bot Bewegungsfreiheit, erinnerte an die Biedermeier-Zeit und war nicht mehr knöchellang. Außerdem entsprachen sie einer gewissen Romantik, die die Frauen gerade während des Krieges schmerzlich vermissten.
Da die Männer als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld kämpften, arbeiteten immer mehr Frauen in der Industrie, auch in der Rüstungsindustrie. Für diese Arbeiten bedurfte es praktischer Kleidung. Die Hemdhose kam auf. Sie ähnelte dem heutigen Overall. Mitunter trug Frau auch eine Herrenhose, die dadurch zu einem Teil der Frauenkleidung wurde. Frau trug sie auch nach dem Krieg noch und allmählich wurde die Hose in ihren Abwandlungen immer beliebter, allerdings nur als Bekleidungsstück für die Arbeit und die sportliche Freizeit. Sieht man von der Garçonne-Mode der Zwanziger einmal ab, setzte sich die Hose in der Frauengarderobe erst um die Mitte der 60er Jahre richtig durch. Unabhängig von der deutschen Mode kreierte In Frankreich Gabrielle Chanel einfache Kleider, die gerade geschnitten waren und nur bis zur Wade herab fielen. Doch in Deutschland kannte man diese Frau und ihre Mode noch nicht.
Für die Kriegskrinoline brauchte Frau mehr Stoff als für ein Abendkleid. Das war nämlich sehr schlicht geworden. Von Glanz und Extravaganz war nichts mehr zu sehen. Doch etwas Taft auf glanzlosem Stoff war als Aufputz dennoch legitim. So konnte man den weiten Rock etwas hervorheben. Bevorzugt wurden dezente Ausschnitte, die rund oder eckig sein konnten. Meist wurden diese Dekolletés von einem
Stehkragen umschlossen, der vorn geteilt war. Zur Kriegskrinoline waren geschnürte Stiefeletten unerlässlich. Wichtig war, das Frau kein Bein zeigte, denn der Saum der neuen Mode reichte ja nicht mehr bis zum Knöchel. Auch die Hüte wurden kleiner. Niemand protzte mit der Mode. Die Zeiten ließen das nicht zu.
Inzwischen war nicht nur die französische Mode bei den Deutschen in Verruf gekommen. Auch die Mode für Männer, die sich stets an England orientiert hatte, war nicht mehr zeitgemäß. Doch noch musste man sich bei der deutschen Modeindustrie nicht um die Herrenmode sorgen. Die Männer steckten in Uniformen und diese waren auf den Schlachtfeldern ebenso angesagt wie bei größeren Anlässen. Die Herren, die sich im zivilen Leben bewegten, trugen auf, was sie bisher getragen hatten, auch wenn das englische Vorbild noch sichtbar war. Die Hosenbeine wurden allerdings zum Fuß hin etwas enger. Sie hatten hohe Stulpen und der Saum erreichte nur die Knöchel. So kamen damals die ersten sogenannten Hochwasserhosen auf.
Für die deutschen Jungen war der Matrosenanzug dominierend. Ob freiwillig oder nicht; er gehörte unbedingt zur Sonntagskleidung der Jungs. Natürlich mit kurzen Hosen. So hatte Wilhelm Bleyle sich noch rechtzeitig ein modisches Denkmal gesetzt, bevor er am 16. Februar starb. Mit ihm hatte das Deutsche Reich seinen renommiertesten Kleiderfabrikanten verloren. Bleyle ging, der Bleyle-Anzug blieb und noch heute sind Wiederaufbereitungen dieser Mode, auch bei Erwachsenen, wieder en vogue. Auf seine Weise setzte sich auch ein deutscher Arzt ein Denkmal. Alois Alzheimer starb am 19. Dezember. Eine üble Krankheit trägt seinen Namen. Wie heißt sie nur?

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