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Das
Modejahr 1914 Mode – Der Tango verschwand, der
Krieg kam
Der Beginn des Jahres 1914 zeigte sich modisch noch
hartnäckig. Der Tango, der eine willkommene
Ablenkung zu allem Unerfreulichen war, hielt sich
und mit ihm die Tangokleider. Lediglich die Art der
Schritte hatte sich ein wenig verändert, um nicht
allzu viel Bein entblößen zu müssen, was bis dahin
ja das Besondere des Tanzes ausgemacht hatte. Die
geschlitzten Röcke kamen zwar immer noch zur
Geltung, aber in abgeschwächter Form. Inzwischen
hatten sich Röcke für den Alltag durchgesetzt, die
nicht ganz so anstößig aufgenommen wurden wie die
Tango-Kleidung. Überröcke, ein, zwei oder noch mehr
waren in Mode gekommen. Dabei blieb das Oberteil
tunikaartig. Es hatte meist einen tiefen
Spitzausschnitt. Diese Ensembles wurden aus zarten
Stoffen gefertigt, die den Ersten Weltkrieg nicht
überdauerten. Der war bereits in greifbare Nähe
gerückt.
Als der österreichisch-ungarische Thronfolger einem
Attentat zum Opfer fiel, das ihn und seine Frau am
28. Juni in Sarajevo ereilte, wurde es brisant für
die europäischen Diplomaten. Einen Monat später
brach der Krieg aus. Das Attentat auf den Erzherzog
Franz Ferdinand hatte als Vorwand gedient und
zeigte, dass dieser Krieg kalkuliert war. Ein
schneller Sieg über Frankreich kam nicht wie geplant
zustande und schon im Herbst waren die meisten
Träume von deutschen Siegen ausgeträumt. Das war für
das Deutsche Reich schockierend. Selbst viele
Sozialdemokraten hatten sich vom Patriotismus
blenden lassen.
Nun war der Tango nicht mehr zeitgemäß. Er war ja
schließlich kein deutscher Tanz. Auch die
Tango-Kleidung verschwand aus den Kleiderschränken.
Obwohl Paul Poiret mit seinen Extravaganzen noch
interessierte Nachahmer fand, die sich entschlossen,
seinen kurzen Reifrock zu tragen, der über den
engen, bis zum Knöchel herab reichenden langen Rock
fiel. Diese Mode wurde in so großem Ausmaß weltweit
kopiert, dass Poiret 1914 das „Syndicat de Defense
de la Grande Couture Française“ ins Leben rief, um
künftig seine Modelle zu schützen. Von der
katholischen Kirche wurden diese Kreationen als
unzüchtig getadelt.
Bevorzugt wurden im ersten Kriegsjahr zweierlei
Arten von Jacken. Da gab es die Cutaway-Jacke, die
der Herrenmode entnommen war und die die Hüften
bedeckte. Sie war unterhalb der Taille vorn
zurückgeschnitten. Alternativ war eine Bolero-Jacke
modern, die bis zur Taille reichte. Zeitgemäß waren
dunkle, strapazierfähige Stoffe, die Frau über die
Modesaison hinaus tragen konnte.
Die jungen Damen, die sogenannten Backfische, wurden
mehr als bisher von der Mode berücksichtigt.
Heute nennt man die Mädchen unter zwanzig Jahren
Teenager und ihre Kleidung unterscheidet sich
deutlich von der der erwachsenen Frau. In der Zeit
um 1914 war die Mode für die Backfische nicht so
deutlich zu unterscheiden. Lediglich die Kragen und
Umlegekrawatten zeugten von einem kindlichen
Einschlag. Ansonsten war die Bekleidung kaum anders
als die der Erwachsenen. Die Stoffe waren von
einfacher Art. Das Material konnte durchaus
preisgünstig sein, denn die Mädels wuchsen schnell
und konnten ihre Kleider sowieso nicht lange tragen.
Deshalb betrieb man keinen großen Aufwand. Ohnehin
konnten es sich die wenigstens Mütter leisten, für
sich und ihre Kinder die Mode in den Vordergrund zu
stellen. Die Garderobe für Sport und Freizeit nähten
die Frauen meist selbst. Anleitungen zum Selbstnähen
gab es reichlich.
Nicht nur im Deutschen Reich besann man sich auf das
eigene Können auf dem Gebiet der Mode. Es gab für
die unterschiedlichsten Dinge Reichsausschüsse, für
die Landwirtschaft, für Leibesübungen und so auch
den „Reichsausschuss für deutsche Form“. Die Presse
im Deutschen Reich sprach von der Geburt einer
deutschen Mode und stellte zerknirscht fest, dass
man bisher eher nachgeäfft als nachgedacht habe.
Diese Einsicht hatte allerdings einen hohen Preis
angesichts der erschreckenden Zahlen bereits
gefallener deutscher Männer. Die Soldaten, die noch
aktiv waren, hatten an der Front andere Sorgen als
ihre korrekte Kleidung, obwohl selbst hier dem
ordentlichen Sitz der Uniform Bedeutung zugemessen
wurde. Dabei verlangte der Heldentod keine modische
Korrektheit.
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