Entwicklung des Versandhandels
In den Jahren
nach dem
Ende des
Zweiten Weltkriegs wurde der Versandhandel – das
Versenden von Waren auf einem der Post- und Kurierwege –
durch den Bedarf an Konsumgütern bei gleichzeitiger
Zerstörung der Warenverteilungssysteme begünstigt.
Dennoch reicht die Entstehungsgeschichte des
Versandhandels deutlich weiter bis in das 15.
Jahrhundert zurück.
Nachdem
Johannes Gutenberg
den Buchdruck im Jahr 1455 erfunden hatte,
produzierten die Buchdrucker schriftliche Aufstellung
ihrer lieferbaren Druckwerke, um ihre Kunden zu
informieren: Die Vorläufer der Hochglanzkataloge von
Versandhäusern waren entstanden. Beispielhaft ist ein
15-seitiger Angebotskatalog von Aldus Manutius aus
Venedig von 1498, der als weltweit ältester
Versandhändler gilt.
Im 15. Jahrhundert wurde die Warenzustellung nachfolgend
durch Kuriere bzw. Mitarbeiter der Druckereien oder auch
externe Dienstleister realisiert: Bepackt mit den Waren
zogen sie von Ort zu Ort, hängten dort an zentralen
Orten ihre Angebotslisten aus und erwarteten dann ihre
Kundschaft nicht selten in Gastwirtschaften.
Erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts sollten neben den
Buchdruckern auch andere Branchen die Drucktechnologie
nutzen, um ihre Produkte auch über weite Entfernungen
anzubieten. Erste Anzeichen für die Herausbildung von
Versandhandelsgeschäften zeigen sich auf dem Gebiet des
heutigen Deutschlands erst, als die Nürnberger Kaufleute
ihre Waren mittels gedruckter Listen ihrer norddeutschen
Kundschaft offerierten. Der Distanzverkauf verbreitete
sich nachfolgend nach und nach
über ganz Europa
und
im Jahr 1667
produzierte der Brite William Lucas den ersten
gedruckten Produktkatalog mit gedruckten Abbildungen in
England.
Der Versandhandel durchlebte im Verlauf des 18.
Jahrhunderts eine Rezession. Verantwortlich war das
damals lediglich regional operierende Postwesen und der
ineffiziente Transport mit Pferdekutschen. Dazu kamen
die Zollbarrieren und die Straßenmaut innerhalb der
Kleinstaaten.
So ist neben Gutenbergs Buchdruck erst die
Entwicklung des Postwesens
als die zweite wichtige Voraussetzung für die
Weiterentwicklung des Versandhandels anzusehen.
Erst um
1870
gab es einen weiteren Entwicklungsschub. Damals
entwickelten sich Kommunikationssysteme (Katalog,
Zeitung, Telegrafenwesen), Eisenbahn und Post als
Transportmittel sowie ein effektiveres
Transaktionswesen. Dazu kamen ein steigendes
Realeinkommen der Bevölkerung, die fortschreitende
Bildung, ein größeres Zeitbudget der potenziellen Kunden
und verschiedene politische Faktoren.
Dadurch konnten Kunden ihre Bestellungen einfacher und
billiger vornehmen. Sendungen wurden schneller
verschickt und diverse Zahlungsarten wie Postscheck und
Nachnahme konnten sich als weitere Voraussetzungen für
einen effektiven Versandhandel etablieren.
Die Versandkosten als wesentliche Einflussfaktoren
wurden durch die Weiterentwicklung der
Transportmöglichkeiten und durch die Tarifpolitik der
Post eingegrenzt. Peu à peu wurde der Versandhandel in
der
zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts deutlich effektiver.
Fachleute nennen das Jahr 1870 als Gründungsjahr des
modernen Versandhandels. Damals begünstigten die
Posttarife eine Weiterentwicklung. Beispielhaft sind
Butterversandgeschäfte in Schleswig Holstein, für die um
1880 spezielle Kühlwagen unterwegs waren. Postalische
Unterstützung gab es auch durch die Einführung eines
Postanweisungsverkehrs und den Nachnahmeverkehr ab 1878.
1909 folgten
die Einführung von Postschecks sowie die Zulassung von
werbenden Zeitschriftenbeilagen gegen niedrige Gebühren.
Auch die Verkehrsgeschichte der damaligen Zeit war
ausschlaggebend, so die
Weiterentwicklung von Eisenbahn und
Dampfschifffahrt
sowie der Ausbau von Land- und Wasserstraßen. Zudem
spiele die Weiterentwicklung diverser
Reproduktionsverfahren wie die
Fotografie eine besondere Rolle beim
Erstarken des Versandhandels.
Dadurch konnte sich der Versandhandel auch überregional
ausdehnen. In Zeiten der Kolonialisierung erreichten die
heimischen Waren beispielsweise auch die afrikanischen
Kolonien Deutschlands.
Moderne Kommunikationsmöglichkeiten mit Telegrafenlinien
und
Fernsprechern erlaubten es den Versandhändlern, die
Bestell- und Liefersysteme zu verbessern.
Es begann die Blütezeit des Versandhandels: In
Deutschland etablierten sich Mitte der
1920er Jahre das
Versandhaus Klingel und der Baur Versand. Wenz, Quelle, Schöpflin, Bader und Vorwerk sollten bis zum Ende des
Jahrzehnts folgen. Neckermann machte es ab
Ende 1938
möglich und der Otto Versand
ab
August 1949. In Großbritannien gab das Haus John
Moores den ersten Littlewoods-Katalog heraus. Auf dem
Gebiet
der
damaligen DDR wurde der Versandhandel durch die
staatliche Handelsorganisation HO im Jahr 1956
realisiert. Versorgungsengpässe führten letztendlich
1976 zum Niedergang des Versandhandels
in der DDR.
Unmittelbar nach
Deutschlands Wiedervereinigung lief der deutsche
Versandhandel zur Höchstform auf, bis die
Internetplattformen gemeinsam mit dem Ausbau von
Filialnetzen der Fachmärkte mehr an Bedeutung gewannen.
Die traditionellen Versandhändler mussten sich
umorientieren und profilierten sich als moderne
Internetanbieter. Dagegen verloren die gedruckten
Kataloge bis heute immer mehr an Bedeutung.