Politik 2010 – mehr Konsequenz für
Leistungsverweigerer.
Auch 2010 hat sich politisch einiges bei uns getan.
Gleich zu Beginn des Politikjahres fächerte die FDP das
Feuer um die brisante Hartz-IV-Debatte wieder einmal an.
Ihre Forderung – die
soziale Hängematte sollte möglichst
schnell für viele Hartz-IV-Empfänger unbequemer werden.
Dafür hatten sich die Liberalen vor allem an die
Arbeitsvermittler der Jobcenter gewandt. Denn die
sollten die Bezüge ganz einfach kürzen – und das vor
allem dann, wenn Hartz-IV-Empfänger einen angebotenen
Job verweigern würden. Der Hintergrund für diese
Feststellung war u.a. eine Aussage der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (kurz:
OECS), „dass in Deutschland vor allem Anreize fehlen
würden, damit sich die Arbeitslosen überhaupt erst auf
die Suche nach einem passenden Job machen“. Und das vor
allem bei den Niedriglöhnen - immerhin werden bei uns
selbst geringe Verdienste mit relativ hohen Steuern und
Sozialbeiträgen belegt.
Info: Zurzeit ist es so, dass
bei einer Verweigerung eines angebotenen Jobs die Hartz-IV-Bezüge für drei Monate um 30 Prozent gekürzt
werden können (bei einem weiteren Vergehen sogar um 60
Prozent). Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der
Bundesagentur für Arbeit, meinte dagegen, dass sich „nur
Wenige ein Stück weit eingerichtet hätten“. Weiterhin
sei er davon überzeugt, „Die Menschen wollen das Gefühl
haben, etwas zu leisten und gebraucht zu werden“.
Heftige Debatte um Steuersünder-CD - das Politikjahr
2010.
Natürlich gab es einige weitere politische Diskussionen,
die teilweise richtig heftig geführt worden waren. Ein
Thema, das im Politikjahr 2010 für „Angst und Schrecken“
sorgte, war der Regierungsankauf geklauter CDs aus der
Schweiz, auf denen sich die Daten potenzieller
Steuersünder aus Deutschland befinden sollten (diese
besaßen zu diesem Zeitpunkt ein so genanntes Offshore-Konto).
Ganz klar, dass die deutsche Politik an
diesen Daten mehr als interessiert war – immerhin
könnten damit gleich mehrere Millionen Steuern
nachträglich veranlagt werden und würden so direkt ins
gebeutelte „Staatssäckel“ gelangen. Doch die Frage um
den Ankauf dieser Steuer-CD spaltete u.a. auch die
politischen Lager.
Bundeskanzlerin Angelika Merkel hatte
sich für den CD-Ankauf ausgesprochen. Schließlich zahlte
der Bundesnachrichtendienst bereits zwei Jahre zuvor
einen Millionenbetrag für eine Datensammlung aus
Liechtenstein. Mit diesen Informationen war es gelungen,
gleich Hunderten deutschen Bundesbürgern eine
Steuerhinterziehung nachweisen zu können (damals befand
sich u.a. auch der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel
unter den Beschuldigten).
Und trotzdem, kurz nach ihrer
Zustimmung bekam Merkel starken Gegenwind – und das auch
aus der eigenen Partei. Denn aus den Reihen von Union
und FDP waren damals eher ablehnende Stimmen zu hören –
die Opposition gab dagegen „grünes Licht“ für den Erwerb
der CD.
Und diese sollte immerhin ganz persönliche
Informationen über 1500 deutsche Kontoinhaber einer
Schweizer Bank beinhalten. Für die Betroffen galt ab
sofort – nur eine Selbstanzeige beim Finanzamt könnte
jetzt noch vor einer Verurteilung schützen. Das
allerdings nur, wenn sich die brisanten Daten nicht
bereits schon in den Händen der Steuerfahnder befinden
würden.
Zehntausende Flüge gestrichen – Passagiere genervt.
Einen politischen „Kickstart“ hatte
Bundesverkehrsminister Dr. Peter Raumsauer (CSU) im
April 2010 hingelegt - ihm blieb aber auch nichts
anderes übrig. Der Grund dafür lag unterhalb des Eyjafjallajökull-Gletschers auf Island – denn hier hatte
sich durch einen Vulkanausbruch eine riesige Aschewolke
gebildet und diese legte so nach und nach den gesamten
Flugverkehr in Europa lahm.
Info: Dabei handelte es sich
sogar um das längste Luftverkehrsverbot innerhalb des
europäischen Luftraums. Die Bilanz war mehr als
katastrophal: Denn Zehntausende Flüge mussten deshalb
kurzfristig gestrichen werden. Und damit saßen
Hunderttausende Passagiere fest – entweder an ihrem
Urlaubsort oder auf den Flughäfen.
Ganz klar, dass
Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer von „allen“ Seiten
kritisiert worden war. Einige warfen ihm „fehlendes
Krisenmanagement“ vor, andere betitelten Raumsauer als
neuen „Panikminister“. Für ihn stand allerdings von
Anfang an die Sicherheit der Passagiere an erster
Stelle. Ramsauer berief sich dabei u.a. auf Messungen,
die mit innovativster Lasertechnik im deutschen Luftraum
gemacht worden waren. Und diese hatten einen wohl
bedenklichen Anteil an Vulkanaschepartikel in unserer
Luft nachweisen können.
Info: Allein in
Berlin fielen
gut 3000 Flüge aufgrund der isländischen Aschewolke aus
– auch hier entstanden Schäden in Millionenhöhe.
Immerhin konnten rund 250.000 Fluggäste weder landen
noch starten. Dazu kamen aber noch weitere Kosten –
immerhin hatten in dieser Zeit weniger Touristen die
Hauptstadt erreichen können. Laut der Berlin Tourismus
Marketing kostete jeder „Aschetag“ der Stadt Berlin rund
zwei Millionen Euro.
Aschewolke aus Island verursachte Milliarden-Schäden.
Aufgrund der Aschewolke aus Island überschlugen sich die
Meldungen der Presse – natürlich
auch bei uns:
„Deutschland im Ausnahmezustand“ oder „Düstere
Aussichten für Flugverkehr und Airlines“.
Am Ende hatte
dieses Naturspektakel (fast) jeden zweiten Flug
„platzen“ lassen – die sechs langen Tage, an denen immer
wieder Flüge ausgefallen waren, kosteten dem
internationalen Flugverkehr gleich mehrere Milliarden
Euro.
Info: Für die entstandenen Kosten der gestrichenen
Flüge müssen die Fluggesellschaften wohl selbst
aufkommen. Denn bisher hatten sich viele Flugunternehmen
gegen eine Versicherung ausgesprochen, die für
Flugausfälle aufkommen würde. Doch das wird sich in
Zukunft ganz bestimmt verändern.
Köhler wirft das Handtuch
Ein weiteres
politisches Ereignis schockte uns im
Mai 2010:
Bundespräsident
Horst Köhler trat von seinem Amt zurück
- und das ohne jede Vorwarnung. Vorausgegangen war eine
Rede Köhlers über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan,
die auf heftige Kritik stieß. Und genau hier soll auch
der Grund für den sofortigen Amtsrücktritt gelegen
haben. Denn etwas später erklärte Köhler in seiner
Rücktrittserklärung im Schloss Bellevue, dass es den
betroffenen Regierungs- und Oppositionspolitikern bei
ihren Äußerungen an dem notwendigen Respekt vor dem Amt
des Bundespräsidenten gemangelt habe. Während dieser
Begründung hielt er die Hand seiner Ehefrau Eva Luise
liebevoll fest.
Köhler sagte, dass er die Unterstellung,
er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr
zur Sicherung von Wirtschaftsinteresse befürwortet,
entbehre jeder Rechtfertigung. Die Reaktionen auf seinen
Rücktritt konnten übrigens durchaus als „politische
Unruhe innerhalb Deutschlands“ bezeichnet werden.
Bundesratspräsident Jens Böhrnsen (SPD) wurde damals
vorübergehend für die Weiterführung der Amtsgeschäfte
eingesetzt.
Christian Wulff wird neuer Bundespräsident von
Deutschland.
Nach dem Sofort-Rücktritt Horst Köhlers sollte Ende
Juni
2010 der neue Bundespräsident gewählt werden. Der
Ex-DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck und der
niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)
lieferten sich dabei ein wahres Kopf-an-Kopf-Rennen.
Letztendlich waren ganze drei Wahlgänge notwendig, um
Christian Wulff zum 10. Bundespräsidenten Deutschlands
ernennen zu können (seinen Amtseid legte er Anfang Juli
2010 ab). Hintergrundinfo: Das die Wahl so „spannend“
geworden war, brachte unter den Politikern einige
Diskussionen in Gang. Immerhin gab es in der
Bundesversammlung eine Mehrheit von Union und FDP – und
damit zeigte sich ganz klar, dass sich die Damen und
Herren Politiker(innen) der schwarz-gelben
Regierungskoalition nicht ganz einig gewesen waren. Denn
Fakt war auch, dass mehrere Politiker(innen) ihre Stimme
in den ersten beiden Wahlgängen nicht dem eigenen
Kandidaten gegeben hatten. Kein Wunder also, dass drei
Wahlgänge nötig waren, bis sich Christian Wulff endlich
gegen den von SPD und Grünen ins Rennen geschickten
Joachim Gauck durchsetzen konnte.
Und damit wurde Wulff
zum jüngsten Bundespräsidenten der deutschen Geschichte.
Gleichzeitig dauerte das gesamte Wahlverfahren über neun
Stunden und war damit zu der bislang längsten
Bundespräsidentenwahl in Deutschland geworden.
Im Oktober des Politikjahres 2010 starb
Hannelore „Loki“ Schmidt im Alter von 91 Jahren in
Hamburg. Sie war über 68 Ehejahre an der Seite von
Altkanzler
Helmut Schmidt und hatte sich nach einem
schweren Sturz, bei dem der rechte Knöchel gebrochen
worden war, nicht wieder erholen können.
Der Tod von Hannelore Schmidt – eine grenzenlose
Optimistin.
Die Trauerfeier für Hannelore Schmidt fand in der
Hauptkirche St. Michaelis in Hamburg statt. Insgesamt
waren mehr als 2200 Menschen gekommen – zu den geladenen
Gästen zählten z.B. Bundeskanzlerin
Angela Merkel,
Ex-Kanzler
Gerhard Schröder, Ex-Bundespräsident
Richard
von Weizsäcker, der ehemalige Außenminister
Hans-Dietrich Genscher und der ehemalige
Ministerpräsident von Sachsen, Kurt Biedenkopf. Info: An
diesem traurigen Tag trug Helmut Schmidt beide Eheringe
(also auch den seiner geliebten Frau).
Castor-Transport 2010
Anfang November
des Politikjahres 2010 fiel der Startschuss für den
nächsten Castor-Transport (nach einer Pause von zwei
Jahren). Dieser sollte dieses Mal über 123 Tonnen hoch
radioaktiven Atommüll aus dem französischen Valognes
nach Deutschland bringen. Insgesamt 1000 Kilometer
zählte die zurückzulegende Strecke ins niedersächsische
Gorleben. Der Atommüll des Castor-Transports 2010
stammte aus deutschen Atomkraftwerken und war in
Frankreich wieder aufbereitet worden. Bei diesem Prozess
werden hochgiftiges Plutonium und Uran aus abgebrannten
Brennelementen (ab)getrennt.
Nur zwei Stunden nach der
Abfahrt wartete die erste Blockade auf den Transport.
Rund 30 Aktivisten hatten sich an die Bahngleise
gekettet – das allerdings hielt den Transport am Ende
„nur“ drei Stunden auf – danach konnte es weitergehen.
Gleichzeitig war die zur Tradition gewordene
Castor-Auftaktdemonstration im Wendland in Niedersachsen
gestartet. Hier trafen sich dieses Mal rund 50.000
Menschen und sprachen sich gegen die Atompolitik der
Bundesregierung aus (die Demonstration war 2010 übrigens
zur größten und protestreichsten ihrer Art geworden).
Gemeinsam wollten sie sich gegen das Vorhaben der
Regierung stellen, dass Atomkraftwerke länger laufen
sollen.
Riesige Massenproteste gegen Castor-Transport ins
Atommülllager.
Insgesamt sollten im Politikjahr 2010 rund 20.000
Polizeibeamte dafür sorgen, dass die elf weißen
Castorbehälter sicher an ihr Ziel gelangen konnten.
Aufgrund des heftigen
Widerstandes (der dieses Jahr
extrem groß war), erreichte der zwölfte Castorzug erst
einen Tag später als geplant das Zwischenlager im
niedersächsischen Gorleben.
Info: Schon in wenigen
Monaten wird der nächste Castor-Transport wieder durch
Deutschland rollen. Themenwechsel: Einer, der im
Politikjahr 2010 immer wieder mit Lobeshymnen nahezu
überhäuft wurde, war Bundesverteidigungsminister
Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU). Die Medien und
Pressevertreter bezeichneten ihn immer wieder als
Superstar seines Kabinetts – und so viel Zuspruch
schafft Vertrauen und fördert scheinbar den Tatendrang
eines Ministers. So konnte zu Guttenberg etwas
erreichen, was vielen Politikern zuvor niemals gelungen
war: Die Aussetzung der Wehrpflicht. Diese war von der
schwarz-gelben Koalition kurzerhand beschlossen worden.
Ab dem 1. Juli des nächsten Jahres werden keine jungen
Männer mehr zum Dienst an der Waffe eingezogen. Ganz
klar, dass unser Verteidigungsminister die eigenen und
auch die Reihen der anderen Parteien mit dieser
Sensationsleistung in Verblüffung versetzte. Denn
Kritiker hatten zu Guttenberg keinerlei Chancen
eingerechnet – selbst nicht bei CDU und CSU. Damit
gelang ihm eine Reform, die eine beachtliche
Veränderungen in der Historie der Bundeswehr bedeutete.
Glückwunsch dazu, Herr zu Guttenberg.
Das Politikjahr 2010 – interessant, bewegend, kurz und
deutlich.
Heftige politische Diskussionen wurden auch 2010 zum
Thema
Stuttgart 21 geführt. Denn auch weiterhin fühlt
sich die Öffentlichkeit nicht ausreichend über das
Projekt informiert – denn wichtige Risiken von Stuttgart
21 sollen bewusst und sogar mit politischer
Rückendeckung verschwiegen worden sein. Info: Hinter der
Bezeichnung Stuttgart 21 (kurz „S21“ genannt) steht das
Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des
Eisenbahnknotens Stuttgart.
Dabei soll der Stuttgarter
Hauptbahnhof zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof
umgestaltet werden. Bauherr dieses stark umstrittenen
Projektes ist die Deutsche Bahn – weiterhin gehören u.a.
die Bundesrepublik Deutschland, das Land
Baden-Württemberg oder auch die Landeshauptstadt
Stuttgart zu den Finanzgebern.
Übrigens - aufgrund der
extremen Proteste der Bevölkerung, die teilweise mit dem
Einsatz von Polizei, Wasserwerfern und Reizgas beendet
werden mussten, wählte die Gesellschaft für Deutsche
Sprache die Bezeichnung „Wutbürger“ zum
Wort des Jahres
2010.
Ein Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 in den
Jahren 2007 und 2008 war bereits abgelehnt worden – im
Oktober und November 2010 sollte nun eine Schlichtung
für mögliche Verbesserungen sorgen. Damit wurde Dr.
Heiner Geißler (Bundesminister a.D.) als Schlichter
eingesetzt – er sollte die Befürworter und Gegner des
S21-Projektes wieder an einen Tisch bringen, um wichtige
Fragen miteinander diskutieren zu können.
Der Erfolg
blieb allerdings erst einmal aus. „Jetzt“ – so heißt es
– „hoffe man auf ein Gelingen der Schlichtungsgespräche
in 2011“. Ob das funktionieren kann!? Mehr Informationen
dazu gibt es demnächst hier bei uns – im Politikjahr
2011.
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