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Das Modejahr 1919 Mode – Turbulent und voller Hoffnung


Es begann turbulent, das erste Nachkriegsjahr. Im Januar erschütterte der Spartakus-Aufstand das Land, die Kommunistische Partei Deutschlands wurde gegründet und ihre Begründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden von Soldaten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet. Dennoch erstarkten die demokratischen Kräfte im Land, das zur Weimarer Republik geworden war. Kurt Eisner rief den Freistaat Bayern aus, die sogenannte Räterepublik Bayern. Auch er wurde kurze Zeit später erschossen.
Offiziell wurde der Erste Weltkrieg im Juni 1919 durch den Versailler Friedensvertrag beendet. Den Menschen in der Weimarer Republik war der Frieden ohnehin noch nicht zur Gewohnheit geworden. Dazu ging es im Land noch viel zu rebellisch zu. Frieden wollten alle, doch demokratische Kräfte sollten deswegen auch nicht an die Macht gelangen. Was für ein Widerspruch!
Als in Weimar eine Hochschule für Gestaltung entstand, die Walter Gropius angeregt hatte und die die Bauhaus-Phase einleitete, wuchs auch die Hoffnung, dass die Friedenszeiten trotz der Wirrnisse auch die Mode wieder aufleben lassen würden. Noch entbehrte das, was die Frauen anzogen, jeglicher Ausgefallenheit. Hauptsächlich trugen sie Kittelkleider, die ein schlichter, gerader Schnitt auszeichnete. Sie fielen lose über den Körper, der nun kaum noch in ein Korsett gezwängt wurde. Durch einen Gürtel wurden diese Kleider zusammen gehalten. Die Höhe der Gürtung war wahlweise dem Geschmack der Trägerin überlassen. Der Saum erreichte die Waden. Die Knöchel blieben frei. Durch das Zusammenziehen des Saumes entstand eine fassähnliche Silhouette. Das Material war zumeist noch aus dem Bestand des noch Vorhandenen. Es war nicht gerade edel, aber haltbar und würde wohl noch eine Saison überstehen, bevor sich die Zeiten in den Zwanzigern zum Besseren veränderten. Die Menschen wollten das glauben und es tat ihnen gut. Noch waren dunkle, gesetzte Farben für die Kittelkleider typisch. Außer dem am meisten getragenen Schwarz, gab es graue, blaue oder lilafarbene Stoffe.
In der Mitte des Jahres, als es wärmer wurde, gab sich auch die Mode etwas wärmer. Es kamen Kleider zum Vorschein, die wieder fantasiereich und heiter wirkten. Röcke mit Volants oder Tuniken mit Stickereien erfreuten die Augen der Betrachter. Sogar ein etwas frech anmutendes Badekleid wurde von den Damen favorisiert. Immerhin waren Ausflüge in die Sommerfrische wieder angesagt. Man durfte und wollte sich erholen und unterhalten. Fünf Jahre Krieg hatten an den Menschen gezehrt, vor allem an den Männern, die ihn überlebt hatten. Die meisten von ihnen hatten diese Jahre nicht unverletzt überstanden.
Zur zweiten Jahreshälfte wurde eine neue Mode kreiert, die sich immerhin sichtbar von der totalen Schlichtheit der letzten Jahre abhob. Tütentaschen waren neuerdings der letzte Schrei. Röcke ohne
Volants oder auffallende Raffungen waren kaum mehr denkbar. Die Linie um die Hüfte wurde breiter durch die Rund-um-Aufnähungen solchen Aufputzes. Abends wurden die Ausschnitte wieder tiefer getragen, reichten mitunter spitz oder eckig bis zur Taille. Sie waren natürlich mit einem Spitzeneinsatz in eine angemessene Artigkeit gebracht worden. Aber es sah dennoch erfrischend keck aus.
Eine merkliche Veränderung erfuhr auch die Herrenmode. Alte Uniformen wurden zu tragbaren und zivil aussehenden Sakkos umgearbeitet. Wollte Mann mit einem neuen Sakko ausgehen, musste er noch auf mindere Stoffqualität zurückgreifen, denn der Mangel an allen Dingen des Lebens war noch nicht beseitigt. Dafür waren die Einschnitte zu gewaltig gewesen. Damit das Sakko nicht in sich zusammenfiel, wurde ein Steifleinenfutter eingenäht. Es machte das Kleidungsstück zum sogenannten Stehbrust-Sakko. Mann hatte durch den Schnitt, der Körpernähe vorschrieb, eine schmale Taille. Die Hosen waren locker gearbeitet, um die Bequemlichkeit am Bund zu gewährleisten, doch nach unten hin wurden sie auffallend schmal. Man nannte diese Hosen auch Korkenzieherhosen. Weil sie zudem am Knöchel endeten, trugen die Männer meist Gamaschen. Nicht sehr englisch, aber endlich wieder zivil.
Alle Damen und Herren waren froh, dass der Krieg vorbei war. Sie sahen den Zwanzigern entgegen, hofften auf eine bessere Zeit, ohne zu ahnen, dass die Unruhen noch längst nicht ausgestanden waren. Dass die Zwanziger golden werden würden, hatte ihnen niemand prophezeit. Glücklicherweise ahnte auch niemand, dass dem Ersten Weltkrieg zwanzig Jahre später ein zweiter folgte.

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