1910
1911
1912
1913
1914
1915
1916
1917
1918
1919
Das
Modejahr 1919 Mode – Turbulent und voller
Hoffnung
Es begann turbulent, das erste Nachkriegsjahr. Im
Januar erschütterte der Spartakus-Aufstand das Land,
die Kommunistische Partei Deutschlands wurde
gegründet und ihre Begründer Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht wurden von Soldaten der
Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet. Dennoch
erstarkten die demokratischen Kräfte im Land, das
zur Weimarer Republik geworden war. Kurt Eisner rief
den Freistaat Bayern aus, die sogenannte
Räterepublik Bayern. Auch er wurde kurze Zeit später
erschossen.
Offiziell wurde der
Erste Weltkrieg im Juni 1919
durch den Versailler Friedensvertrag beendet. Den
Menschen in der Weimarer Republik war der Frieden
ohnehin noch nicht zur Gewohnheit geworden. Dazu
ging es im Land noch viel zu rebellisch zu. Frieden
wollten alle, doch demokratische Kräfte sollten
deswegen auch nicht an die Macht gelangen. Was für
ein Widerspruch!
Als in Weimar eine Hochschule für Gestaltung
entstand, die Walter Gropius angeregt hatte und die
die Bauhaus-Phase einleitete, wuchs auch die
Hoffnung, dass die Friedenszeiten trotz der
Wirrnisse auch die Mode wieder aufleben lassen
würden. Noch entbehrte das, was die Frauen anzogen,
jeglicher Ausgefallenheit. Hauptsächlich trugen sie
Kittelkleider, die ein schlichter, gerader Schnitt
auszeichnete. Sie fielen lose über den Körper, der
nun kaum noch in ein Korsett gezwängt wurde. Durch
einen Gürtel wurden diese Kleider zusammen gehalten.
Die Höhe der Gürtung war wahlweise dem Geschmack der
Trägerin überlassen. Der Saum erreichte die Waden.
Die Knöchel blieben frei. Durch das Zusammenziehen
des Saumes entstand eine fassähnliche Silhouette.
Das Material war zumeist noch aus dem Bestand des
noch Vorhandenen. Es war nicht gerade edel, aber
haltbar und würde wohl noch eine Saison überstehen,
bevor sich die Zeiten in den Zwanzigern zum Besseren
veränderten. Die Menschen wollten das glauben und es
tat ihnen gut. Noch waren dunkle, gesetzte Farben
für die Kittelkleider typisch. Außer dem am meisten
getragenen Schwarz, gab es graue, blaue oder
lilafarbene Stoffe.
In der Mitte des Jahres, als es wärmer wurde, gab
sich auch die Mode etwas wärmer. Es kamen Kleider
zum Vorschein, die wieder fantasiereich und heiter
wirkten. Röcke mit Volants oder Tuniken mit
Stickereien erfreuten die Augen der Betrachter.
Sogar ein etwas frech anmutendes Badekleid wurde von
den Damen favorisiert. Immerhin waren Ausflüge in
die Sommerfrische wieder angesagt. Man durfte und
wollte sich erholen und unterhalten. Fünf Jahre
Krieg hatten an den Menschen gezehrt, vor allem an
den Männern, die ihn überlebt hatten. Die meisten
von ihnen hatten diese Jahre nicht unverletzt
überstanden.
Zur zweiten Jahreshälfte wurde eine neue Mode
kreiert, die sich immerhin sichtbar von der totalen
Schlichtheit der letzten Jahre abhob. Tütentaschen
waren neuerdings der letzte Schrei. Röcke ohne
Volants oder auffallende Raffungen waren kaum mehr
denkbar. Die Linie um die Hüfte wurde breiter durch
die Rund-um-Aufnähungen solchen Aufputzes. Abends
wurden die Ausschnitte wieder tiefer getragen,
reichten mitunter spitz oder eckig bis zur Taille.
Sie waren natürlich mit einem Spitzeneinsatz in eine
angemessene Artigkeit gebracht worden. Aber es sah
dennoch erfrischend keck aus.
Eine merkliche Veränderung erfuhr auch die
Herrenmode. Alte Uniformen wurden zu tragbaren und
zivil aussehenden Sakkos umgearbeitet. Wollte Mann
mit einem neuen Sakko ausgehen, musste er noch auf
mindere Stoffqualität zurückgreifen, denn der Mangel
an allen Dingen des Lebens war noch nicht beseitigt.
Dafür waren die Einschnitte zu gewaltig gewesen.
Damit das Sakko nicht in sich zusammenfiel, wurde
ein Steifleinenfutter eingenäht. Es machte das
Kleidungsstück zum sogenannten Stehbrust-Sakko. Mann
hatte durch den Schnitt, der Körpernähe vorschrieb,
eine schmale Taille. Die Hosen waren locker
gearbeitet, um die Bequemlichkeit am Bund zu
gewährleisten, doch nach unten hin wurden sie
auffallend schmal. Man nannte diese Hosen auch
Korkenzieherhosen. Weil sie zudem am Knöchel
endeten, trugen die Männer meist Gamaschen. Nicht
sehr englisch, aber endlich wieder zivil.
Alle Damen und Herren waren froh, dass der Krieg
vorbei war. Sie sahen den Zwanzigern entgegen,
hofften auf eine bessere Zeit, ohne zu ahnen, dass
die Unruhen noch längst nicht ausgestanden waren.
Dass die Zwanziger golden werden würden, hatte ihnen
niemand prophezeit. Glücklicherweise ahnte auch
niemand, dass dem Ersten Weltkrieg zwanzig Jahre
später ein zweiter folgte.
<<
Mode 1918
|
Mode 1920 >>