1920
1921
1922
1923
1924
1925
1926
1927
1928
1929
Das
Modejahr 1920 Mode – Armes Deutschland mit neuen
Schuhen
Die fatalen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges
waren auch im zweiten Jahr nach dessen Beendigung
noch überall im Lande zu spüren. Die Menschen
entbehrten nicht nur Lebensmittel. Das
eingeschränkte Angebot betraf alle Bereiche des
Lebens, so auch die Mode. Umso größer war die
Sensation, als es endlich wieder Schuhe zu kaufen
gab.
Gazetten hatten schon vor 1914 über den sogenannten
Bubikopf berichtet, der in Frankreich für
Aufsehen
gesorgt hatte. Diese Kurzhaar-Frisur für Frauen war
von den Herrenschnitten inspiriert und galt damals
als geschmacklos. Wenige Jahre später setzte sich
der Bubikopf in Frankreich durch. Dafür hatte eine
Modeschöpferin namens Gabrielle Chanel gesorgt. In
Deutschland war es die Schauspielerin Asta Nielsen,
die die Pagenfrisur salonfähig machte.
Die Berichterstattung in den Gazetten über die
modischen Veränderungen in Paris war spärlich.
Was
hier und da bekannt wurde, hatte nicht sofort
Einfluss auf die Kleidung der Frauen in Deutschland.
Hier trug man derzeit Röcke und Kleider, deren
Schnitte die Betonung der Hüften auf die Spitze
trieb. Besonders die abstehenden Taschen waren
geeignet, Spötter auf den Plan zu rufen. Die Röcke
wippten, hatten Faltenfächer und wurden mit einem
zusammenklappbaren Regenschirm verglichen. Die Länge
der Kleidung hatte sich zwischen Knie und dem Beginn
der Wade eingependelt. Das galt als kurz, wurde aber
nicht als sehr damenhaft angesehen.
Angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung
hungerte, Familien sich ohne Väter und Ehegatten
durchschlagen mussten und der Kampf um das tägliche
Überleben kaum Zeit für Trauer um die Gefallen ließ,
wunderte sich niemand, dass die Menschen jede
Gelegenheit wahrnahmen, um sich zu vergnügen.
Bewahrten sich die Frauen im Alltag noch eine
bescheidene Eleganz, so mussten es bei abendlichen
Tanz- und Lustbarkeitsveranstaltungen besonders
bunte, glitzernde, völlig verrückte Kleider sein.
Auffallen und Vergessen war angesagt. Zumindest
nachts. Während die Herren für so ein Abendereignis
meist im Smoking oder im Cutaway erschienen, boten
die Damen einen sehr kontrastreichen Anblick. Lange
Perlenketten, Federn in unübersehbarer Größe oder
Brokat waren dabei keine Ausnahme-Accessoires bzw.
–Materialien. Die Variationen der Tanzkleider waren
Aufsehen erregend. Die Frauen waren selbstbewusst,
trugen sie mit Stolz. Den Männern gefiel es. Ob
ihnen jedoch bewusst war, mit welchen Vamps sie es
später zu tun bekommen sollten, ist ungeklärt.
Der Franzose Paul Poiret fand zahlreiche
Abnehmerinnen aus begüterten Kreisen, die sich für
seine pompösen Kleider begeisterten. Anregungen aus
Fernost spiegelten sich in den Stickereien und
Ausschmückungen wider und Dekolletés, die grandiose
Ausblicke ermöglichten, waren charakteristisch. Der
Begriff „Schwere Zeiten“ schien ein Fremdwort. Im
Gegensatz zur Extravaganz eines Paul Poiret
offerierte Gabrielle Chanel schlichte Eleganz. Wenig
Stoff war auch für ihre Futteral-Kleider nötig, die
sie für den Abend vorschlug. Es waren kleine
schwarze, sehr aparte Kreationen, die sich ihre
Berühmtheit als „Kleines Schwarzes“ bis in die
Neuzeit erhielten. Ihre Mode war
bequem, hatte eine knappe
Wadenlänge und zum Rock gehörte eine Jacke,
die hüftlang war und mit einem Gürtel getragen
wurde. Den größten Erfolg erntete die Französin –
ihre Freunde nannten sie Coco – mit der Kreation
ihres Parfüms „Chanel Nr. 5“.
Die Tageskleidung der einfachen Frauen wurde von
Mantelkleidern bestimmt. Zur Hüftbetonung kamen
hohe, auffallende Stehkragen. Velours-Jackenkleider
gefielen den Damen besonders, denn sie hatten eine
Glockenform. Eine willkommene Neuheit.
Die Männer waren von Extravaganz weit entfernt. Sie
trugen die Uniformen auf, allerdings in geänderter
Form. Der Schnitt des Sakkos war seit drei Jahren
gleich. Der Oberkörper verdankte seine gedrungene
Optik der hohen Taille. Die Schulterpartien wurden
bewusst breit betont. So sah selbst der magere Mann
einem Herkules ähnlich, wenn auch nicht vorteilhaft.
Sehr verbreitet waren die sogenannten
Korkenzieher-Hosen. Sie waren ziemlich kurz, wurden
zum Saum hin eng.
Der Beginn des neuen Jahrzehnts war von den
unterschiedlichsten Ereignissen dominiert. Während
Adolf Hitler im Münchner Hofbräuhaus ein
25-Punkte-Programm verkündet, die Olympiade in
Antwerpen ohne das Deutsche Reich stattfand, das
inzwischen Weimarer Republik hieß, schwappte aus
Amerika eine Tanzmusik herüber, die alle
begeisterte: der Jazz.
<<
Mode 1919
|
Mode 1921 >>