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Das
Modejahr 1918 Mode – Der Staat wachte über die
Garderobe
Das letzte Kriegsjahr war angebrochen. Textilien bot
nur noch der Schwarzmarkt an und auch das nur in
sehr geringem Umfang. Es war fast aussichtslos, neue
Kleidungsstücke zu bekommen. Seit 1916 gab es
seitens des Kriegsversorgungsamtes die Möglichkeit,
entbehrliche Garderobe aus privatem Besitz zu
beschlagnahmen. Wer kaum etwas zu essen hatte und
wem es zudem noch massiv an Kleidung mangelt, der
fragte bei einem Kleidungsstück nicht mehr, ob es
der Mode entsprach oder nicht. Das Interesse
daran war nahezu erloschen. Kein Wunder. Dennoch
wollten die Frauen nicht vollständig auf ein
Erscheinungsbild verzichten, dem der Mangel nicht
sofort anzusehen war. Fantasie und Geschick waren
nötig, um Garderobe umzuarbeiten, aus Altem etwas
Neues, vielleicht sogar Schöneres zu fertigen. Die
Accessoires boten die besten Möglichkeiten der
Wiederverwendung. Doch auch die waren fast aus allen
Haushalten verschwunden. Schmuck und Lederschuhe
waren bei den meisten Menschen längst beschlagnahmt
worden. Alles floss in die Kriegsmaschinerie. Die
Garderobe gefallener Ehemänner oder Söhne, die noch
im heimatlichen Schrank hing, wurde für die Frauen
zu neuer Garderobe verarbeitet, immer darauf
bedacht, die Regeln der Kleiderverordnung nicht zu
verletzen. Dass der
Erste Weltkrieg im November 1918
zu Ende ging, konnte im Deutschen Reich keiner mit
Bestimmtheit voraussagen, dennoch war fast allen
Menschen angesichts der Millionen Toten die Euphorie
der Anfangszeit vergangen. Es war still geworden im
Deutschen Kaiserreich. Modisch ohnehin.
Durch die Ablehnung der französischen Mode und dem
Versuch, eine eigenständige, deutsche Mode zu
schaffen, entging den Frauen, was sich in anderen
Ländern bereits durchgesetzt hatte: die völlige
Abkehr vom Korsett. Soviel Befreiung war der
deutschen Frau nicht in vollem Umgang vergönnt
gewesen, obwohl sie am Anfang des Jahrzehnts davon
einiges mitbekommen hatte. Später war sie gezwungen,
sich aus Gründen der Ideologie weiterhin
einzuzwängen. Deshalb war im letzten Kriegsjahr die
Mode immer noch streng. Und streng rationiert. Je
nachdem, wie der eigene Bestand an Garderobe aussah,
konnten die Frauen wenigstens den Trend der
wadenlangen Saumlänge mitmachen. Und seit dem
Vorjahr variierten
auch die Ärmel. Mehr oder weniger weit, aber fast
immer angeschnitten. Das hing beim Selbstnähen von
den Fertigkeiten der Näherin ab. Auch die Frage, ob
ein Rock Taschen hatte oder nicht, hing davon ab. Um
der eigenen Erscheinung ein wenig Abwechslung zu
verleihen, spielten die Näherinnen auch mit dem
Dekolleté. Beliebt war seit 1916 das sogenannte
Schiffchen-Dekolleté, auch Boots-Ausschnitt genannt.
Im Alltag fand man nach wie vor schmale Taillen,
bedingt durch den Mangel an Nahrungsmitteln
einerseits und andererseits deshalb, weil das
Deutsche Modeamt das Korsett noch nicht verdammt
hatte. Von knapp unterhalb der Büste erinnerte die
Garderobe an den Sans-Ventre-Stil. Der Knöchel war
nur knapp bedeckt oder wie im Fall der
Kriegskrinoline mit einer Stiefelette, damit der
sittsame Eindruck erhalten blieb. In Höhe der Knie
waren Volants angesagt, falls Frau den Stoff für
einen solchen Aufputz erübrigen konnte.
Als der Erste Weltkrieg endlich mit einem
Waffenstillstand am 11. November endete, hatten
weltweit insgesamt 17 Millionen Menschen ihr Leben
eingebüßt. Die österreichisch-ungarische
Doppelmonarchie zerbrach. Auch das Kaiserreich
Wilhelms II. hatte keinen Bestand mehr. In der
Endphase des Krieges brachte die Novemberrevolution
den Deutschen eine Republik, die Abdankung des
letzten deutschen Kaisers und eine schwere
Nachkriegszeit.
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