1910
1911
1912
1913
1914
1915
1916
1917
1918
1919
Das
Modejahr 1917 Mode – Rebellionen ohne Mode
Im russischen Zarenreich war die Mode derzeit auch
kein vordergründiges Thema. Schließlich war das
riesige Land ebenso wie andere Länder in die
Schlachten des Ersten Weltkriegs involviert. Dennoch
vollzog sich dort noch ein ganz anderes Ereignis,
das die Welt verändern sollte. Die Bevölkerung hatte
die harte, erbarmungslose Herrschaft des Zarenhauses
satt und rebellierte. Es kam zur Februarrevolution,
in deren Folge der Zar Nikolaus II. am 15. März
abdankte. Das Ende einer mächtigen Dynastie würde
Einfluss auf das Ende der Dynastien in Europa haben.
Auf die Mode sicher weniger.
Im Deutschen Reich prägte der enorme Mangel an allem
inzwischen den Alltag der zivilen Bevölkerung.
Die
Bekleidungsindustrie konnte den Bedarf nicht mehr
decken. Das hatte zur Folge, dass die
Reichsbekleidungsstelle mit Sitz in Berlin den
Umgang mit Web- und Strickwaren aller Art
nachdrücklich einschränkte. Eine entsprechende
Kleiderordnung gab Auskunft über die Einzelheiten.
Auch Schuhe waren Mangelware geworden. Die neue
Kleiderordnung schrieb den Frauen vor, was sie haben
durften und was zuviel des Guten war. So musste sich
Frau damit abfinden, im Alltag nur noch zwei
Bekleidungsstücke und dazu eines für den Sonntag
besitzen zu dürfen. Ein Kleiderrock, ein oder zwei
Blusen und je nach Jahreszeit ein Mantel; mehr war
nicht erlaubt. Die Frauen mussten mit drei Schürzen
auskommen, einem Paar Winterhandschuhen und – hier
wurde die Kleiderordnung besonders perfide – sechs
Taschentüchern. Da Männern und Frauen auch nur noch
zwei Paar Schuhe und ein Paar Winterstiefel
zustanden, mutete es geradezu großzügig an, dass
wenigstens die Kopfbedeckungen keiner Einschränkung
unterlagen. Hüte für heitere Anlässe wurden ohnehin
nicht benötigt. Die Frauen kümmerten sich um die
Trauerkleidung und um die entsprechenden schwarzen
Hüte. Es waren schwarze Zeiten. Makaber war es
allerdings, dass ausgerechnet für die Trauerhüte in
den Zeitungen Reklame gemacht wurde.
Regeln haben Ausnahmen, die sie bestätigen. Im Falle
der Kleiderordnungs-Regeln wurden im Krankheitsfall
derartige Ausnahmen gewährt. Trotz oder gerade wegen
der schlimmen Zeiten versuchten die Frauen sich
dennoch so gut wie möglich zu kleiden. Es darf wohl
nicht übersehen werden, dass nicht alle Damen von
der kriegsbedingten Mangelwirtschaft betroffen
waren. Für alle anderen war es üblich, alte
Garderobe aufarbeiten zu lassen. Wer das nicht
selbst konnte, wandte sich an die annoncierenden
Änderungsschneidereien. Selbst die Kriegskrinoline,
die wegen ihrer Weite eine Menge Stoff benötigte,
war spätestens in diesem Jahr „eingeschrumpft“. Der
Tonnenrock und das Kittelkleid entstanden. In den
gängigen Zeitschriften wurden Schnittmuster
abgedruckt, die das Selbstnähen erleichterten.
Längst war es zur Normalität geworden, dass in den
Zeitungen „solide Frühjahrs-Anzüge“ angepriesen
wurden, die
aus Resten und Altkleidung hergestellt worden waren.
Die Not machte erfinderisch. Das galt für die
meisten Menschen im kriegsgeschüttelten Deutschen
Reich, das fast nur noch aus Frauen zu bestehen
schien. Doch das Leid und die Not waren offenbar
noch nicht so groß, dass die Menschen offenkundig
rebellierten. Ganz anders im russischen Reich. Dort
hielten es die Menschen nicht mehr aus. In der Nacht
des 7. November kam es zur alles entscheidenden
Revolution, die wegen des in Russland gültigen
julianischen Kalenders als Oktoberrevolution in die
Geschichte einging. Wladimir Iljitsch Lenin und
seine Anhänger hatten die Grundlage für ein Land
geschaffen, in dem der Kommunismus mächtig werden
sollte. Das zog noch längst keine Modetrends nach
sich, wohl aber Friedensgespräche mit dem Deutschen
Reich. Die üppigen Pelzroben, die in Russland bei
den begüterten Menschen eine Selbstverständlichkeit
waren, hatten den Besitzer gewechselt, blieben aber
weiterhin den Russen vorbehalten. Sibirische Kälte
russischen Ausmaßes gab es in deutschen Landen
nicht.
Das Jahr 1917 war ein Jahr epochaler Ereignisse. Die
Mode spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Das
war allerdings nicht der Grund für das Ableben des
deutschen Luftschiffkonstrukteurs Ferdinand Graf von
Zeppelin. Der umtriebige Technik-Pionier war knapp
80 Jahre alt geworden. Dass in diesem Jahr der
Friedensnobelpreis an das Internationale Komitee des
Roten Kreuzes ging, sprach eine deutliche Sprache.
Mit der durchweg weißen Arbeitsbekleidung hatte das
aber nichts zu tun.
<<
Mode 1916
|
Mode 1918 >>