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Literaturjahr 1916
Literatur in Deutschland
Der
Erste Weltkrieg nahm seinen blutigen Verlauf, in
Verdun fielen mehr als 700.000 Soldaten auf
französischer und deutscher Seite, die Schlacht nahm
kein Ende. In Berlin sprach Karl Liebknecht sich
gegen den Krieg aus und Rosa Luxemburg wurde ein
Jahr zuvor bereits verhaftet und wegen
Antikriegsaufrufe ins Gefängnis gesperrt, von wo sie
ihre schönen und gedankenvollen Briefe schrieb, die
als Buchformat erst Jahre später veröffentlicht
wurden.
Nachdem der Expressionismus einer neuen Stimmung und
Bewegung die Türen geöffnet hatte, formte sich 1916
eine radikalere Kunst- und Stilrichtung: der
Dadaismus. Der Begriff „Dada“ sollte als Symbol für
den kindlichen Ausdruck all das ausgrenzen, was
Krieg, Bürgerlichkeit und Weltbild repräsentierte.
Mit dem Ersten Weltkrieg als Hintergrundatmosphäre
zeigte diese Bewegung ihre Antikunst und
Protesthaltung gegen das, was geschah. Dadaismus
verstand sich als eine Kombination aus
Expressionismus und Futurismus, war Negation und
Bruch der Logik. Aussagen mussten durch Radikalität
im Ausdruck, sobald überhaupt zu erkennen, wieder
umgeworfen und aufgehoben werden. Es galt, Sätze zu
dekonstruieren, Collagen und Montagen zu kreieren,
die das Zufallsprinzip verdeutlichten.
Der Dadaismus begann in Zürich, gegründet durch
Tristan Tzara, verfeinert durch Literaten wie Hugo
Ball, Hans Arp und Macel Janco. Diese Kunstrichtung
splitterte sich auch in sich selbst noch einmal in
verschiedene Bewegungen, darunter war z. B. der
Privat-Dadaismus eines Kurt Schwitters. Wichtig beim
Dadaismus blieb durchaus auch der eigene
Widerspruch, was später die Surrealisten noch
stärker zum Ausdruck brachten. 1916 veröffentlichte
Hugo Ball sein „Cabaret Voltaire“.
Während Romain Rolland In
Frankreich sein
Antikriegswerk „Der freie Geist“ publizierte und
bald als Landesverräter unter den Patrioten galt,
hüllten sich die Symbolisten in Schweigen und Leute
wie Paul Valéry oder André Breton versuchten gar,
den Krieg vollends zu ignorieren.
Breton fand am Anfang noch Gefallen am Dadaismus,
bis er später dann seinen ganz eigenen Krieg gegen
Tzara und viele andere führte. In dieser Zeit der
versuchten Ignoranz ließ sich schließlich das
Weltgeschehen auch für ihn nicht mehr abtun. Er
wurde an die Front geschickt, in einen „Pfuhl aus
Blut, Schlamm und Idiotie“.
Zur späteren Gründung des Surrealismus' trugen u. a.
auch die „Kriegsbriefe“ von Jacques Vaché bei, von
dem Breton sich angezogen fühlte und der im Krieg
fiel, damit zum Mythos geriet. Seine Briefe waren
auf den Sommer 1916 bis Winter 1918 datiert und von
Vaché unter dem Pseudonym „Jean-Michel Strogoff“
geschrieben. In ihnen parodierte er die Pro-Haltung
und den Glauben an den Krieg vieler Patrioten.
Gleichfalls fand, so Breton später, in ihnen zum
ersten Mal jenes „automatische Schreiben“ statt, das
später zur surrealistischen Ausdrucksform vollendet
wurde.
Ein weiteres und durch seinen offenen und rohen Ton
hervorstechendes Antikriegswerk wurde 1916 von Henri
Barbusse veröffentlicht, selbst Kriegsteilnehmer und
späterer Pazifist, und trug den Titel „Das Feuer“.
Darin redete Barbusse in den rauen Stimmen der
Soldaten, berichtete vom Dreck, Leid und Tod, machte
am Anfang und Ende seines Buches die so bezeichnende
Aussage:
„Zwei Armeen im Kampf sind eine große Armee, die
Selbstmord begeht.“
Barbusse erklärte, dass nicht der Mensch, sondern
der Krieg getötet gehörte.
Zurück in Zürich, brachte James Joyce Ende des
Jahres seinen Roman „Portrait des Künstlers als
junger Mann“ heraus. Er musste England verlassen, da
ihm als britischer Staatsbürger die Inhaftierung als
„feindlicher Ausländer“ in Österreich-Ungarn drohte,
wo er sich zuvor aufhielt. Mark Twain, der Autor von
„Huckleberry Finn“, veröffentlichte ein kleineres
und eher unbekannteres Werk mit dem Titel „Der
geheimnisvolle Fremde“.
Den Literaturnobelpreis erhielt in diesem Jahr ein
Schwede, der Dichter Verner von Heidenstam, der
durch seinen Individualismus und, geprägt durch
etliche Reisen, auch Orientalismus bekannt wurde.
Der Preis wurde ihm verliehen, weil er als Erneuerer
der Literatur ab 1890 galt, indem er in seinen
Werken die „grauen Achtziger“ und den
„Schuster-Realismus“ überwand, sich gegen die
einfache Schilderung alltäglicher Umstände
aussprach. Heidenstam stellte Einfallsreichtum dem
Realismus gegenüber, fantasievolle und lebendige
Dichtung dem kritischen Symbolismus.
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