Die Mode erfasste alle
Lebensbereiche
Gewöhnlich war es die zivile Kleidung, die sich auch
auf die Soldatenkleidung auswirkte. Doch in der
Barockzeit war es umgekehrt. Hier hatte die zivile
Mode den Rock übernommen, den die Söldner in Europa
bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts trugen,
den Justaucorps.
Veränderungen in der Militärkleidung vollzogen sich
nur sehr langsam und sie betrafen meist nur Details.
Ein gravierender Einschnitt wurde etwa nach 1660
sichtbar, als die von der mittelalterlichen Kleidung
inspirierten Uniformen der sogenannten Gardetruppen
mit Pluderhosen, feschen Umhängen und Hüten mit
wippenden Federn allmählich verschwanden und einer
bequemeren Kleidung Platz machten. Der Justaucorps,
den man durchgehend zuknöpfen konnte, entwickelte
sich in den unterschiedlichsten Formen, hatte aber
überall einen ähnlichen Grundschnitt. Da er dem
Träger zudem noch eine elegante, schicke Haltung
verlieh, war es kein Wunder, dass sich gerade der
Sonnenkönig für den „Eng-am-Körper“ begeisterte und
ihn in seine eigene Garderobe integrierte. So fand
dieser Rock den Weg in die zivile, europäische
Bekleidung. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts blieb
dieser einstige Soldatenrock vorherrschend, auch bei
den Söldnern. Unterschiede gab es je nach
Landeszugehörigkeit und Waffengattung, wobei die
Farben meist auffallender waren als die der zivilen
Mode. Da diese Kleidung in großen Mengen gefertigt
werden musste, blieb die Individualität
verständlicherweise auf der Strecke.
Die Mode für die Männer war in ganz Europa recht
einheitlich und sogar im Russischen Zarenreich
schloss man sich ihr im militärischen und zivilen
Bereich an. Hier waren lediglich die Kopfbedeckungen
wegen der klimatischen Bedingungen von anderer Art.
Die einzige Garde, die kaum eine
Kleidungs-Veränderung erfuhr, war die Schweizer
Garde des Vatikans. Seit ihrer Gründung im Jahre
1506 war diese Soldatenkleidung unverändert
geblieben. Bis heute.
Dessen ungeachtet gab es in der liturgischen Mode
Veränderungen. Gerade die Zeit des ausgehenden 17.
Jahrhunderts und des beginnenden 18. Jahrhunderts
brachte einschneidende Neuerungen. Beispielsweise
die Kasel, ein liturgischen Gewand, das seinen
Träger vollständig und „weiträumig“ bekleidete,
veränderte sich zur sogenannten „Bassgeige“. Dass
der ursprünglich gotische Schnitt derart verändert
wurde, lag an den schweren Brokatstoffen, die zudem
noch mit edelsten Stickereien versehen waren. So
bedeckte die Kasel des Barocks nur noch den Rücken,
den Bauch und die Brust des Priesters. Die
Ausschnitte an der Vorderseite mussten erweitert
werden, damit sein Träger sich besser bewegen
konnte. Der so entstandenen Form verdankte die Kasel
schließlich den Namen „Bassgeige“. Einerseits
blieben die edlen und an den Luxus der Zeit
erinnernden Stickereien erhalten, andererseits war
der Kompromiss nötig, denn ein Gewand aus derart
schwerem Brokatstoff hätte den Priester in seiner
Beweglichkeit vollends eingeschränkt. Im Laufe der
Jahrhunderte erfuhren auch diese Gewänder weitere
Veränderungen, die allerdings nicht immer einer
Mode, eher einer besseren Flexibilität geschuldet
waren.
Alle modischen Veränderungen jener Zeit fanden eine
sehr langsame Verbreitung. Was einmal modern war,
hielt sich meist lange und konnte nur schwer von
Neuem verdrängt werden. Kein Wunder, denn
Informationen verbreiteten sich nicht in dem heute
vertrauten Tempo.
Von den modischen Umgestaltungen ausgenommen waren
die Trachten, die vor allem in den bürgerlichen und
bäuerlichen Schichten entstanden waren und im Laufe
des Jahrhunderts noch entstanden. Sie waren ein
stummer Ausdruck eines durchaus vorhandenen
Selbstbewusstseins, das sich nicht nach den
politischen Gegebenheiten richtete. Sie werden heute
noch in ihren ursprünglichen Formen, Schnitten und
mit ihrem gesamten Aufputz erhalten, erzählen zwar
keine Geschichten von der Mode vergangener Zeiten,
sind jedoch dennoch ein beredtes, textiles Zeugnis
der Vergangenheit und ihrer Menschen. Damals wie
heute werden sie zu besonderen Anlässen getragen und
entziehen sich noch immer hartnäckig allen Trends,
doch ihre Vielfalt ist so enorm wie die Mode selbst.
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