1700
1701
1702
1703
1704
1705
1706
1707
1708
1709
Damenbekleidung – pompös
und aufwändig
Was für die Herren der Justaucorps war, war für die
Damen der Oberschicht der Manteau. Dieses
Mantelkleid, das aus einem Rock und einem
Mieder-Oberteil bestand, entstammte der Spanischen
Hofmode des 16. Jahrhunderts und unterlag vielen,
sehr unterschiedlichen Entwicklungen. Auch die
Schnittform, die um 1700 in Europa gängig war,
sollte nicht die letzte sein. Die ständigen
Veränderungen resultierten nicht zuletzt daraus,
dass in einem Manteau sehr viel Stoff verarbeitet
worden war, den man nicht auf den ersten Blick sah,
der aber gegebenenfalls für erneute Veränderungen
genutzt werden konnte.
„Manteau“ ist das französische Wort für Mantel. Der
Manteau im Sinne der Modegeschichte war jedoch eine
spezielle Form eines Kleides, das wie ein Mantel
getragen werden konnte. Das Kleid war von großer
Eleganz und in seiner Blütezeit wurde es zusammen
mit einer Fontange angezogen. Die Fontange wiederum
war eine Hochfrisur, die ihren Namen der Herzogin
von Fontange verdankt, die als Geliebte Ludwigs XIV.
durch ein Malheur bei einer königlichen Jagd
gezwungen war, ihr versehentlich aufgelöstes Haar
mit einem Strumpfband noch oben zu binden. Diese
Situation erfreute den König sehr. Und was den König
erfreute, war den Untertanen Grund genug, diese
Zufalls-Frisur nachzuahmen. So gab man diesem
haarigen Aufbau den Namen „Fontange“ nach seiner
Erfinderin. Trends entstanden damals wie heute oft
aus grotesken Situationen. Während der Manteau kaum
mehr ohne diese Frisur denkbar war, wurden andere
höfische Gewändern durchaus auch mit anderen
Haartrachten getragen. Die Fontange blieb in der
Hauptsache dem Manteau vorbehalten. Diese Haartracht
war durchaus keine Hoffrisur, sie war nur eine Mode.
Dass die Fontange nur mit dem Manteau getragen
wurde, hatte jedoch die gleiche Wichtigkeit wie der
Schnitt des Kleidungsstückes, wollte Frau modisch
korrekt auftreten. Der Manteau zeichnete sich –
jedenfalls in den Anfangsjahren des 18. Jahrhunderts
– durch eine auffallende Linie aus, die sich von der
Fontange bis zu einer langen Schleppe zog und so
einen seltsamen Gegensatz zu den breiten, barocken
Formen bot, die ansonsten für das ausgehende 17.
Jahrhundert bis in das 18. Jahrhundert hinein
charakteristisch waren.
In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts hatte der
Manteau meist ein ovales oder herzförmiges
Dekolleté, mitunter wurde aber auch eine viereckige
Form favorisiert. Der recht großzügige Ausschnitt
wurde von einer sogenannten Hemdspitze
„abgeschwächt“. Die Ärmel waren lang und wurden
hauptsächlich als Pagodenärmel getragen. Bei diesem
Ärmel war der Stoff am Oberarm anliegend und wurde
dann zum Handgelenk hin weiter. Den Abschluss des
Ärmels bildet ein üppiger Aufschlag, der das
kostbare Innenfutter sichtbar machte. Bei kürzeren
Ärmeln, die nur bis zum Ellenbogen reichten, waren
Rüschen aus Spitze unabdingbar, um dem Zeitgeschmack
Genüge zu tun.
Typisch war beim Manteau auch der „Pariser Steiß“.
Hierbei wurde der Rockstoff in Höhe der Hüfte nach
hinten geschlagen, zudem mit Gesäßeinlagen künstlich
aufgebauscht. Diese wulstigen Aufbauschungen nannte
man Bouffants, bzw. Bouffanten. Der vordere Teil des
Rockes war mit vielen Falbeln versehen. Als Falbeln
wurden zu jener Zeit Streifen aus Spitze oder
anderem edlen Stoff bezeichnet, die dem Rock eine
horizontale Verzierung gaben. Ähnlichen Aufputz
nennt man heute Volant. Wenn die Streifen sehr
schmal waren, wurden sie auch als Rüschen
bezeichnet.
Ein Manteau wurde stets über einem Korsett getragen.
Dieses Unterwäscheteil aus Fischbein gehörte zu
allen Kleidungsstücken und wurde auch in den
bürgerlichen Kreisen getragen. Aus der Brustbinde,
die es bereits in der Antike gab, hatte sich im
Laufe der Jahrhunderte das Korsett entwickelt, ein
unverzichtbares Untergewand, dass zur Formung der
Figur, zur Unterstützung der weiblichen Brust und in
extremer Schnürform auch zur Schädigung der Haltung
beitrug. Allerdings – und das sollte keinesfalls
unerwähnt bleiben – dienten manche Formen des
Korsetts auch der Kräftigung des Rückens. In der
Spanischen Mode des ausgehenden 16. und des
beginnenden 17. Jahrhunderts wurden zur Korrektur
der Körperhaltung Korsetts hergestellt, die aus sehr
steifem Leder gefertigt wurden. Sogar Holz- oder
Eisenschienen wurden verwendet.
Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts fanden das
Mieder als Abwandlung des Korsetts, das als
Obergewand getragen werden konnte und das Korsett
als Untergewand gleichberechtigte Verwendung in der
Damenbekleidung. Da der Manteau eine Robe war, deren
unterer, vorderer Teil offen getragen wurde, mussten
die Mieder oder die geschlossenen Unterkleider reich
verziert sein.
Unter dem Manteau war es üblich, eine Jupe zu
tragen. In früheren Jahren war die Jupe eine Art
Jacke. Nach mehreren Veränderungen blieb nur der
Name übrig, das Kleidungsstück selbst aber war zu
Beginn des Jahrzehnts ein Gewand, das einem Rock
gleichkam. Es musste gut zur Geltung kommen, da es
die vordere Rocköffnung des Manteau ausglich und für
jedermann sichtbar war. Die Jupe konnte aus
demselben Stoff wie das Oberkleid sein, wurde der
besseren Auffälligkeit halber auch gern aus anderem
Stoff gefertigt. Da die Jupe größtenteils unter dem
Manteau verschwand, also nicht sichtbar war, wurden
die unsichtbaren Teile aus einfachem, ungemustertem
Stoff gearbeitet. Der kleine, sichtbare Ausschnitt
wies dafür umso schönere Verzierungen auf. Breite
Borten oder Volants aus Spitze waren besonders
gefragt. Manche Jupe hatte eine Schleppe, die unter
dem Manteau zum Vorschein kam.
Ebenfalls ein typisches Gewand der Damen im ersten
Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts war die Kontusche,
die auch als „Robe à la Française“ bekannt wurde.
Den Begriff Contouche, der in Deutschland verwendet
wurde in Anlehnung an die Modesprache Französisch,
gab es in
Frankreich in dieser Form nicht. Die
Kontusche war ein weites, taillenloses Kleid, das
den ganzen Körper einhüllte und wie ein Negligé
getragen wurde. Darunter hatten die Damen nur ihr
Korsett und ihre Unterröcke an. So konnten sie sich
des Morgens getrost in dieser Gewandung zeigen. Die
Kontusche war – um heutiges Vokabular zu benutzen –
eine Art Morgenmantel. Typisch für diese Schnittform
war die Faltenpartie, die von der Schulter abwärts
am Rücken angesetzt war und lose zu Boden fiel.
Dieser Faltenwurf bekam den Namen Watteau-Falte. Der
Maler Antoine Watteau hatte diese Falten nämlich
auffallend oft in seinen Bildern festgehalten, so
dass sie schließlich nach ihm benannt wurden.
Ähnlich wie die Kontusche war die Adrienne
geschnitten, die in diesem Jahrzehnt gleichfalls ein
charakteristisches Überkleid war. Es war vorn meist
offen, hatte keine Taillennaht, war aber in der
ursprünglichen Schnittform leicht tailliert
gearbeitet. Die Unterkleider waren in jedem Fall zu
sehen. Ebenfalls mit fließenden Quetschfalten
ausgestattet, hatte die Adrienne Pagodenärmel, die
zur Handfläche hin mit einem Aufschlag versehen
waren. Mitunter wurde diese untere Ärmelpartie auch
in Falten gelegt. Ergänzt wurde dieses Überkleid
meist mit einem Spitzenhäubchen, um den
morgendlichen Charakter zu unterstreichen, auch wenn
es manche Dame noch am Mittag trug. Man kannte die
Adrienne auch als Robe à la hollandaise, Robe im
holländischen Stil. Durch ihre Weite, die es auch
ermöglichte, auf das Korsett darunter zu verzichten,
wurde sie gleichsam als Umstandskleid genutzt.
Es entsprach dem Geltungsdrang der Zeit, Kleid über
Kleid und dann noch über Unterkleider zu tragen. Nur
so lässt sich die seltsame, höchst unbequeme Mode
verstehen. Alles war übertrieben und üppig.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in dem die
europäische Mode ausschließlich vom Französischen
Hof geprägt wurde, trugen Kinder in den
aristokratischen Kreisen dieselbe Kleidung wie die
Erwachsenen. Allerdings trugen auch die Jungs
Kleider. Das war etwa seit dem 16. Jahrhundert so
Brauch. Bis etwa zum sechsten Lebensjahr wurden alle
Knaben deshalb ebenfalls in ein Korsett gesteckt.
Danach erst durften sie sich von den Mädchen
unterscheiden und endlich auch Hosen nach dem
Vorbild des Vaters tragen. Die Kinderkleidung der
einfachen Leute richtete sich ausschließlich nach
den vorhandenen Möglichkeiten. Man nahm sich kein
Beispiel an den höfischen Gepflogenheiten. Lediglich
in den Kreisen des Bürgertums war man bestrebt, dem
Adel nachzueifern. So konnte man die Kinder wie auch
die Erwachsenen stets leicht ihrer Herkunft
zuordnen.
<<
Mode 1699
|
Mode 1710 >>