Bündnis 90/Die Grünen Geschichte
Die Grünen wurden im Januar
1980 in Karlsruhe
gegründet. Sie waren ein Sammelbecken für die seit
1977 ständig wachsenden „Neuen Sozialen Bewegungen“
(NBS) - die so genannten grünen und bunten Listen.
Diese Initiativen hatten bereits ab Beginn
1978
diverse Wahlerfolge auf Länderebene erzielt. Da die
Mitglieder der Grünen aus unterschiedlichen
politischen Strömungen kamen, gehörten innere
Auseinandersetzung um die politischen Ziele und um
die Mittel, diese zu erreichen, von Anfang an zum
Alltag der Partei.
Die Grünen entstanden nicht zuletzt deshalb, weil es
während der sozialliberalen Koalition keine
profilierte Opposition gab: Viele Teile der
Bevölkerung haderten mit den Entscheidungen der
Schmidt-Regierung zum Nato-Doppelbeschluss. Die
Friedensbewegung hatte regen Zulauf in dieser Zeit.
Zum anderen waren Anti-Atom-Bewegung und ein
wachsendes Umweltbewusstsein sowie die
Frauenbewegung und Bürgerrechte weitere Themen in
vielen Teilen der Bevölkerung, die aber in den
etablierten Parteien nur wenig Beachtung fanden.
Der Wunsch nach mehr Bürgernähe und -mitbestimmung
in der Politik war nicht neu: Schon während der
großen Koalition (1966 bis 1969) hatte es erste
Versuche gegeben, eine außerparlamentarische
Opposition (APO) zu etablieren. Damals richteten
sich die Proteste gegen die geplante
Notstandsgesetzgebung, den
Vietnamkrieg sowie die
Ausbeutung der Dritte-Welt-Länder und ein besonders
in den jüngeren Bevölkerungsteilen empfundenes
Demokratiedefizit.
Bereits im Vorfeld von Karlsruhe gründeten im März
1979 rund 500 Delegierte der „Aktionsgemeinschaft
Unabhängiger Deutscher“ (AUD) aus Bayern, der
„Grünen Liste Umweltschutz“ (GLU) aus Niedersachsen,
der „Grünen Aktion Zukunft“ (GAZ) des
Ex-CDU-Mitglieds Herbert Gruhl sowie weiterer grüner
und bunter Initiativen anlässlich der Europawahl im
Juni 1979 das Listenbündnis „Die Grünen“. Es
erreichte 3,2 Prozent. Nominierte waren unter
anderem Petra Kelly, Baldur Springmann, Herbert
Gruhl, Carl Amery und Joseph Beuys.
Im März
1980 konnte die neue Partei bei den
Landtagswahlen in
Baden-Württemberg ihren ersten
Wahlerfolg feiern. Sie erreichte 5,3 Prozent der
Stimmen. Auf Bundesebene scheiterten sie jedoch im
Oktober 1980 mit 1,5 Prozent am Einzug an der
Fünf-Prozent-Hürde. Das änderte sich erst 1983, als
die Grünen auch im Bund 5,6 Prozent erreichten.
Damit zog erstmals seit den 1950er Jahren eine neu
gegründete Partei in den Bundestag ein.
Anfangs beschlossen die Grünen für ihre Abgeordneten
das Rotationsprinzip auf Bundes- und Landesebene,
das bedeutete einen turnusmäßigen Wechsel aller
grünen Abgeordneten nach Ablauf von zwei Jahren.
Dieses Vorhaben erwies sich in der Realität
allerdings als nicht praktikabel. Von 1985 bis
1987
übernahmen die Grünen in Hessen erstmals
Verantwortung in einer Regierungskoalition mit der
SPD. Unvergessen der Auftritt von
Joschka Fischer in
Turnschuhen - damals als Affront empfunden.
Weitere Wahlerfolge auf Landesebene folgten. Und
1987 erreichten die Grünen bei den Bundestagswahlen
bereits 8,3 Prozent sowie bei den Europawahlen 1989
sogar 8,4 Prozent.
Doch trotz der Erfolge waren die Flügelkämpfe in der
Partei erheblich. In den frühen 1980er Jahren
dominierten parteiintern die Ökosozialisten, die die
Ökokrise als Folge einer allgemeinen
Kapitalismuskrise werteten und eine „ökologische
Sozialisierung“ forderten. In Baden-Württemberg
entstand mit den Ökolibertären 1983 ein
ideologisches Gegengewicht. Sie sahen die Gründe für
die ökologische Krise in einem „entfesselten“
Kapitalismus und der Wohlfahrtsbürokratie der
westlichen Staaten. Sie forderten eine
verantwortliche Haltung zur Natur, anstatt sie
auszubeuten sowie eine Dezentralisierung von
Staatsbürokratie und Großkonzernen, jedoch ohne das
herrschende Wirtschaftssystem grundsätzlich
abzulehnen, wie es die Ökosozialen taten.
Ökologisch-konservative Strömungen, wie die GAZ,
hatten die Partei bereits Anfang der
1980er Jahre
verlassen.
Die Suche nach der weiteren politischen
Vorgehensweise fand also in der Auseinandersetzung
zwischen dem fundamentalistisch-radikalen und
realpolitisch-reformorientierten Flügel der Partei
fort - bekannt geworden unter der Bezeichnung
„Fundi-Realo-Kontroverse“. Während die Realos mit
Joschka Fischer und Hubert Kleinert an der Spitze
eine Koalition mit der SPD sowie eine
Regierungsmitverantwortung nicht ausschlossen und
eine konstruktive parlamentarische Arbeit
befürworteten, sprachen sich die Fundis dagegen aus
- deren Hauptvertreter waren Jutta Dittfurth und Jan
Kuhnert. Am Ende dieser Kontroverse konnten sich die
Realos als vorherrschende Strömung durchsetzen,
allerdings kam die alte Kontroverse von Zeit zu Zeit
immer wieder - mehr oder weniger heftig - durch.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung kam es zum
Zusammenschluss mit dem „Bündnis 90“, den Grünen aus
der DDR. Zu Beginn des Jahres
1990 hatten die Grünen
in der Bundesrepublik allerdings erst einmal mit
vermehrten Parteiaustritten zu kämpfen. Grund: Der
extrem linke Flügel der Partei hatte weiter an
Einfluss verloren, da ihre Ideologie durch den
Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus
stark in Mitleidenschaft gezogen war. Teilweise
fanden die Anhänger dieser
marxistisch-sozialistischen Strömung eine neue
Heimat in der frisch gegründeten Partei des
Demokratischen Sozialismus (PDS).
Trotz personeller und ideologischer Neuorientierung
scheiterten die Grünen im Westen bei der
Bundestagswahl 1990 an der Fünf-Prozent-Hürde, nicht
zuletzt, weil ihre Haltung zur deutschen Einheit
sehr indifferent war. Dabei ging es im Wesentlichen
um die Pole Konföderation oder Vereinigung. Ihr
Motto: „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom
Klima“ konnte den Nerv der Zeit nicht treffen.
Die Niederlage zog weitere, grundlegende und
strukturelle Änderungen nach sich. Die Grünen
strebten eine Professionalisierung an und
beschlossen, ihr Image als „ökologische
Reformpartei“ auszubauen. Diese Entscheidung führte
zur weiteren Abspaltung von rund 300
Parteimitgliedern des linken Flügels um Jutta
Dittfurth.
Im Osten Deutschlands kam es nach dem Sturz des
DDR-Regimes zur Gründung des „Bündnis 90“, einem
Zusammenschluss ehemaliger Bürgerrechtler der DDR
(aus dem „Neuen Forum“, der „Initiative Frieden und
Menschenrechte“ sowie „Demokratie Jetzt“). Bei den
Volkskammerwahlen der DDR im
März 1990 erreichte das
„Bündnis 90“ 2,9 Prozent der Stimmen. Zusammen mit
der Grünen Partei der DDR, die sich im Herbst 1989
gegründet hatte und die 2 Prozent bei den Wahlen
erreicht hatte, bildeten sie die Fraktion „Bündnis
90/Grüne“ und traten gemeinsam zu den ersten
gesamtdeutschen Wahlen im Dezember 1990 an.
Damals noch unabhängig von den West-Grünen,
erreichte das Bündnis im Osten Deutschlands 6,1
Prozent und in Gesamtdeutschland 1,2 Prozent. Weil
die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl 1990
für Ost und West getrennt galt, zog die Fraktion aus
Ostdeutschland unter dem Namen „Bündnis 90/Grüne -
BürgerInnenbewegung“ in den Deutschen Bundestag ein.
1993 schlossen sich die Grünen und das „Bündnis 90“,
das sich
1991 als Partei gegründet hatte, zur neuen,
gesamtdeutschen Partei „Bündnis 90/Die Grünen“
zusammen. Bis zur Bundestagswahl 1994 gelang es
Bündnis 90/Die Grünen, sich erfolgreich als
Reform-Partei zu positionieren. Sie erreichten 7,3
Prozent der Stimmen und konnten die FDP bei einigen
weiteren Landtagswahlen als drittstärkste Partei
ablösen.
Einen Stimmeneinbruch auf 6,7 Prozent erlebte die
Partei jedoch bei den Bundestagswahlen im Jahr 1998.
Der Grund war unter anderem die Forderung nach einem
Benzinpreis von fünf Mark sowie die Ablehnung einer
Beteiligung Deutschlands an den SFOR-Truppen in
Bosnien. Weil jedoch Gerhard Schröders SPD bei
dieser Wahl hervorragend abschnitt, kam es trotzdem
zu einem Regierungswechsel durch Rot-Grün.
Wohl eine der größten Belastungsproben für die
Grünen in der rot-grünen Koalition war die
Entscheidung am NATO-Einsatz gegen Jugoslawien
teilzunehmen rund ein halbes Jahr nach
Regierungseintritt. Es kam
zu einer starken Polarisierung in der Partei. Die
gleichen Probleme gab es Ende 2001 wegen des
Kampfeinsatzes in Afghanistan, der Ende 2001 heftig
in der Partei diskutiert wurde.
Wichtige politische Erfolge der Grünen in der
Koalition waren die Durchsetzung des
Atom-Ausstieg-Gesetzes und die Ökosteuer. Die
rot-grüne Regierungsarbeit wurde bei den
Bundestagswahlen 2002 bestätigt und die Grünen
konnten ihren Stimmanteil auf 8,6 Prozent erhöhen.
Ein Trend, der sich bei weiteren Wahlen fortsetzte.
Auch bei den vorgezogenen Wahlen im Bund 2005
erreichten die Grünen mit 8,1 Prozent fast ihr
Ergebnis von 2002, doch diesmal reichte es nicht zur
Fortsetzung der Regierungskoalition, da die SPD
aufgrund ihrer „Agenda 2010“-Politik schwächelte. Es
kam infolgedessen zu einer Großen Koalition zwischen
CDU und SPD.
Insgesamt konnten die Grünen in den kommenden Jahren
von der Unzufriedenheit mit der Großen Koalition
profitieren. 2007 übernahmen sie wieder die
Regierungsmitverantwortung nach den Senatswahlen in
Bremen mit ihrem bis dahin besten Ergebnis von 16,5
Prozent. 2008 kam es in Hamburg erstmals zu einer
schwarz-grünen Koalition auf Landesebene, mit 9,6
Prozent und 2009 erreichten die Grünen 13,7 Prozent
bei den Landtagswahlen in Hessen. Auch 2009 bei der
Bundestagswahl setzte sich der Erfolgstrend der
Grünen mit 10,7 Prozent der Stimmen weiter fort,
doch auch hier reichte es nicht zum Sprung in die
Regierung, da die SPD weiterhin mit schlechten
Wahlergebnissen zu kämpfen hatte. Und so konnte das
historisch beste Ergebnis der Grünen auf Bundesebene
den Sieg von Schwarz-Gelb nicht verhindern.
Auf Landesebene konnten „Bündnis90/Die Grünen“
allerdings wieder verstärkt mitregieren: 2011
kehrten sie in die Landtage von Sachsen-Anhalt und
Rheinland-Pfalz zurück und konnten zum ersten Mal in
den Landtag von
Mecklenburg-Vorpommern einziehen.
Damit waren sie erstmals gleichzeitig in allen
Landtagen vertreten. Aber den größten Erfolg
erzielten die Grünen bei der Landtagswahl in
Baden-Württemberg im März 2011. Hier erreichten Sie
den zweiten Platz in der Wählergunst und konnten mit
Winfried Kretschmann den ersten grünen
Ministerpräsidenten auf Landesebene stellen -
zusammen mit der SPD als Koalitionspartner.
Biografien Politiker der Grünen