Biografie
Jürgen Trittin Lebenslauf
Die lange politische Laufbahn des Politikers Jürgen
Trittin verlief von Stationen als ultraradikaler
K-Gruppen-Bürgerschreck bis hin zum für breite
Wählerschichten vermittelbaren, relativ arrivierten
Grünen-Spitzenmann.
Der familiäre Hintergrund des am
25. Juli 1954 im
Bremer Stadtteil Vegesack geborenen
Bankdirektorenenkels Jürgen Trittin war
ausgesprochen gutbürgerlich. Die Eltern, Helene
(geb. 1933) und Klaus Trittin (1923–1998), zogen
außer Sohn Jürgen zwei weitere Kinder, Uwe und Anke,
auf. Der Vater, Geschäftsführer einer Bremer
Tauwerk-Firma, prägte die politische
Grundausrichtung seines später prominenten Sohnes
maßgeblich mit: Der ehemalige Offizier der Waffen-SS
setzte sich anders als
viele seiner Generation kritisch mit der eigenen
Rolle während der NS-Zeit auseinander und erzog
seine Kinder zu Anti-Nazis.
Der Schüler Trittin fiel als Rebell auf. Der
konfirmierte Jung-Protestant trat aus Protest gegen
das rückgratlose Schweigen der evangelischen
Kirchenoberen zu Vietnamkrieg-Verbrechen von
US-Soldaten („My-Lai-Massaker“, 1968) aus der Kirche
aus. Damals galt Trittins Schule, das Vegesacker
Gerhard-Rohlfs-Gymnasium, als Tummelplatz „roter
Rabauken“ und als Hochburg des linken Unabhängigen
Schülerbundes (USB). Der langhaarige Trittin zählte
nach Meinung seines, ihm durchaus gewogenen,
ehemaligen Sportlehrers bereits in der Mittelstufe
zu den Aufmüpfigen der Schule. Zeitweilig war
Trittin Schülersprecher. 1973 machte Trittin das
Abitur und reichte seine Kriegsdienstverweigerung
ein. Seine Verweigerung wurde nicht anerkannt, weil
nach Ansicht der entscheidenden Ausschüsse politisch
begründete Kriegsdienstverweigerungen nicht den
erforderlichen Gewissensgrund abdecken würden. Im
April 1974 wurde Trittin eingezogen und diente in
seiner Geburtsstadt als Fernmelder. Trittin zog vor
das Verwaltungsgericht, das seine
Kriegsdienstverweigerungsbegründung für statthaft
hielt. Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer
konnte Trittin sich 1974 von der Bundeswehr
abmelden. 1975 machte er in Bremen Zivildienst in
einer Einrichtung für schwer erziehbare Kinder. Von
1975 bis
1981 studierte Trittin an der Göttinger
Universität Sozialwissenschaften. Er schloss sein
Studium als Diplom-Sozialwirt ab. Trittin engagierte
sich überaus aktiv in der Studentenpolitik und hatte
Funktionen im Fachschaftsrat, im AStA und im
Studentenparlament inne. Seine politische Heimat
waren die SBL (Sozialistische Bündnisliste), ein
Zusammenschluss maoistischer und trotzkistischer
Kommunisten-Gruppen, sowie der KB (Kommunistischer
Bund). Im KB lernte er seine spätere Lebensgefährtin
Angelika Büter kennen. Er besetzte Häuser und
schrieb als freier Journalist für die „Göttinger
Stadtzeitung“. Als Student verteidigte er den heftig
umstrittenen Mescalero-Nachruf (
1977) auf das
RAF-Opfer Buback, was er später bedauerte.
Jürgen Trittin gehörte ab 1980 zu einer „Z-Gruppe“
oder „Zentrumsfraktion“ genannten, etwa 200 Köpfe
starken Abspaltung (
1979) des KB um Rainer Trampert,
Thomas Ebermann und Jürgen Reents. Die Z-Leute waren
in der Frühzeit der sich Ende der 1970er Jahre
formierenden Grünen vor allem in und um Hamburg von
erheblicher Bedeutung. Ziel der Z-Gruppe war es, die
ideologische Führung in der aus der
Anti-Atomkraft-Bewegung entstandenen Grünen-Partei
zu übernehmen. 1980 wurde Trittin Grünen-Mitglied.
1981 erhielt er den Posten eines wissenschaftlichen
Mitarbeiters der AGIL-Fraktion
(Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste) in
Göttingens Stadtparlament. von
1982 bis 1984 war er
AGIL-Fraktionsgeschäftsführer. In seiner Göttinger
Zeit adoptierte Trittin die Tochter einer Freundin.
Seine Adoptivtochter machte ihn später zum Großvater
einer Enkelin.
1984 wurde Trittin zum Sprecher der
Grünen-Landtagsfraktion in Hannover und rückte 1985
im Zuge des bei den Grünen praktizierten
Rotationsprinzips als Abgeordneter in den
niedersächsischen Landtag ein. 1985/1986 von 1988
bis 1990 war er dort Fraktionsvorsitzender.
1990 holte ihn SPD-Ministerpräsident Gerhard
Schröder als Minister für Bundes- und
Europa-Angelegenheiten ins Landeskabinett (bis
1994). Von 1994 bis 1998 gehörte Trittin als einer
der beiden
Bundesvorstandssprecher zur Doppelspitze seiner sich
in „
Bündnis 90/ Die Grünen“ umbenannten Partei.
Dieses Amt legte er gemäß der Parteivorgabe von der
Trennung von Amt und Mandat nieder, nachdem er 1998
in den Bundestag gewählt worden war.
Von 1998
bis 2005 war Trittin in den rot-grünen
Koalitionsregierungen von Kanzler Schröder für das
Umwelt-Ressort sowie 2005 kurz zusätzlich auch für
Landwirtschaft verantwortlich. In dieser Zeit setzte
er sich vor allem für die Forcierung der
Energiewende ein. Nach Ende der Rot-Grün-Regierung
2005 war Trittin als Vize-Vorsitzender in der
Bundestags-Fraktion u. a. für außenpolitische Fragen
zuständig. 2009 wurde er an die Fraktionsspitze
gewählt.
2009 trat Trittin zusammen mit
Renate Künast als
Grünen-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl an.
Bei der Bundestagswahl 2013 stellte ihn seine Partei
erneut als Spitzenmann auf. Zur Co-Spitzenfrau wurde
Katrin Göring-Eckart gewählt. Im Wahlkampf wurde
Trittin vorgeworfen, 1981 in seiner Funktion als
presserechtlich für eine
AGIL-Kommunalwahlkampf-Broschüre Verantwortlicher an
der Propagierung straffreier Pädophilie beteiligt
gewesen zu sein. Trittin räumte bedauernd politische
Einschätzungsfehler beim Umgang mit damals zum
AGIL-Umfeld gehörenden Pädophilen-Initiativen ein
und wies auf die von den Grünen in Auftrag gegebene
Aufarbeitung der „Pädophilie-Debatte“ durch
unabhängige Wissenschaftler hin.
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n.n.v.