Biografie
Hans-Christian Ströbele Lebenslauf
Der Jurist und Politiker Hans-Christian Ströbele
wurde am
7. Juni 1939 in Halle geboren. Sein Vater
arbeitete als Chemiker in den Buna-Werken in Schkopau und seine Mutter war eine Juristin. Nach
dem
Zweiten Weltkrieg zog die Familie nach Marl in
Westfalen. Dort legte Hans-Christian
1959 am
Albert-Schweitzer-Gymnasium seine Abiturprüfungen
ab. Nach einem einjährigen Dienst bei der
Bundesluftwaffe in Aurich studierte er zunächst in
Heidelberg und seit
1961 in Berlin Jura und
Politikwissenschaft.
Seine Berufslaufbahn begann Ströbele in den Zeiten
der sogenannten „
Achtundsechziger“-Bewegung. 1967
trat er als Referendar in die Anwaltspraxis von
Horst Mahler in Berlin ein und gründete mit ihm zwei
Jahre später ein „Sozialistisches Anwaltskollektiv“,
das bis 1979 bestand. Ab Mitte
1972 fungierte
Ströbele als Wahlverteidiger von RAF-Mitglied
Andreas Baader. Drei Jahre später wurde er wegen
Missbrauchs der Verteidigertätigkeit noch vor Beginn
vom Prozess in Stuttgart-Stammheim ausgeschlossen
und kurz danach verhaftet. Der Haftbefehl musste
nach wenigen Wochen wieder aufgehoben werden. Die
bundesdeutsche Justiz behielt seine Arbeit als
Anwalt für
RAF-Mitglieder aber weiter im Focus.
1980
verurteilte man Ströbele erneut zu einer
Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung. Zwei
Jahre später reduzierte das Berliner Landgericht die
Strafe auf 10 Monate. Der von Ströbele immer wieder
bestrittene Vorwurf betraf eine Hilfe beim Aufbau
eines Informationssystems für die RAF.
Die
SPD, in die er 1970 eingetreten war, schloss
Hans-Christian Ströbele bereits 1974 wieder aus,
weil er seine RAF-Mandanten als Genossen
bezeichnete. Daraufhin engagierte er sich, neben
seiner weiterhin ausgeübten Tätigkeit als
Rechtsanwalt, jetzt stärker im politischen Bereich.
Er avancierte zu einem führenden Vertreter der
außerparlamentarischen links-alternativen Bewegung
in Berlin und Deutschland. Unter anderem gehörte er
zu den Gründern der „
tageszeitung“. Seit Mitte der
achtziger Jahre war er in der „Alternativen Liste
für Demokratie und Umweltschutz“ (AL) in Berlin
aktiv. Die AL gliederte sich bald als Berliner
Landesverband den
Grünen an. Von 1985 bis
1987
gehörte Ströbele als Nachrücker der
Bundestagsfraktion der Grünen an. Dort engagierte er
sich vor allem für Themen in den Bereichen Innere
Sicherheit, Polizei, Datenschutz und Umweltpolitik.
Ein besonderes Anliegen, das er mit engagierten
Plädoyers immer wieder vortrug, war ihm die
Abschaffung aller Geheimdienste.
Im Gegensatz zu seinem damaligen Fraktionskollegen
Otto Schilly lehnte Hans-Christian Ströbele eine
Zusammenarbeit mit der SPD nach der
Bundestagswahl
1987 ab, da die Vorstellungen in den Bereichen
Umweltschutz, Kernenergie und Sicherheitspolitik zu
weit auseinander drifteten. Einer rot-grünen
Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus zwei Jahre
später stand er allerdings aufgeschlossen gegenüber
und wirkte entscheidend bei den
Koalitionsverhandlungen mit.
1990 zu einem der
beiden Sprecher seiner Partei gewählt, versuchte er
die Grünen als klare Oppositionspartei zu
profilieren. Auch nachdem bei der Bundestagswahl im
Dezember 1990 der Einzug ins Parlament knapp
verpasst wurde, strebte er eine stärkere
Profilierung seiner Partei auf Themen einer
ökologischen Umgestaltung der Industriegesellschaft
an. Wegen kritischer Äußerungen gegenüber der
Politik Israels musste Ströbele im
Februar 1991 als
Parteisprecher zurücktreten.
In den nächsten Jahren konzentrierte er seine
Tätigkeit auf den Berliner Landesverband der seit
1993 in
Bündnis 90/Die Grünen umbenannten Partei. In
der bundespolitischen Karriere musste er einige
Niederlagen hinnehmen, erreichte allerdings auch
einige Achtungserfolge. 1998 zog er über die
Berliner Landesliste schließlich wieder in den
Bundestag ein. Er profilierte sich immer mehr zu
einem der führenden Vertreter des geschwächten
linken Flügels der Fraktion. In Fragen deutscher
Auslandseinsätze der Bundeswehr und der Nutzung von
Kernenergie vertrat er konsequent
Minderheitenmeinungen bei den Grünen, erwies sich
bei der Entsorgung des Atommülls andererseits als
kompromissbereit. Bald galt Ströbele als das
„personifizierte Gewissen“ seiner Partei. Er
erkannte selbst, dass er zeitweise eine
Alibifunktion einnahm, indem er das linke und
alternative Spektrum seiner Partei abdeckte und
somit die Verhältnisse in der Partei eher
stabilisierte denn veränderte.
Anfang des
Jahres 2002 musste er erleben, wie weit
sich die Grünen von ihren Gründungsidealen entfernt
hatten und glaubten, auf Personen wie ihn verzichten
zu können. Auf der Landesliste für die
Bundestagswahl erhielt er keine relevante Position
mehr. Doch Ströbele blieb seinen Idealen treu und
beschloss als Direktkandidat anzutreten. Mit dem ihm
eigenen Engagement und teilweise provokanten Slogans
(„Ströbele wählen, heißt Fischer quälen“) schaffte
er es, das als aussichtslos geltende Bestreben in
das erste grüne Direktmandat für den Bundestag
umzuwandeln.
Die Fraktion wählte ihn zum Vizechef, aber Ströbele
lies sich nicht disziplinieren. Er stimmte gegen
eine Verlängerung des Bundeswehrmandats in
Afghanistan, gegen eine deutsche Kriegsbeteiligung
im
Irak und er demonstrierte gegen die Hartz-IV-Gesetze der rot-grünen Bundesregierung. Als
Abgeordneter pflegte er einen sehr engen Kontakt zu
den Menschen, die er als Delegierter im Parlament
vertrat. Davon profitierte er bei der nächsten Wahl,
als die Koalitionsregierung aus SPD und Grünen
abgewählt wurde. Ströbele verteidigte sein
Direktmandat in Berlin und konnte sogar noch 12
Prozent Stimmen hinzu gewinnen.
Dieses Mandat verteidigte Ströbele auch in allen
weiteren Wahlen zum deutschen Parlament. Im
Bundestag setzte er sich verstärkt für die Rechte
von Menschen aus anderen Kulturkreisen und eine
stärkere Kontrolle der Geheimdienste ein. Daneben
zählten die Gleichheit der Bürgerrechte für alle
Menschen und die Durchschaubarkeit und
Unbestechlichkeit der Politik zu seinen wichtigsten
Themen. Er bewies immer wieder, dass es ihm nichts
ausmachte, mit seinen Ideen und Idealen auch extreme
Minderheitenpositionen zu vertreten bzw. zu
unterstützen.
Hans-Christian Ströbele war seit 1967 mit der
Ethnologin Juliane Gregor verheiratet. Das in Berlin
lebende Ehepaar blieb kinderlos. Ströbele war
Vegetarier, Pazifist, Antialkoholiker, überzeugter
Radfahrer und fühlte sich immer dann wohl, wenn er
auf der Seite der Schwachen oder Minderheiten stand.
Seinen letzten Mandanten als Rechtsanwalt vertrat er
2011.
Hans-Christian Ströbele verstarb am
29. August 2022 im
Alter von 83 Jahren,