Das Literaturjahr 2016 - Höhen und Tiefen der
politischen Ereignisse
Das Literaturjahr 2016 war von den Höhen und
Tiefen der politischen Ereignisse geprägt. Mehrere
Terroranschläge in Istanbul, Brüssel und Frankreich,
darunter in Städten wie Paris und Nizza, der
versuchte Putsch
in der Türkei oder die Überpräsenz
von Staatsoberhäuptern wie
Recep Tayyip Erdoğan und
Wladimir Putin spiegeln sich auch in den
publizierten Neuerscheinungen wieder.
Daneben erreichte eine Flüchtlingswelle viele
europäische Länder und verursachte ein enormes
Chaos, die weltweit Hinterfragungen und politische
Maßnahmen notwendig machte.
Viele Romane und Sachbücher befassen sich mit dieser
Thematik, darunter erfreuen sich Bücher wie „Kurze
Geschichte der Migration“ von Massimo Livi Bacci
oder „Stadt der Verlorenen“ von Ben Rawlence großer
Beliebtheit.
Bacci greift das brisante Thema mit geschärftem
Blick auf. Globale Aufgaben, religiöse Spannungen
und das Überschreiten der Grenzen sind die Themen,
die auch zukünftige Probleme ansprechen. Bacci
vertritt dabei den Standpunkt, dass das Reisen und
Wechseln des Ortes mit der Geschichte Europas eng
verbunden ist, die Menschheit sich nur durch das
Vermischen vieler Kulturen weiterentwickeln konnte.
Thema bleibt die Islamfeindlichkeit, die auch
Autoren wie Naid Kermani immer wieder aufgreifen,
der selbst in Deutschland geboren und aufgewachsen
ist und Orientalist ist.
Ben Rawlence wiederum zeigt in seinem Buch den
Alltag in einem der größten Flüchtlingslager der
Welt auf. Das Buch erschien beim Verlag „Nagel &
Kimche“ und machte ebenfalls Schlagzeilen.
Auch der Roman von Abbas Khider „Ohrfeige“ greift
das Thema der Flüchtlingswelle auf. Er umschreibt
die Situation der Asylbewerber in Deutschland,
darunter die von jungen Irakern, die sich in den
Mühlen deutscher Behörden zurechtfinden müssen.
Daneben überraschte 2016 die Vergabe des
Literaturnobelpreises an den lyrischen Sänger
Bob
Dylan, eine Preisverleihung, die allgemein Sympathie
bewirkte, aber auch Kritik auslöste, darunter
Empörung von Autoren wie Irvine Welsh, der den Preis
als schlecht durchdachten Nostalgiepreis aus „den
ranzigen Prostatas seniler und sabbernder Hippies“
bezeichnete, oder von Mircea Cartarescu, der Dylan
zwar als genialen Musiker und
Dichter lobt, dagegen
den Preis lieber an Literaten verliehen gesehen
hätte.
Dylan selbst ließ die Verleihung offenbar ziemlich
kalt. Als er in Las Vegas am Tag der Vergabe ein
Konzert gab, äußerte er sich mit keinem Wort zu
diesem Thema.
Er bekam den Literaturnobelpreis für seine
Songtexte, die voller Brutalität, Kritik und Poesie
ganze Generationen bewegten.
Im Bereich der Belletristik zeigten sich
beeindruckende Neuerscheinungen. Aufsehen erregte
der Gesellschaftsroman „Unterleuten“ von Juli Zeh.
Die flippige und wunderbar kritische
Schriftstellerin aus Deutschland befasst sich mit
einem fiktiven Dorf, das den Kampf der Nachbarschaft
und anderer Gesellschaftsbedingungen führt.
Moralische Hinterfragungen kommen in diesem gelobten
Roman ebenso zur Geltung wie typische Phänomene der
Gegenwart.
Von dem amerikanischen Autor Corman McCarthy
erschien 2016 der Roman „Der Feldhüter“. McCarthys
Bücher sind häufig eine Mischung aus düsterer
Weltuntergangsstimmung, verwüsteter Landschaft und
verbrüderter Menschlichkeit.
„Der Feldhüter“ ist eigentlich der erste Roman
dieses Autors, der in Amerika zwar schon 1965
erschien, in Deutschland allerdings erst jetzt
vermarktet wurde. Auch hier greift McCarthy wieder
die Themen Krieg, Schmuggel, Mord und gottverlassene
Landschaften der großen amerikanischen Weite auf.
Angesagt war ebenfalls das Werk „Vom Ende der
Einsamkeit“, das 2016 im Diogenes Verlag erschien.
Hierbei handelt es sich um den vierten Roman des
Autors Benedict Wells.
Das Originalmanuskript umfasste zunächst mehr als
800 Seiten, wobei Wells die Endfassung dann auf
etwas mehr als 350 Seiten herunterkürzte. Er selbst
bezeichnet den Roman als sein wichtigstes Werk.
In mehreren Erzählebenen wird im Buch das Leben
dreier Geschwister berichtet, die durch verschiedene
Entwicklungsstufen und Erfahrungen den Tod ihrer
Eltern überwinden möchten, die durch einen
Autounfall ums Leben kamen. Das Aufwachsen im
Internat, die unterschiedlichen Charaktere der
Geschwister und verschiedene, meist zerstörerische
Lebensprozesse erlauben dennoch, den gemeinsamen
Halt aneinander nicht zu verlieren.
Neben der Familienchronik schimmert auch eine große
Liebesgeschichte durch die Zeilen hindurch, die so
bewegend ist, dass der Roman den „Literaturpreis der
Europäischen Union“ erhielt.
2016 starben einige der großen und bekannten
Schriftsteller, die sich in die Herzen der Leser
geschrieben haben. Darunter war Imre Kertész, der
nicht locker ließ, um auf die Gräuel der Nazis und
den Holocaust in seinen Büchern zu verweisen, z. B.
in seinem großartigen Werk „Roman eines
Schicksalslosen“.
Auch Umberto Eco, der ein sehr vielschichtiges Werk
hinterlässt, starb im
Februar des Jahres. Fast
klassisch muten die Romane „Der Name der Rose“, „Das
Foucaultsche Pendel“ oder „Der Friedhof in Prag“ an.
Eco ging es vor allen Dingen um das Aufdecken
verschiedener Verschwörungstheorien, die er in das
Kostüm historischer Ereignisse kleidete. Eines
seiner letzten Werke „Der Friedhof in Prag“ befasst
sich mit der Leichtgläubigkeit der Menschen und den
„Protokollen der Weisen von Zion“, in denen es um
eine jüdische und freimaurerische Weltverschwörung
geht, ein Dokument, das es wirklich gab und das sich
als Fälschung erwiesen hat.
Daneben verstarben 2016 die Schriftsteller Michel
Tournier, Lars Gustafsson, Markus Werner, Dario Fo,
Michel Butor, Fasil Iskander und Péter Esterházy.
Sie hinterlassen wunderbare und vielseitige Werke.
Tournier schuf mit „Erlkönig“ ein Meisterwerk, das
von der deutschen Besetzung in
Frankreich handelt. Gustafssons „Tod eines Bienenzüchters“ oder die
humorvollen kaukasischen Bergdorf-Geschichten des
Russen Iskander bleiben auch nach ihrem Tod
unvergesslich.
Bestseller 2016
