Das Literaturjahr 2017 - Sachliteratur zur
Flüchtlingspolitik
Es gibt Bücher, die prägen sich ganz langsam ein und
wirken eine Weile nach, selbst wenn sie gemächlich
geschrieben sind und sich Zeit zum Erzählen nehmen.
Das trifft auch auf die hervorragenden Romane von
Kazuo Ishiguro zu, der 2017 den Literaturnobelpreis
erhielt.
Der in Japan geborene Schriftsteller verbrachte die
meiste Zeit seines Lebens in
Großbritannien, wo er
bis heute lebt und arbeitet. Das spiegelt sich auch
in seinen Werken wider, nicht nur in den bekannteren
wie „Was vom Tage übrigblieb“, sondern auch in
„Alles, was wir geben mussten“, ein Roman, der sich
tiefgründig mit den Gefühlen geklonter Menschen
beschäftigt, die als Spender geschaffen und dennoch
menschlich erzogen werden. Ishiguro stellt die
Frage, inwieweit sich der Klon dann wirklich vom
Menschen unterscheidet und ob es richtig ist, ihm
Gefühle zu vermitteln, die ihm offenbaren, dass er
nur ein Produkt zu sein und gleichzeitig eine Seele
hat.
Das Buch wurde verfilmt, wobei hier auch „Die Insel“
von Michael Bay an die Geschichte erinnert. Als
Vorlage diente Ishiguros Roman jedoch nur bei der
gleichnamigen Verfilmung von Mark Romanek, die etwas
unspektakulärer ausfiel.
Andere Bücher des Nobelpreisträgers sind „Der Maler
der fließenden Welt“, ein Roman, der sich u. a. auch
mit der Massenproduktion von Kunst auseinandersetzt,
wie sie in Japan zum Alltag gehört, oder „Als wir
Waisen waren“. Mit seinem Gewinn setzte sich
Ishiguro gegen literarische Größen wie Haruki
Murakami, Amoz Oz, Margaret Atwood, Ngugi wa
Thiong’o und Ko Un durch, die der Schwedischen
Akademie wohl etwas zu politisch waren.
Ein bisschen erinnert der Stil von Ishiguro an den
von John Williams, in dessen Romanen eine ähnliche
Grundstimmung vorherrscht. Während vor wenigen
Jahren sein bereits 1965 geschriebener Roman „Stoner“
zum Bestseller geriet, kam 2017 eine weitere
Erzählung als Neuauflage heraus. Es handelte sich um
„Nichts als die Nacht“, ein Kurzroman, der
gleichzeitig das literarische Debüt des bereits
verstorbenen Schriftstellers darstellte. Er befasst
sich mit der Studie über die Verstörung eines
Mannes, der in seiner Kindheit ein traumatisches
Erlebnis verkraften musste. Die deutsche Übersetzung
stammte von Bernhard Robben.
Noch sehr lebendig war dagegen Paul Auster, der
Schriftsteller, der einen Schrank voll mit gleichen
Schreibmaschinenbänder füllte, in Befürchtung, kein
Ersatzmaterial für seine Schreibmaschine zu haben,
die ihm alles bedeutete, da er die moderne Variante
der Computernutzung ablehnte. Austers 2017
erschienener Roman „4321“ hatte erneut das Zeug zum
Bestseller. Der Roman gehörte zu den größeren des
Schriftstellers und umfasste mehr als 1.000 Seiten.
In der Verlagswelt wurde das Werk als „Opus Magnum“
angekündigt.
Ähnlich wurde auch das neue Buch von T. C. Boyle
verlagstechnisch vermarktet. Der Roman „Terranauten“
berichtet von einem Forscherteam, das versucht, in
einem künstlich erzeugten Ökosystem neues Leben
nachzubilden. Soap und Wissenschaft wurden hier
lapidar und kunstvoll verwebt.
Mit philosophischen Themen beschäftigte sich in fast
all seinen Romanen und Essays Jostein Gaarder.
Bekannt wurde er mit „Sofies Welt“, ein
Schelmenroman, der gleichzeitig tiefgründig blieb
und den Versuch startete, komplizierte Fragen so zu
vereinfachen, dass sie den Sinn des Lebens aufzeigen
und den auch junge Leute hochlobten. 2017 erschien
von Gaarder das Buch „Ein treuer Freund“.
1936 in Gijirokastra geboren war der albanische
Schriftsteller Ismail Kadare bereits seit einigen
Jahren durch seine Bücher im Gespräch. Seine Romane
beschäftigen sich untergründig mit Liebe, Verlust,
Sein und Leben, hinterfragen aber auch immer die
Ursache eines totalitären Regimes und die
Schwierigkeiten, darin zu existieren. Kadare war
damit einer der bedeutendsten Schriftsteller
Europas, der sich mit dem Totalitarismus
auseinandersetzte. Dazu gehörte er zu den
meistübersetzten albanischen Autoren und feierte
viele internationale Erfolge.
2017 erschien sein Werk „Die Verbannte“ in den
deutschen Buchläden, das bereits 2009 geschrieben
wurde. Es behandelte das Leben in der Emigration und
Verbannung, zumeist von politisch Verfolgten. Die
deutsche Übersetzung übernahm Joachim Röhm für die
Ausgabe im S. Fischer Verlag.
Romane können natürlich literarisch tiefsinnig sein,
aber auch unterhaltsam. Das gilt besonders für die
spannenden Werke von John le Carré, einem englischen
Autor, der durch seine Spionageromane in den
sechziger Jahren bekannt wurde, über den kalten
Krieg und Verfehlungen in Politik und Wirtschaft
schrieb. 2017 erschien „Das Vermächtnis der Spione“,
das an die Handlung des hochgelobten Werks „Der
Spion, der aus der Kälte kam“ von 1963 anknüpfte.
Im Bereich der Sachliteratur war in Deutschland auch
2017 das Thema der Flüchtlingspolitik aktuell.
Erschienen sind Bücher wie „Merkel – Eine kritische
Bilanz“, herausgegeben von Philip Plickert, „“Finis
Germania“ von Rolf Peer Sieferle oder „Die
Getriebenen“ von Robin Alexander über Merkels
Flüchtlingspolitik.
Daneben schrieb Richard Ford seine Memoiren, in
denen er sich an seine Eltern erinnert, und der
französische Skandalautor Michel Houellebecq, der
2015 mit seinem hochgelobten Werk „Unterwerfung“
glänzte, brachte das Sachbuch „In Schopenhauers
Gegenwart“ heraus.
Bestseller 2017