Biografie
Recep Tayyip Erdogan Lebenslauf
Nach dem Tod des mit dem Beinamen „Vater der Türken“
(„Atatürk“) geehrten Mustafa Kemal 1938 ist die von
ihm als Nachfolgestaat des zerfallenden Osmanischen
Reiches 1923 ausgerufene
Republik Türkei von elf
weiteren Präsidenten repräsentiert worden. Mit der
Übernahme des Präsidentenamts am 28. August 2014
durch den bisherigen Ministerpräsidenten Recep
Tayyip Erdoğan wurde erstmals ein islamisch
ausgerichteter Politiker zum Staatsoberhaupt der
nach den Prinzipien des Kemalismus als säkularer
Staat ausgerichteten Türkei.
Geboren wurde Recep Tayyip Erdoğan am
26. Februar
1954 als Sohn von Tenzile und Ahmet Erdoğan im
Arme-Leute-Viertel Beyoğlu-Kasımpaşa auf der
europäischen Seite von Istanbul. Vater Ahmet war
Küstenschiffer und stammte aus der osttürkischen
Schwarzmeerstadt Rize,
wohin seine ursprünglich im georgischen Batumi
ansässige Familie emigriert war. Tayyip Erdoğan und
seine vier Geschwister wurden streng und fromm
erzogen. Einige Jahre seiner Kindheit verbrachte
Erdoğan in Rize, wohin sein Vater vorübergehend
zurückgekehrt war. Tayyip Erdoğan ging unter anderem
im asiatischen Teil Istanbuls auf eines der
islamisch ausgerichteten Iman-Hatip-Gymnasien zur
Schule. Als Straßenverkäufer von Limonade und
Backwaren trug der Schüler zum Familienunterhalt
bei. Während seiner Jugend überzeugte Erdoğan als
begabter Amateur-Fußballer.
Er erlangte die Hochschulreife und begann, nach
einigen Angaben im Jahr 1973, an der Aksaray-Schule
ein Wirtschaftsstudium, das er laut der Website des
späteren Ministerpräsidenten
1981 abschloss. Nach
dem Studium arbeitete Erdoğan als Angestellter. Ob
ihm drei oder vier Studienjahre für den Abschluss
angerechnet wurden und der Abschluss von der erst
1982 gegründeten Istanbuler Marmara-Universität als
Marmara-Abschluss anerkannt worden war, wurde 2014
im Zusammenhang mit Erdoğans Bewerbung für das ein
vierjähriges Hochschulstudium voraussetzende
Präsidentenamt Thema einer öffentlichen Diskussion.
Früh engagierte sich Erdogan politisch in
konservativen, anti-kommunistischen Gruppierungen.
1976 war er zum lokalen Jugend-Funktionär der
islamisch ausgerichteten Nationalen Heilspartei (Millî
Selamet Partisi, MSP) geworden. Nach dem Verbot der
MSP 1980 durch die damalige Militärregierung
organisierten sich die Religiös-Konservativen 1983
parteilich neu in der Wohlfahrtspartei (Refah
Partisi, RP). Erdoğan stieg zum Vize-Vorsitzenden
der RP auf, die 1998 ebenfalls verboten wurde und in
der Tugendpartei (Fazilet Partisi, FP) aufging.
Zu dieser Zeit war Erdoğan bereits ein landesweit
und auch international bekannter Politiker. Seine
Wahl 1994 zum Oberbürgermeister von
Istanbul hatte
für Schlagzeilen gesorgt. Die Wahl eines seine
Religion betonenden Politikers wurde von vielen
Beobachtern als Indiz für eine Re-Islamisierung der
Türkei gewertet. Auch dass Erdoğans Ehefrau Ermine
(geb. 1955), die Erdogan 1978 geheiratet hatte,
öffentlich mit Kopftuch auftrat, wurde aufmerksam
registriert. Der Erwartung seiner Gegner
entsprechend startete der vierfache Vater Erdoğan
einige Islamisierungs-Kampagnen (u. a. Alkoholverbot
in städtischen Lokalen). Er provozierte mit der
polarisierenden Aussage, dass gute Muslime nicht
laizistisch sein könnten, die Gralshüter des
Kemalismus. Andererseits punktete er auch mit
pragmatischer Kommunalarbeit. Erdoğan ging etliche
der chronischen Probleme der Millionenstadt am
Bosporus, wie Umweltverschmutzung und
Nahverkehrs-Chaos, mit Erfolg an.
1998 erhielt Erdoğan eine Haftstrafe von 10 Monaten
wegen öffentlichen Zitierens eines
religiös-politischen Gedichts, das die Richter als
„Aufstachelung zur Feindschaft“ werteten. Außerdem
wurde ihm auf Lebenszeit die Ausübung öffentlicher
politischer Ämter verboten. Er musste sein
Bürgermeisteramt aufgeben.
1999 aus der Haft
entlassen, gehörte Erdoğan unmittelbar nach dem
Verbot der FP (2001) zu den Mitgründern der vor
allem die Angehörigen der neuen
bürgerlich-religiösen Mitte ansprechenden
Gerechtigkeitspartei (Adalet ve Kalkınma Partisi,
AKP), deren Symbol eine leuchtende Glühbirne
darstellt.
Nachdem durch eine Gesetzesänderung sein
Politikverbot aufgehoben worden war, konnte Erdoğan
2003 sein bei der Parlaments-Wahl 2002 errungenes
Abgeordnetenmandat annehmen. Die AKP-Mehrheit im
Parlament wählte Erdogan zum Ministerpräsidenten.
Auch 2007 und
2011 erhielt die AKP die
Parlamentsmehrheit und Erdoğan blieb bis 2014
Ministerpräsident. Danach bewarb er sich auf das Amt
des Staatspräsidenten.
Die Zeiten der drei Erdoğan-Kabinette bis
2014 hatten bedeutende politische Weichenstellungen
für das Land zur Folge. Zu den wichtigsten gehört
der durch staatliche Liberalisierungsmaßnahmen
wesentlich geförderte Wirtschaftsboom, der die einst
ökonomisch
schwache Türkei zu einer der zwanzig
Top-Volkswirtschaften der Welt werden ließ. Von
historischer Bedeutung war auch die politische
Entmachtung des Militärs, das in der Vergangenheit
mehrmals im Namen Atatürks in die Zivilpolitik
eingegriffen hatte. Zahlreiche putschverdächtigte
Offiziere verschwanden im Gefängnis. Außenpolitisch
positionierte sich die Türkei unter Erdoğan
zunehmend selbstbewusst als Führungsmacht der
Nahost-Region.
Mit der Ministerpräsidentenzeit von Erdoğan wurde
aber auch eine Verstärkung autoritärer Tendenzen
verbunden. Die Diskussion um den Genozid an den
Armeniern im Ersten Weltkrieg wurde von der
Regierung Erdoğan nicht gefördert, sondern mit
polizeistaatlichen Methoden begegnet;
Folteranschuldigungen gegen türkische Polizisten
häuften sich in Erdoğans Amtszeiten; die Regierung
setzte sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe
und ein hartes Strafrecht bei Abtreibung ein; auf
Ermittler, die bei einem Korruptionsskandal 2013 in
Regierungskreisen gegen AKP-Minister vorgingen,
wurde massiver Druck ausgeübt; die Medien wurden
strikten, die Presse- und Meinungsfreiheit erheblich
einschränkenden Kontrollen unterworfen;
Gerichtsurteile, die den gigantischen Protz-Bau des
als Ministerpräsidenten-Palast begonnenen und zur
Präsidenten-Residenz umprojektierten „Weißen
Palasts“ („Ak Saray“) in einem Naturschutzgebiet für
unzulässig erklärten, wurden von dem ein
merkwürdiges Rechtsstaat-Verständnis zeigenden
Erdoğan mit der Bemerkung, die Richter sollen doch
den Bau abreißen, wenn sie denn die Macht dazu
hätten, ignoriert.
Erdoğan hat bei seiner Bewerbung für das
Präsidentenamt angekündigt, dass er auch als
Staatsoberhaupt durch weite Auslegung der
verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Präsidenten
weiterhin die Politik der Türkei bestimmen würde. Am
10. August 2014 wurde er als erster Präsident der
Türkei direkt vom Volk gewählt. Bereits im ersten
Wahlgang erhielt Erdoğan die erforderliche absolute
Mehrheit der Stimmen.
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