Das Literaturjahr 2000 -
Der Übergang in das Jahr 2000 war mit viel
Aufregung verbunden. Zum einen sorgte so ein
Jahrhundertwechsel fast schon literarisch einprägsam
für aufkommende Prophezeiungen, Schreckensmeldungen
und der üblichen Weltuntergangsstimmung, zum anderen
leitete es einen neuen Zeitabschnitt ein und brachte
auch Hoffnung und Fortschritt.
Befürchtet wurden Stromausfälle,
Telefonnetzzusammenbrüche und der Datenverlust von
Zentralrechner aller Verwaltungen, Bahnen und
Fluggesellschaften. Die Jahreszahl 1999 wechselte
auf 2000, so dass nun am Ende wieder zwei Nullen
standen. Um Speicherplatz zu sparen, waren viele
Rechner so programmiert, dass die Jahreszahlen
abgekürzt wurden und die beiden Nullen dann auch als
Jahr 1900 hätten interpretiert werden können. Die
Folgen wären ohne eine Korrektur falsche
Sortierungen der Daten und Programme gewesen. Man
rechnete mit Computerabstürzen und einer Lahmlegung
von Kraftwerken, Banken und Industrie. Gesprochen
wurde auch von Flugzeugabstürzen, Verkehrschaos,
einem Börsenzusammenbruch und einer darauf folgenden
Wirtschaftskrise.
Tatsächlich bewahrheitete sich die ganze Panik dann
zum Glück doch nicht und alles lief glimpflich ab.
Schon in einem Roman von Jason Kelly mit dem Titel
„Y2K“ wurde das Szenario heraufbeschworen und endete
mit Straßenschlachten und Plünderungen in Los
Angeles und schließlich sogar mit einem Angriff
Chinas auf Hawaii. Das Jahr-2000-Problem ging als
Millennium- oder Y2K-Bug in die Geschichte ein. Mehr
Aufregung verursachten dann allerdings die
Spendenaffäre um Helmut Kohl und der Antritt des
Präsidentenamts durch Wladimir Putin.
Im Bereich der Literatur machte sich weiter das
Harry-Potter-Fieber breit. Mit einer
Millionen-Startauflage kam der nächste Roman der
Autorin Joanne K. Rowling heraus. Er trug den Titel
„Harry Potter und der Feuerkelch“ und erfasste in
der Fortsetzung erneut die Herzen vieler Leser und
Fans. Schon für vorangegangene Romane der Buchreihe
hatte die Schriftstellerin zahlreiche Preise
abgeräumt. Ihr Vermögen wurde auf 1 Milliarden
Dollar geschätzt, wodurch sie eine Zeitlang zu den
bestverdienenden Autoren der Welt zählte. Das im
Jahr 2000 erschienene Werk war das vierte von
insgesamt sieben und landete in den Umsatzzahlen
sogar im Guinness-Buch der Rekorde, da es sich über
66 Millionen Mal verkaufte.
Ein anderes bewundernswertes Werk, das durch seinen
einzigartigen Aufbau auffiel, war „House of Leaves“
von Mark Z. Danielewski. Es erschien im März 2000 in
deutscher Übersetzung beim Klett-Cotta-Verlag und
hatte schon zuvor im Internet Aufsehen erregt. Die
Geschichte hat nicht nur ein eigenartiges Labyrinth
als Inhaltskern, sondern ist auch wie ein Labyrinth
entworfen. Vielschichtige, nicht-lineare und
surreale Abläufe verstärken die Emotionen beim
Lesen. Wer in dieses Buch blickt, kann sich darin
selbst verirren. Die verschiedenen Bedeutungsebenen
fordern sowohl zum Interpretieren auf als auch zur
Verknüpfung des Gelesenen mit der Form.
einzel
Danielewski arbeitete mit mehreren Erzählstimmen,
die in verschiedenen Schrifttypen dargestellt waren.
Der Lesefluss wurde durch fast leere Seiten oder
einen stark verkleinerten Text beschleunigt oder
verlangsamt. Dabei bewegten sich Figuren und Leser
durch ein Haus, das durch geheime Durchgänge und
Wände zum Labyrinth gerät. Stilmittel des
Schriftstellers waren farbliche Hervorhebungen,
Textspiegelungen und Verdrehungen, die das Tempo
bestimmten oder eine Art Leseakustik hervorriefen.
Das Buch hatte die Wirkung eines Films und forderte
den Leser aktiv heraus. Diese Art des Schreibens war
völlig neu, da das Buch das strukturelle Abbild
seiner eigenen Handlung war. Andere Werke des Autors
reichten an diesen Roman dann nicht mehr heran, auch
wenn sie ähnliche Konzepte verfolgten.
Etwas einfacher, witziger und rustikaler war der
Erstlingsroman „Russendisko“ von Wladimir Kaminer,
der gleichzeitig für den Durchbruch des Autors
sorgte. Der aus einer russisch-jüdischen Familie
stammende Kaminer lebte bereits seit längerer Zeit
in Berlin und schrieb daher seine Romane in
deutscher Sprache. Das Buch setzt sich mit dem
Migrantenleben auseinander, wie es sich anfühlt, als
junger Russe in Deutschland zu leben. Gleichzeitig
behandelt es das Chaos der Nachwendezeit. Der Roman
ist ein Erlebnisbuch mit vielen Einzelgeschichten,
die mitten aus dem Leben gegriffen erscheinen und
daher auch Sympathie beim Leser hervorrufen.
Von J. M. Coetzee erschien 2000 das Buch „Schande“,
das ein Jahr zuvor bereits den „Booker Prize“
erhalten hatte. Es handelt von einem Mann, der als
Weißer in Südafrika lebt und dessen Tochter
vergewaltigt und geschändet wird. Den Hintergrund
bilden, wie häufig bei Coetzee, die Schwierigkeiten
der Postapartheit-Zeit. Themen sind aber auch
Homosexualität, Perspektivlosigkeit, Gewalt,
Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen und Männern
und Frauen. Coetzee untersucht, wie weit der Mensch
vom Tier entfernt ist. Auch biblische Bezüge kommen
vor. Das Buch wurde später mit John Malkovich in der
Hauptrolle verfilmt.
Von John Banville erschien 2000 der Roman „Geister“,
von
Walter Moers „Ensel und Krete“, von Kazuo
Ishiguro „Als wir Waisen waren“ und von Margaret
Atwood „Der blinde Mörder“, alles Bücher, die einen
großen Erfolg hatten und im Gedächtnis blieben.
Der
Literaturnobelpreis ging 2000 an Gao Xingjian,
einem chinesischen Schriftsteller, der in Frankreich
lebte und mit Werken wie „Der Berg der Seele“, „Das
Buch eines einsamen Menschen“ oder „Auf dem Meer“
bekannt wurde. Oft drehen sich die Themen seiner
Romane um Einsamkeit, den Schrecken der
Kulturrevolution in China, um buddhistische
Sichtweisen und Reiseerfahrungen. Die Auszeichnung
war überraschend, insbesondere für die Chinesen
selbst, da Gao dort angeblich kaum als Autor eine
Rolle spielte und danach sogar zur Unperson erklärt
wurde. Für China hätte es lieber ein im Land
lebender Schriftsteller sein können.
Der wirkliche Hintergrund der Empörung war jedoch
ein anderer. Gao geriet im eigenen Land ständig in
Konflikt mit der Obrigkeit, während seine
Theaterstücke verboten wurden. 1987 landete er dann
als Flüchtling in
Paris und schrieb dort auch das
Theaterstück, das zum endgültigen Bruch mit
China
führte und „Die Flucht“ hieß. Das Stück thematisiert
einen friedlichen Studentenaufstand, der vom
chinesischen Militär blutig niedergeschlagen wird.
Buch Bestseller 2000
Isabel Allende – Fortunas Tochter
Noah Gordon – Der Medicus von Saragossa
Joanne K. Rowling – Harry Potter und der Stein der
Weisen
Joanne K. Rowling – Harry Potter und der Feuerkelch
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