Das Literaturjahr 1999 - Zwei ungleiche Erzähler
Das literarische Jahr 1999 steht im Zeichen zweier
deutscher Literaten, die ungleicher nicht sein könnten
und doch beide durch ihr künstlerisches Werk die
deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts
nachhaltig geprägt haben: Heinz Günther Konsalik und
Günter Grass. Die beiden Schriftsteller sind in Bezug
auf ihre Vornamen Namensvettern, sie sind beide Autoren
der deutschsprachigen Literatur, deren Namen dem
Gedächtnis der Nachwelt erhalten bleiben werden, und
doch trennen sie Welten: erzählerische Welten.
Konsalik ist Unterhaltungsschriftsteller, wie
Deutschland wohl kaum je einen Größeren gesehen hat: Der
Verfasser von etwa 160 Romanen zählt zu den kommerziell
erfolgreichsten deutschen Schriftstellern.
Günter
Grass hingegen ist Schriftsteller, Grafiker,
Bildhauer und Maler und zeichnet sich vor allem durch
die Kunstfertigkeit seines Schreibens aus. Wo Konsalik
zu unterhalten weiß, weiß Grass Sprache zu chiffrieren
und zu kunstvollen Wort- und Satzgebilden zu verweben;
wo Konsalik die Leser seiner Romane in den Bann zieht,
richtet sich Grass gezielt an ein literarisch
anspruchsvolles, bildungsbürgerliches Publikum.
Beide Autoren zählen zu den Größen der literarischen
Welt, betrachtet man deren Kosmos jenseits einer
etablierten oder akademischen Norm. Und auf seltsame Art
und Weise werden die Schicksale dieser zwei
erfolgreichen deutschen Schriftsteller,
Geschichtenerzähler und Künstler im literarischen Jahr
1999 verwoben: Heinz Günther Konsalik starb am 2.
Oktober in Salzburg, Günter Grass hingegen wurde mit dem
Nobelpreis für Literatur, dem wichtigsten Preis, den ein
Schriftsteller erhalten kann, ausgezeichnet.
Fast könnte man mit dem Philosophen Ernst Bloch von der
„Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ sprechen, wenn
man in Anbetracht des Jahres 1999 auf die Lebensläufe
der beiden ungleichen Schriftsteller blickt: Trennen
Konsalik und Grass hinsichtlich ihrer künstlerischen
Dimensionen Welten, so gehören sie doch einer Generation
an, der Generation jener, die in jungen Jahren Zeugen
des Zweites Weltkrieges und damit der
Geschichtskatastrophe des 20. Jahrhunderts wurden. Heinz
Günther Konsalik wurde am
28. Mai
1921 geboren, Günter Grass am
16.
Oktober 1927. Ihre Erlebnisse während der Zeit
des nationalsozialistischen Regimes und ihre Eindrücke
der Kriegsjahre verarbeiteten beide in ihren Werken,
wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Der Krieg
als historische Erschütterung bleibt bei den beiden
ungleichen Künstlern das prägende Thema, das teils
reflektiert, teils unerwähnt bleibend zwischen den
Zeilen ihrer Bücher zu finden ist.