Das Literaturjahr 1998 - Martin Walser – Preis und
Rede
1998 gingen der
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels,
der in der Frankfurter Paulskirche vergeben wird und der
Nobelpreis für Literatur, dessen Preisträger von einer
Jury in Stockholm gekürt werden, an zwei ebenso
talentierte wie bekannte Schriftsteller:
Martin Walser
wurde für sein literarisches Schaffen mit dem
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt, der
Portugiese José Saramago erhielt den Nobelpreis für
Literatur. Damit richten sich zwei bedeutende Preise der
nationalen und internationalen literarischen Landschaft
im Jahr 1998 an
zwei Männer einer Generation. Saramago
wurde am 16. November 1922 geboren und verstarb am 18.
Juni 2010.
Martin Walser erblickte das Licht der Welt am
24. März 1927.
Anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels ist es allgemein üblich, den
Preisträger in der Frankfurter Paulskirche zu Wort
kommen zu lassen und ihm Zeit für eine Rede zu geben, in
der er sich sowohl literarischen als auch
gesellschaftsrelevanten oder zeitkritischen Themen
widmen kann. Dass dieser Brauch im Falle der Verleihung
der Auszeichnung an den erfolgreichen deutschen Erzähler
Martin Walser für Unruhen sorgen würde, hatte sich im
Vorfeld der Veranstaltung nicht abgezeichnet und sorgte
für eine Problematik, die auch gesellschaftliche und
politische Brisanz erreichte und nicht nur das Umfeld
des Buchmarktes und des deutschen Kulturbetriebs
bewegte.
Walser, der im Allgemeinen als politisch links
tendierender Autor angesehen wurde, setzte sich in
seiner Rede massiv dafür ein, der Instrumentalisierung
des Holocausts, der den Deutschen nach wie vor
vorgehalten würde, um ihnen eine moralische Waffe
entgegenhalten zu können, ein Ende zu bereiten. Er
verweigerte sich in eindringlichen Worten gegen die
Beschuldigungen und Schuldzuweisungen, die auch
Jahrzehnte nach den grauenvollen Ereignissen unter der
Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes im
internationalen Raum noch an der Tagesordnung wären.
Die Rede Walsers sorgte für Ovationen und
Beifallsstürme, beschwor jedoch den Unmut des im
Publikum anwesenden Vorsitzen des Zentralrats der
Juden
in Deutschland, Ignatz Bubis, herauf. Es entstanden
hitzige Debatten und Diskussionen, die den Rahmen der
Literatur sprengten und die Paulskirchenrede im
Nachhinein zu einem politischen Akt werden ließen, der
die Streitfragen um Kollektivschuld, Antisemitismus und
nationale und internationale Vorurteile neu belebte.
José Saramago zählt zu den Größen der portugiesischen
Literatur und zeichnet sich im Rahmen seines
literarischen Werks vor allem durch die Vielseitigkeit
und den Facettenreichtum seines Schaffens aus. Er
betätigte sich als Lyriker und Dramatiker, verfasste
Essays, schrieb Romane und Erzählungen.
Der erfolgreiche Schriftsteller und Journalist
hinterließ einen bleibenden Eindruck bei der Nachwelt
vor allem durch seine klaren Positionen, seinen Ruf als
Querdenker und seine atheistischen und kommunistischen
Überzeugungen. Nie klammerte er seine persönlichen
Anliegen und Meinungen, seine Ansichten und
Vorstellungen aus seinen Werken aus, er gab religions-
und kirchenkritischen Auseinandersetzungen Raum
innerhalb seines literarischen Werkes und nahm
öffentlich Stellung zu gesellschaftlichen und politisch
relevanten Fragen und Sachverhalten.
1998 wurde ihm für seine literarischen und
künstlerischen Parabeln, die sich kritisch mit der
Wirklichkeit der Menschheit auseinandersetzen, der
Nobelpreis für Literatur verliehen.