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DDR Chronik 1985 - Spektakulärster
Agentenaustausch seit 1945
Wer im ersten Monat des Jahres 1985 eine der
wenigen freiverkauften Karten fürs Kabarett
erhaschte und den Auftritt von Dieter Hildebrandt
und Werner Schneyder in
Leipzig erleben durfte,
hatte einen guten Einstieg in das neue Jahr.
Kabarett aus dem Westen, das war ein Novum. Die
Ohren der DDR-Bürger waren gut geschult, schließlich
mussten sie stets zwischen den Zeilen hören und das
taten sie ausgezeichnet. Auf diese Weise gingen
viele Texte renommierter Kabaretts wie „Distel“,
„Dresdner Herkuleskeule“ „Leipziger Pfeffermühle“ u.
a. an der Zensur vorbei, entfalteten ihre Wirkung
erst vor Publikum. Auf die Zuschauer konnten sich
die Kabarettisten nämlich verlassen.
Derweil machten sich die letzten DDR-Bürger aus Prag
auf die Heimreise zurück in die DDR. Sie hatten dort
in der Prager BRD-Botschaft ausgeharrt. Nun war
ihnen eine schnelle Bearbeitung
der Ausreiseanträge
zugesichert worden und zudem Straffreiheit. Ein
Achtungszeichen hätte aber die Ausreisewelle des
Vorjahres auf jeden Fall für die politische Führung
sein müssen. Letztendlich war das nur der Anfang.
Ein echtes kulturelles Highlight war die feierliche
Eröffnung der Dresdner Semper-Oper. Der jahrelange
Wiederaufbau hatte sie in alter Schönheit neu
erstrahlen lassen. Sie war durch einen Luftangriff
zu großen Teilen ausgebrannt. Zuschauer- und
Bühnenbereich waren zerstört, die Rückwand des
Bühnenhauses war eingestürzt, lediglich die
Wandelgänge hatten das Feuer überstanden. Ab 1948
konnte nach notdürftigen Arbeiten der Spielbetrieb
aufgenommen werden, aber es hatte noch viel zu tun
gegeben. Diese Arbeiten waren am 13. Februar 1985
fertiggestellt worden. Es war ein historisches
Datum, es war der 40. Jahrestag der kriegsbedingten
Zerstörung. Die Semperoper wurde nun mit Carl Maria
von Webers Oper „Der Freischütz“ wiedereröffnet. Mit
diesem Werk war das Haus am 31. August 1944
geschlossen worden.
Im Sommer 1985 fand auf der Glienicker Brücke ein
spektakulärer Agentenaustausch statt. Eigentlich war
es eine geheime Aktion, aber die ARD hatte davon
Wind bekommen und so hatte das Geheimnis schnell die
Runde gemacht. Es wurden 25 Westagenten, die in
Polen und in der
DDR im Gefängnis gesessen hatten,
gegen vier Ostagenten ausgetauscht, die die USA
lieferte. Auf dieser Brücke zwischen Potsdam und
West-Berlin fand mit diesem Austausch der größte
dieser Art seit 1945 statt.
Ebenfalls im Sommer kam es zu einem Ereignis, das in
Ost und West für Schlagzeilen sorgte: Der
Regierungsdirektor für Verfassungsschutz,
Hans-Joachim Tiedge, setzte sich in die DDR ab, bat
um politisches Asyl und ihm folgten weitere Bonner
Beamte, Angestellte, Sekretärinnen und andere
Öffentlichkeitsarbeiter, die für den Osten spioniert
hatten. Tiedges DDR-Übertritt wurde als schwere
Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen der
Bundesrepublik gewertet. Es war davon auszugehen,
dass er zahlreiche DDR-Agenten geschützt hatte.
Die deutsch-deutschen Beziehungen waren deshalb
längst nicht zum Erliegen gekommen. SPD- und
SED-Politiker besuchten sich gegenseitig, schlossen
Abkommen und führten zahlreiche Gespräche.
Letztendlich kam es zum Beschluss, in Europa eine
atomwaffenfreie Zone in Europa einzurichten.
Ein Ereignis, mit dem das Jahr begonnen hatte, war
die Sprengung der Berliner Versöhnungskirche, die an
der
Berliner Mauer auf der Ost-Seite der Stadt stand
und der SED-Führung die Sicht auf den Klassenfeind
versperrte. Der Zugang zur Versöhnungskirche war
teilweise in die Mauer eingebaut worden. Die
Situation der Versöhnungsgemeinde hatte sich durch
den Bau der Mauer 1961 drastisch verschärft.
West-Berliner Gemeindemitglieder konnten die Kirche
nicht mehr besuchen, da sich nicht nur die Kirche,
sondern auch das Pfarr- und Gemeindehaus im Osten
befanden. Ab Oktober 1961 hatte niemand mehr
Zutritt. Die Kirche, die sich auf dem Todesstreifen
befand, wurde geschlossen. Der Kirchturm wurde
später zweckentfremdet: DDR-Grenztruppen nutzten ihn
als Wachturm mit MG-Geschützstand.
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