DDR Chronik 1980 - Die DDR im Jahr 1980
Die
Streiks im benachbarten
Polen, an die
politische Forderungen geknüpft waren, konnten die
DDR-Bürger nur von Weitem verfolgen. Beeindruckt
waren sie dennoch. Erst recht, als im „Danziger
Abkommen“ weitgehende politische Zugeständnisse an
die Streikenden gemacht wurden. Eines davon war das
Recht zur Gründung unabhängiger Gewerkschaften.
Nicht lange danach kam es im September zur Gründung
der Gewerkschaft Solidarność. Der Auslöser der
Streikwelle 1980 waren Preiserhöhungen für Fleisch
gewesen. Anfangs waren die Streiks noch lokal
begrenzt, dann aber griffen sie auf das ganze Land
über. Im August war es dann in Danzig auf der
Leninwerft zum Streik gekommen, weil eine der
bekannten Symbolfiguren der Streikbewegung von 1970,
die Kranführerin Anna Walentynowicz, entlassen
worden war. Das
betriebliche Streikkomitee damals
stand unter der Führung von Lech Wałesa. Die
Gewerkschaft, die aus den Streiks 1980 entstand,
entwickelte sich zu einer Volksbewegung, die sich
auch gegen das herrschende Regime richtete. Es gab
große Unterstützung aus dem Ausland, also aus dem
westlichen Ausland, vor allem aus den USA und der
Bundesrepublik.
In den DDR-Medien fand die Entwicklung wohl
Erwähnung, wurde aber auch gleichermaßen kritisiert.
Doch die Befürchtung, es könnte so eine Bewegung auf
die DDR übergreifen, war vorerst noch unnötig.
Viel mehr hatten die Betriebe und die Menschen in
der DDR damit zu tun, dass die Vereinbarung zwischen
der DDR und Vietnam über die Entsendung
vietnamesischer Vertragsarbeiter umgesetzt wurde.
Eine Ablehnung gegen die zahlreichen neuen Mitbürger
gab es kaum, schließlich hatten die DDR-Führung und
auch die Menschen stets ihre Ablehnung gegen den vor
wenigen Jahren beendeten Vietnamkrieg ausgedrückt.
So gesehen waren die Vietnamesen willkommen.
Die DDR war auf politischer Ebene noch unauffällig.
Jedenfalls ließen die Menschen nicht allzu offen
ihren Ärger über Unfreiheit freien Lauf. Auch nicht,
als zur Eröffnung des SED-Parteilehrjahrs der
Staatschef
Erich Honecker eine „Abgrenzungs“-Rede
hielt, in der er betonte, dass die Anerkennung der
DDR-Staatsbürgerschaft die Voraussetzung für eine
Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden
deutschen Staaten sei. Doch diese Anerkennung
bedeutete gleichermaßen, dass eine Wiedervereinigung
immer schwerer zu verwirklichen sein würde. Ohnehin
war in der DDR längst eine neue Generation
herangewachsen, die vielleicht Verwandte im Westen
hatte, aber selbst das gesamte Deutschland nicht
erlebt und es sich deshalb wohl auch nicht so leicht
vorstellen konnte. Der Jugend ging es hauptsächlich
um Freiheit, um echtes Mitbestimmungsrecht, um die
Möglichkeiten zu reisen. Sie konnten sich eine DDR
mit etwas mehr Menschen- und Bürgerrechten auch ohne
die BRD vorstellen. Doch trotz der Unterzeichnung
des Grundlagenvertrages, der im Sommer
1973 in Kraft
getreten war, hielt die Bundesrepublik an ihrem
Endziel, der Wiedervereinigung fest.
Den Besuchern aus dem Westen wurde ein Besuch nicht
gerade leicht gemacht. Einerseits
brauchte die DDR
Devisen, andererseits verschreckte sie zahlreiche
Besucher mit der Erhöhung des Zwangsumtausches. Das
„Eintrittsgeld“, wie es auch umgangssprachlich
genannt wurde, war auf 25 DM pro angehoben worden.
Abhängig von der Sowjetunion
Offiziell war die DDR immer noch von der Sowjetunion
abhängig. Jedoch war die DDR bemüht, in ihrer
Außenpolitik eigene Schritte zu gehen, die sie nicht
alle mit der sowjetischen Führung absprach. Der
Einfluss der UdSSR auf die DDR, die sich aus ihrer
langjährigen Isolation befreien wollte, wurde
zunehmend geringer.
Alles eine Frage der Zeit? Jedenfalls eine Frage der
Sommerzeit. Längst hatte die BRD die Umstellung
beschlossen, wollte und konnte sie aber noch nicht
wirksam werden lassen, weil die DDR nicht mitzog.
Und zwei deutsche Staaten sollten nicht auch noch
zwei verschiedene Zeiten haben. Doch plötzlich –
1980 – propagierte die DDR die vielen Vorteil der
Sommerzeit, versuchte mit Weisungen an die Medien
der Bevölkerung schmackhaft zu machen und verkündete
urplötzlich: Die Zeit wird am 6. April umgestellt.
Das „Opfer“, auf eine Stunde Schlaf zu verzichten,
war gewissermaßen ein Dienst am Sozialismus und
schließlich würde es die Stunde im September
zurückgeben. Die praktischen Auswirkungen gefielen
der DDR dann doch nicht so wie erhofft. Sie gab
bekannt, die Umstellung im Folgejahr nicht noch
einmal zu realisieren. Wirbel daraufhin in der BRD,
Fahrpläne und vieles mehr waren bereits darauf
ausgerichtet. Ein Hin und Her, ein Zeitgerangel –
aber schließlich nahm die DDR ihre Androhung zurück.
Uns so blieb es seither bei einer einheitlichen
Sommerzeit in Ost und West. Immerhin eine
Gemeinsamkeit.
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