DDR 1973 – Weltfestspiele der Jugend in einer gefestigten DDR

Wenngleich es mit der Wirtschaft in der DDR nicht zum Besten stand, gab es doch große außenpolitische Lichtblicke. Die DDR war im Februar der „Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen“ beigetreten. Im selben Monat nahmen Großbritannien und Frankreich diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Weitere 13 Staaten (u. a. Spanien, Italien und die Niederlande) hatten bereits im Januar diplomatische Beziehungen zur DDR aufgenommen. Im April kam Japan hinzu.
Der DDR-Ministerrat hatte Anfang März die Akkreditierung westlicher Journalisten als dauerhafte Korrespondenten genehmigt und einen Monat später waren bereits die ersten Journalisten aus der Bundesrepublik in der DDR als Korrespondenten akkreditiert worden.
Im Sommer des Jahres 1973 trat schließlich der Grundlagenvertrag in Kraft, nachdem es vier Wochen zuvor noch heftige Diskussionen im Bundestag darüber gegeben hatte. Aber schließlich war er doch verabschiedet worden. Im September hatte dann das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Grundlagenvertrag durchaus mit Grundgesetz vereinbar war.
Und damit neue Streitigkeiten und Spannungen gleich im Vorfeld abgeblockt werden konnten, hatten die DDR und die Sowjetunion ein Kommuniqué veröffentlicht, das besagte, dass nach dem Viermächteabkommen „West-Berlin nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehört und auch künftig nicht von ihr regiert wird“.
Die DDR sah sich auf einem guten Weg. In der Hauptstadt Ost-Berlin war in der Nähe des Alexanderplatzes das erste Parkhaus der Stadt eröffnet worden und das Politbüro der SED hatte einen Beschluss zur „Entwicklung des komplexen Wohnungsbaus für die Jahre 1976 bis 1980“ verabschiedet. Währenddessen hatte man mit dem Bau der Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) begonnen, als die Montage der ersten Platte eines fünfgeschossigen Hauses in Berlin-Lichtenberg in Angriff genommen worden war.

DDR Highlights des Jahres

Das kulturelle Highlight des Jahres 1973 waren die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten (Weltjugendspiele). Sie wurden am 28. Juli eröffnet und dauerten bis zum 5. August. In der DDR-Hauptstadt waren 25.600 Teilnehmer aus 140 Ländern zusammengekommen. Die Jugend- und Studentenverbände waren überwiegend links, oft sogar kommunistisch ausgerichtet. Auch eine Delegation von 800 Teilnehmern war aus der Bundesrepublik zu den Weltfestspielen angereist. Der Hauptveranstaltungsort, das Walter-Ulbricht-Stadion, war von der DDR-Regierung in Stadion der Weltjugend umbenannt worden. Die Nachricht vom Tode Walter Ulbrichts, der am 1. August im Gästehaus der Regierung am Döllnsee starb, warf keine großen Schatten auf die Spiele. Der Name Ulbricht verschwand schnell aus der DDR-Geschichtsschreibung. Auch der in der Nähe des Stadions gelegene U-Bahnhof, der Walter-Ulbricht-Stadion hieß und seit dem Mauerbau 1961 ein Geisterbahnhof war, war in U-Bahnhof Stadion der Weltjugend umbenannt worden. Diese Umbenennung war jedoch nur für die vorbeifahrenden West-Berliner U-Bahn-Fahrgäste zu sehen. Diese Geisterbahnhöfe waren auf DDR-Stadtplänen ohnehin nicht verzeichnet und durften auch von DDR-Bürgern nicht benutzt werden. Sie konnten die Umbenennung also nicht sehen.
Im September 1973 waren die Bundesrepublik und die DDR in die UNO aufgenommen worden, was immerhin eine Art Gleichstellung auf weltpolitischer Ebene bedeutete. Bereits im Januar hatte der Sekretär des ZK der SED Kurt Hager sich auf einer Tagung der Präsidien des Kulturbundes, der Künstlerverbände und der Akademie der Künste der DDR gegen die These von einer einheitlichen deutschen Kulturnation gewandt. Nein, einheitlich war lange schon nichts mehr, denn in der DDR hatte sich längst eine sogenannte sozialistische Kultur herausgebildet, die sorgsam von der Regierung beobachtet wurde. Dessen ungeachtet hatte im April ein Premiere gehabt, der zum Kult-Klassiker wurde, der DEFA-Film „Die Legende von Paul und Paula“. Regie hatte Heiner Carwo und entstanden war der Film nach dem Roman von Ulrich Plenzdorf. In den Hauptrollen waren Angelica Domröse und Winfried Glatzeder zu sehen. Der Film zeigte ein reales Abbild der DDR-Gegenwart mit allem Für und Wider.
Weniger schön für die Besucher, die in die DDR reisten, war die Verdoppelung des Mindestumtausches. Wer aus „nichtsozialistischen Staaten und West-Berlin“ anreiste, musste ab dem 15. November für einen DDR-Besuch 20 DM umtauschen und für einen Ost-Berlin-Besuch 10 DM. Für 1 DM gab es 1 Ostmark. Das Land brauchte Devisen, nur viel Verständnis brachten die Besucher dafür nicht auf. Den DDR-Bürgern wurde zum Jahresende erlaubt, mit westlicher Währung im Intershop einzukaufen. Wohl dem, der eine Tante, eine Oma oder gute Bekannte hatte. Allen anderen blieb nur der sehnsüchtige Blick nach den Westwaren übrig.
Eine andere Devisen-Quelle nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ tat sich auf, indem die DDR den Westmüll aufnahm. Die ersten West-Berliner Müllautos waren schon im September durch einen extra dafür errichteten Grenzübergang und über eine eingezäunte Straße zur Mülldeponie bei Groß-Ziethen gefahren.
Die Entwicklung in der DDR lief politisch und auch wirtschaftliche stetig voran. Das war unübersehbar. Es sollte wohl auch ein Zeichen der kontinuierichen Entwicklung sein, dass Anfang November der Grundstein für den Bau des Palastes der Republik gelegt wurde.
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